Montag, 10. März 2014

Matthias Matussek wird 60 - Glückwunsch!

Mitten im Bonus des Lebens


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Lieber Jubilar,

gut, die nackte kalte Wahrheit gleich zuerst. Machen wir uns nichts vor Matthias: 60 Jahre alt zu sein, ist hart, eigentlich sogar richtig scheiße. Nein, 60 ist auch keine Hausnummer, an der wir mal eben vorbeimarschieren könnten, als hätte man die weiteste Strecke noch vor sich. 60 ist schon verdammt alt. Zumindest dann, wenn man schon mal 20, 30, 40 und 50 war. 60 ist Synonym für Rentner.

Zumindest für die, die 40 Jahre körperlich hart malocht haben. Gut, hast Du nicht. Du bist ja ein Dichter und Denker. Und diese Berufsgruppe ist ärmer dran, als der ärmste Polier, denn als Edelfeder hat man keine Ausreden, nicht mehr produktiv sein zu wollen. Edelfedern müssen Tinte spritzen bis zum bitteren Ende. Also wenn Du so richtig Pech hast, geht das Theater noch satte 30 Jahre munter so weiter. Also 30 Jahre immer brutal am Zeitgeist lang, immer mit dem Leben der Jüngeren im Update bleibend. Ne ne, 60 kann für Dich nur ein kurzer, schneller Boxenstopp sein. Ein Time-Out allenfalls als Gelegenheit, mal an sich herunter zu schauen. Narben, Verletzungen und chronische Krankheiten zählen. Inventur machen also.

Die allerbesten Jahre bereits hinter sich

Aber selbst dann, wenn man darüber hinweghasten möchte, bleiben doch diese unbestechlichen Statistiken in ihrer für einen 60-Jährigen wohl verachtenswertesten Sprache: 30 Prozent aller 50-54 Jährige beklagen gesundheitliche Einschränkungen, bei den 60-65 Jährigen sind es bereits 50 Prozent. Nein, das Leben schreitet nicht einfach nur so voran, wie ein majestätischer Fluss, die Sache entwickelt sich gerne mal zum gefährlichen Sturzbach. Wer behauptet, es verliefe linear, der versteht nichts vom Leben.

Jeder über 45 weiß, dass man jetzt, mindestens körperlich, seine allerbesten Jahre bereits hinter sich hat. Ab 45 beginnt zwar noch nicht der Altenteil, aber schon so etwas, das man als Bonus des Lebens bezeichnen könnte. Gut, man kann den körperlichen Verfall mit viel Sport und Schweiß konservatorisch noch eine Weile bekämpfen, aber es bleibt, was es ist: reinster Sisyphos.

Nun liegt natürlich viel an den Begleitumständen und der so genannten „inneren Einstellung“. Zählen die einen was war anhand der Einschläge, ziehen andere ihre Erfolgsbilanz. Oder kürzer: Pessimismus vs. Optimismus.


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Bei Dir lieber Jubilar ist das freilich noch einmal etwas komplizierter. Denn natürlich sahst Du die 60 schon kommen, als sie noch gar nicht um die Ecke gebogen war. Und weil Du Dich sorgtest, was da nun kommen würde, hast Du die Sache schon mal im Vorfeld durchexerziert, indem Du Dich literarisch an einem Gleichaltrigen abgearbeitet hast, der schon ein paar Wochen früher als Du die 60 erreichte. Quasi als Testdurchlauf und – na klar – auch als versteckte Bitte, wie Du selbst behandelt werden möchtest, wenn die Zeit gekommen ist, wenn man ganz verlegen mit 60 roten Nelken vor Dir und Deinem Geburtstagsschaukelstuhl steht.

Nicht der Helmut-Schmidt-Weg

Also gedanklich, denn Du bist ja rechtzeitig nach Rio geflüchtet, um dort durch den Karneval zu tanzen, als wärst Du wieder 25 – herrjee. Ausgerechnet dort, wo Du ein paar Jahre lang für den Spiegel tätig warst: „Matthias Matussek, unser Mann aus Rio.“ Wir dürfen also annehmen, das dieser Abschnitt in Deinem Leben ein besonders wichtiger für Dich war, dass Du Dich zu diesem zwiespältigen Jubiläum dorthin verkrochen hast. Aber zurück zum Gleichaltrigen. Gemeint ist der Pop-Titan. Über eine Begegnung mit Dieter Bohlen – übrigens rein zufällig ebenfalls in Rio! – schriebst Du etwas, das perfekt geeignet ist, Deinen Vorab-Gemütszustand zu erzählen:

„Nun ist er also 60 geworden. (…) Er hat ja schon vor mindestens 30 Jahren jene Apfelbäckchen-Alterslosigkeit erreicht, die das Ziel der Peter-Pan-Generation ist. Es sei denn, man sieht aus wie ein ehrwürdiges Monument aus Exzess und Verfall und Drogen. Bohlen ist die Vitaminvariante. Glückwunsch, Dieter Bohlen, prima hingekriegt, dieses Leben ohne Risiko, aber auch ohne Aussetzer. Nun ist er 60. Ich bin es in drei Wochen. Wie entsetzlich!“

Ohne die Psychologie zu sehr zu bemühen, unterliegst Du hier natürlich einer Fehleinschätzung. Nein, dieser dunkelbraune Falten-Bohlen, diese Botox-Variante eines Joachim Gauck, dieser quengelige Shar-Pei II aus Tötensen, dieser seit Jahrzehnten in die selbe zu enge Stonewashed-Jeans Gequetschte, sieht keineswegs jünger oder frischer aus als Du. Ihr beide seid nun einfach 60. Und man sieht es Euch an.

Lieber Jubilar, stimmt, das ist keine Schmeichelei. Und seien wir ehrlich, Dir in diesen rauen Tagen zu schmeicheln – Geburtstag hin oder her – hätte auch etwas von einem Himmelfahrtskommando. Nein, Du hast Dich schon vor Deinem 60-sten entschieden nicht den Helmut-Schmidt-Weg zu gehen. Denn anstatt Dich nun in aller Seelenruhe die kommenden 30 Jahre mit Menthol-Zigaretten zu belüften, hast Du das rostige Bajonett poliert, umstandslos aufgepflanzt und Dich ins Getümmel gestürzt, als gäb’s kein Morgen.



Rumble in the Jungle im Feuilleton

Die Geburtstagsständchen gerieten entsprechend unterirdisch. Aber so ist das wohl, wenn man die Frechheit besitzt, wenn man noch mal in den Ring steigt, ein paar brutale Uppercuts austeilt und dann selbst mit ein paar üblen Cuts einfach nicht auf die Matte will. Rumble in the Jungle im Feuilleton. Ein großes Tohowabou und Du wütend und grinsend zugleich im Auge des Hurricans.

Und der beste Zeitpunkt, es frei heraus auszusprechen: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Du alter Kämpfer. Lass es bitte nie, niemals ruhiger angehen. Es würde etwas fehlen. Bleib einfach so lange es geht der Stachel im so elend abgesoffenem Feuilleton der Anständigen, die sich in ihren rosa Tütüs in Papierschiffchen um die Einfahrt in die letzten sicheren Häfen balgen. Alles Gute!

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