HEINRICH SCHMITZ

Sonntag, 28. Oktober 2012

Über Peter Hahne "Gedanken zum Sonntag"


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Der Rechtsstaat nach Hahne - U-Haft für Anfänger

von RA Heinrich Schmitz

Fussballinteressierte Menschen kommen an der BamS nicht vorbei. Ich auch nicht. Neuerdings ist der Sportteil zum Herausnehmen. Hätte ich besser mal getan und den Rest sofort weggeworfen. Aber ich kann so schlecht was wegwerfen. Fing ja auch ganz gut an. Claudia Roth, ja genau die bunte Frau, erklärt in einem Streitgespräch Herrn Dobrint auf geniale Weise zum Deppen ("Da ich mir von der CSU nicht sagen lasse, dass grüne Frauen kein Dirndl tragen dürfen, darf Herr Dobrindt ruhig eine Johnny-Depp-Brille tragen. Aber das macht noch keinen Johnny aus ihm."). Ich gebe zu ich habe herzlich gelacht.

Und dann kommt Hahne, Peter Hahne."Gedanken am Sonntag" nennt er seine Kolumne. Gedanken können ja selten was schaden, denke ich und begehe den Fehler. Der Sonntagsplan muss geändert werden, da muss ich was zu schreiben. Was tut der da?

In der Überschrift eine Frage: "Warum sind die Tot-Treter vom Alex wieder frei?"

Tot-Treter? Kommen die aus Askaban? Beförderte Tot-Esser? Schnell Alex fragen, ob es ihm gut geht. Na immerhin das.

Erster Abschnitt - ganz o.k. Da ist von mutmaßlichen Tätern die Rede. Fein, keine Vorverurteilung.

Zweiter Abschnitt - Die üblichen BILD-Fragen. Sind wir in Deutschland nicht mehr sicher? Ist die Integration gescheitert? Lassen uns Politik, Polizei und Justiz im Stich? Ja, o.k. Fragen darf man ja mal.

Dritter Abschnitt - Erleichterung über den schnellen Fahndungserfolg. "Drei an der Tat Beteiligte kamen in Untersuchungshaft, der Haupttäter hat sich in die Türkei abgesetzt."

Ja o.k. es ist ja lästig immer von mutmaßlichen oder Tatverdächtigen zu schreiben. Es sind ja nur Gedanken zum Sonntag. Schwamm drüber. Doch jetzt, wie furchtbar für Herrn Hahne, zwei der Tatverdächtigen - nein nein, Herr Hahne verwendet das Wort nicht, das ist jetzt mal von mir - sind aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

Ob jetzt die Haftbefehle aufgehoben oder nur unter Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt wurden weiß man nicht. Wozu auch solche Differenzierungen, wenn man sich ein bisschen empören kann.


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Und jetzt kommt ein genialer Trick. Herr Hahne versteht die Empörung "über diese Entscheidung. Richter müssen wissen was sie anrichten." Einmal davon abgesehen, dass die Empörung gerade erst von Herrn Hahne erzeugt wurde, hat er ja recht. Die Richter müssen wissen, was sie anrichten. Nicht Herr Hahne, nicht wer anders. Und dabei hatte er das doch eben erst ganz richtig festgestellt: "Weder Kolumnen noch Stammtische dürfen einen Gerichtssaal ersetzen", da glaubte man wieder einmal an das Gute im Hahne.

Und dann kommt der perfide, falsche Satz, der dem BamS-Leser Freudentränen in die Augen treibt, der "Deutschland gegen Kinderschänder", die NPD und alle gut meinenden Unwissenden jubilieren lässt:

" Es ist nicht immer Volkes Stimme, was Juristen "im Namen des Volkes" urteilen, aber es muss doch wenigstens mit unserem Rechtsempfinden übereinstimmen ".

Gut , dass nicht Volkes Stimme Recht spricht. Einmal wäre es wohl etwas kompliziert, die gesamte Bevölkerung mit den Regeln des Straf- und Strafprozessrechts auszustatten - da müsste man schon Rechtskunde ab der Grundschule machen, zum anderen wäre eine Volksabstimmung bei jedem Strafprozess nicht finanzierbar.

Die Gerichte sprechen ja nicht aufgrund eines gesunden oder ungesunden Volksempfindens ihre Urteile, sondern auf der Grundlage von Recht und Gesetz.

Ob man jetzt aus Scheu vor braunem Jubel das Wort Volksempfinden durch Rechtsempfinden ersetzt, macht leider keinen großen Unterschied. Was ist denn "unser Rechtsempfinden". Haben Herr Hahne und ich das gleiche Rechtsempfinden ? Weiß ich nicht, kann ich mir aber nach dieser Kolumne kaum vorstellen.

Mit dem Empfinden ist es immer so eine Sache. Manch einer ist empfindlich, man einer weniger. Mal so, mal so. Empfindungen sind flüchtig. Empfindungen sind unberechenbar. Empfindungen sind ungerecht. Das gilt auch für das sogenannte Rechtsempfinden.


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Nein Herr Hahne, sie spinnen wohl. Gerichtliche Entscheidungen müssen nicht ihrem und auch nicht "wenigstens" meinem Rechtsempfinden oder dem der Angehörigen des Opfers entsprechen, sie müssen Recht und Gesetz entsprechen und sonst gar nicht.

Auch dass "selbst der Berliner Innensenator" unzufrieden ist spielt keine Rolle. Darf er sein, keine Frage. Es ist aber kein Kriterium für richtig oder falsch.

"Und die Polizeibeamten sind wieder mal die Dummen. Permanent erleben sie, wie ihre Fahndungserfolge von einem einzelnen Richter oder einem Geschwader von Gutachtern zunichte gemacht werden."

Na, so geht das aber auch nicht. Polizisten als Dumme zu bezeichnen würde ich mich ja nun nie trauen. Das "Fahndungserfolge" nicht immer zu einer Verurteilung führen und selbst schon gar keine sind, liegt weder an der vermeintlichen Dummheit der Polizei noch an der Bösartigkeit von Richtern, sondern an einer klug erdachten Aufgabenteilung.

Die Staatsanwaltschaft mit der Polizei ermittelt Tatverdächtige, die werden dann angeklagt oder auch nicht ( schon bei der Staatsanwaltschaft wird ein Großteil der Verfahren eingestellt ) und das Gericht entscheidet dann. Erst danach steht fest, ob jemand eine Straftat begangen hat, nicht schon wenn die Polizei einen "Fahndungserfolg" hat. Rechtsstaat nennt man das. Die Gerichte sind nicht dazu da, jede Sau, die von der Polizei durchs Dorf in den Gerichtssaal getrieben hat auch zu Wurst zu verarbeiten.

Aber Herr Hahne ist noch nicht fertig:
"Untersuchungshaft und Unschuldsvermutung widersprechen einander nicht." Ein richtiger Satz, vermutlich nur falsch verstanden. Die Unschuldsvermutung gilt bis zum rechtskräftigen Urteil. Wenn man einen Verdächtigen bereits vorher einsperren will - was ja massiv in sein Grundrecht auf Freiheit eingreift - , dann geht das nur unter bestimmten Voraussetzungen. Nicht nach Volksrechtsempfinden, sondern nach den Vorschriften des § 112 StPO.


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Da offenbar kaum jemand die kennt, bitteschön:

§ 112

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.
(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, dass der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,

2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder

3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde

a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder

b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder

c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,

und wenn deshalb die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

Ob diese Haftgründe vorliegen prüft ein Richter. Der entscheidet dann durch Beschluss, nicht durch Urteil. Da hier - wie Herr Hahne wohl weiß - der Haupttäter , sprich der Hauptverdächtige, der sich vermutlich als "Tot-Treter" wegen Totschlags oder Mordes zu verurteilen haben wird, ins Ausland geflohen ist, können die anderen Beteiligte nicht nach § 112 Abs. 3 StPO ohne besonderen Haftgrund eingesperrt werden.

Ein Haftgrund wurde aber nach den Geständnissen nicht festgestellt, also sind sie bis zur Verurteilung frei. Daran ändert auch ein merkwürdiges Rechtsempfinden nichts, das ist Ausfluss der Unschuldsvermutung.

Wer seine Kolumne "Gedanken zum Sonntag" nennt, sollte sich wenigsten vorher auch welche machen, bevor er den BamS-Leser gegen seinen Rechtsstaat aufhetzt. Das stört mein Empfinden.

von RA Heinrich Schmitz

Samstag, 27. Oktober 2012

Matthias Matussek "Die Apokalypse nach Richard"

REZENSION VON RA HEINRICH SCHMITZ

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http://kirchensite.de/uploads/pics/matussek352.jpg




" Kann Spuren von Weisheit enthalten"

"Fast niemand mag ihn" titelte die TAZ 2005 unverhohlen

http://www.taz.de/1/archiv/?id=archiv&dig=2005/12/27/a0099

und Matthias Matussek hat als katholischer Talkshowrabauke einiges dafür getan dieser Behauptung gerecht zu werden. Ob Heiner Geißler, Angelika Kallwass oder ein komischer Imam - wer etwas sagte, dass die religiösen Gefühle des SPIEGEL-Autors verletzte, sah sich einem geradezu alttestamentarischen Verbalfuror ausgesetzt.

Stets mit dem griffbereiten "katholischen
Abenteuer" unterwegs, ließ er sich zur Freude seiner Fans durch diverse Quasselsendungen weiterreichen und verteidigte seine Kirche, seinen Papst, seinen Glauben. Zwar hat er nie mit seinem Buch geworfen und auch mit dem Buch der Bücher nicht. Auf Fremde wirkte er dennoch befremdlich.

Dass dieser Wüterich schreiben kann wie kaum ein zweiter, dass seine Essays wie jüngst
beispielsweise der über Hermann Hesse, inhaltlich wie stilistisch zum Besten gehört, was das deutsche Feuilleton zu bieten hat, ist unzweifelhaft.


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Trotzdem machte er sich durch seinen
eigenwilligen Diskussionsstil nicht gerade beliebt, was ihm angesichts seiner schweren Mission – eine Bürde! – aber wohl auch herzlich egal war.

Wer aber nun händereibend erwartete, das würde bis in die Ewigkeit so weitergehen, der kann sich auf eine Überraschung gefasst machen. Denn eine anrührende Erzählung, eine vielschichtige Weihnachtsgeschichte hätte man wohl – wenn überhaupt, dann nur mit letzter Tinte von ihm
erwartet.

"Die Apokalypse nach Richard". Richard, ein 85-jähriges Familienoberhaupt, der mit seiner Frau Waltraud auf die Ankunft seiner Kinder und Enkelkinder zum gemeinsamen Weihnachtsfest wartet. Richard, der davon überzeugt ist, dass an diesem Heiligabend etwas besonderes geschieht.

Richard, zu dem die Familienmitglieder aus allen Richtungen hinreisen wie die heiligen drei Könige zur Krippe. Richard, eine Art grauer Star.

Klingt nach süßlichem Weihnachtskitsch für Religioten, wie man Gläubige in gewissen atheistischen Kreisen auch gerne mal nennt. Ist
es aber nicht. Vielmehr eine Novelle, die es in sich hat, die alles hat, was man von einer großen literarischen Erzählung erwarten kann.

Intelligent, nachdenklich, unterhaltsam, humorvoll und, na klar: sprachlich brillant.

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Alle Familienmitglieder haben ihre Leichen im Keller, egal ob es Enkel Nick ist, der im Internat beim Kiffen erwischt wurde, dessen Vater und Richards Sohn Roman, der als Journalist matusseksche Probleme mit seinem Redakteur hat, Wilhelm, sein Bruder, der als Banker angesichts der Krise zunehmend die Panik bekommt und selbst Richards Frau, die treusorgende Waltraud ist längst nicht so simpel gestrickt, wie man zunächst annimmt.

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Sie alle streben am 23.12. zu Richard, zur traditionellen Gans und - ohne es zu wissen - zu Richards Apokalypse.

Es wäre eine fiese Indeskretion, hier zu verraten, worin diese Apokalypse besteht. Es ist eine Überraschung und muss es auch bleiben.
Aber der Schriftsteller und bekennende Atheist Alexander Wallasch, der das Buch für "the european" rezensiert hat, hat recht. Das ist nicht nur ein wunderbares Buch, sondern es schreit laut nach einer Verfilmung.

Man
sieht Richard förmlich durch das verschneite Hamburg gehen, man riecht den Markt, den Schnee. It works.

Leicht und unterhaltsam kommt die Geschichte daher - und doch immer wieder auf leise Art nachdenklich machend. Weit und breit kein
katholischer Holzhammer, ab und an ein kleines Hämmerchen. Feine Ironie ohne Zynismus.

In Nick, Roman, Bill und womöglich auch Richard erkennbar biografisch beeinflusst, aber ohne Missionierungseifer, mit viel Humor und Liebe zu
seinen Figuren und deren persönlichen Brüchen und Macken. Feinfühlig, ja tatsächlich, Matussek kann nicht nur feinfühlig: Er ist es in Cinematoskope!

Wer mit dem christlichen Glauben, Weihnachten und all dem "Gedöns" nichts am Hut hat, braucht sich dennoch nicht zu fürchten, auch er wird
Vergnügen haben. Wer die christliche "Szene" von innen kennt, wird manches wiedererkennen und ebenfalls schmunzeln. Übersteigerte Erwartungen an das Weihnachtsfest und Erwartungen auf einen handfesten apokalyptischen Familienkrach gehören zu Weihnachten wie Christbaum und Krippe.

Bei Richard ist alles etwas anders und auch wieder nicht. Hier wird nicht gepredigt, nicht belehrt und nicht bekehrt, hier wird erzählt.
Einfach erzählt, wobei jeder weiß wie schwer es ist, einfach zu erzählen.

Alleine das lohnt die Lektüre. Wo gibt es heute noch gute Erzähler ? Bei der Lektüre überkam mich immer wieder ein Drang vorzulesen. Das Buch schreit danach gelesen und vorgelesen zu werden.
Wer die Gelegenheit hat, eine Lesung mit Matthias Matussek zu besuchen, sollte nicht zögern sie wahrzunehmen.

Versprochen: Es lohnt.

Einziger kleiner Wermutstropfen, die Novelle endet schon auf Seite 190. Bleibt zu wünschen, dass Matthias Matussek auch selbst soviel Spaß am Erzählen gefunden hat, dass es auch mal einen dicken Roman über Richards Familie geben wird. Ein unfrommer Weihnachtswunsch wird wohl erlaubt sein.

von RA HEINRICH SCHMITZ


http://www.payer.de/christentum/apok48.gif

Samstag, 13. Oktober 2012

Netter Versuch - Die neuen Nazis sind nicht dumm

VON RA HEINRICH SCHMITZ


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Früher war zwar nicht alles besser, aber es war einfacher. Ganz früher trugen sie ihre kackbraunen Hemden, später Glatzen, Bomberjacken und Springerstiefel, rochen nach Bier, grölten dumme Parolen und liefen mit Hakenkreuzen durch die Fußgängerzonen. Sie waren leicht zu erkennen und den meisten Menschen einfach nur zuwider.


Heute gehen sie geschickter vor. Auf den meisten Glatzen sprießen Haare. Die Klamotten sind dezent bis chic. Ihre Propaganda klug, geradezu perfide. Die tumben Schläger sieht man nur noch selten, meist in Fangruppen bei Fußballspielen, ansonsten scheinen die im Keller zu bleiben.

Brave Mütter und Väter, die sonst
sicherheitshalber die Straßenseite gewechselt hätten, wenn sie sie von Ferne gesehen haben, rufen jetzt "gefällt mir". Gut vielleicht nicht gerade auf der Straße, aber auf facebook und auch sonst im Internet. Klick, klick, "like".

Sie treten jetzt nicht mehr als Kinderschrecken auf, sondern als Kinderschützer.

Wer könnte da was gegen haben. Die lieben Kleinen müssen doch beschützt werden, das ist doch keine Frage. Und die cleveren Jungs und Mädels von
der rechtsextremen Seite haben sich da etwas ganz geschicktes ausgedacht. Geradezu todsichere Reflexe ansprechend. Ein Schreckgespenst, das bei keinem normalen Menschen auch nur einen Hauch
von Sympathie geniest, das Alpträume bereitet, das triggert, das das Hirn vor Angst erstarren lässt - die Rechte präsentiert :

den Kinderschänder, bekannt aus Film , Funk und BILD-Zeitung !

Dieser übermächtige Feind muss bekämpft werden, ach was sage ich, der muss ausgemerzt, vernichtet, gequält und danach verstümmelt und
zerstückelt werden.

Aber immer schön langsam, der Reihe nach:

Eine hinreichend bekannte facebookseite gegen Kindesmissbrauch, die (Stand 14.10.2012 ) immerhin über 17739 Unterstützer verfügt, hat sich eine neue Aktion ausgedacht, die, so behaupte ich, der NPD-nahen Gruppe und damit letztlich auch der NPD neue Anhänger bescheren soll. Unter dem Titel "1000000 Stimmen gegen Kinderschänder - sei online dabei !!! " haben sie eine facebookveranstaltung initiiert, die bis heute innerhalb weniger Tage 88000 Teilnehmer gefunden hat und geradezu minütlich wächst.

Dass es hier keineswegs um Kinderschutz oder Prävention vor sexuellem Missbrauch geht, fällt schon nach einigen Minuten der Lektüre auf. Hier
nur ein paar willkürlich ausgewählte Zitate, die zeigen, mit welchen Methoden manipuliert wird:


E.K. schreibt : "Also, ne 9mm Kugel is billiger für uns Steuerzahler als 10 Jahre Knast für so ein Pack !!!!!!!!!!!!!"

T.B.D.B.

"Ich finde auch das es nichts bringt KINDERSCHÄNDER zu therapiern denn was sie den opfern angetan haben bleibt den opfpern ein leben lang im gedàchnis und sie sind die jenigen die schlimme bleibende schàden davon tragen MÜSSEN von daher gehören die tàter ein leben lang weg gesperrt wer so was macht und sich an kleine kinder vergreift ist unberechenbar und wird versuchen es immer wieder zu machen die gehören weg gesperrt und die TODESSTRAFE!!!!! Es tut mir nur leid für die armen kleinen kinder!!!"

Und eine Frau , die sich sinnigerweise in ihrem Profilphoto mit einem Säugling zeigt:

" Ich finde es immer wieder erstaunlich,wie manche Vollpfosten den Kinderschändern immer noch ein Menschenrecht zugestehen.Sie haben ihren
Opfern jegliches Recht auf unversehrtheit genommen.Diese Opfer können meist nie ein "normales" Leben führen. Manche sollten erstmal ihre Nuss,die sie ein Gehirn nennen, einschalten
bevor sie hier irgendwelche Kommentare Posten.
Auch ich fordere "Todesstrafe für Kinderschänder"........oder mein Keller hihi-da würde mir schon was einfallen "

Die Rechtschreibfehler sind originalgetreu in den Zitaten enthalten, aber darauf kommt es nicht an. Die Kommentatoren sind in ihrer Masse nicht dumm, sondern lediglich vom Thema verführt.

Dass das keineswegs nur unerwünschte Kommentare von geistig Minderbemittelten sind, sondern genau im Sinne des Erfinders, erkennt man an einem Zitat aus dessen eigenem Infoeintrag. Dort steht :

"Ferner verlangen wir eine Ende der Kuscheljustiz und eine offene Diskussion über härtere Strafen für Kinderschänder. Eine Resozialisierung von Kinderschändern und gefährlichen Sexualstraftätern darf es nicht geben. Lebenslang heißt ein Leben lang und auch die Diskussion über die Todesstrafe darf kein gesellschaftliches Tabu sein."

Tja, darum geht es eigentlich. Kein Wort von Kinderschutz. Ein Kommentar nannte das "Recht durch Rache".

Diskussionsbeiträge von Kritikern haben in dieser Gruppe, auch wenn sie auf konkrete Kinderschutz und -präventionsprogramme und Internetseiten,
wie Regenbogenwald, Zartbitter, Terre des Hommes, Weisser Ring und ähnliche hinweisen, nur eine kurze Halbwertszeit.

Fotos von Patronenkugeln mit dem Untertitel " Die Pille für den Kinderschänder " werden dagegen fröhlich geteilt.

Geschickter geht es wirklich nicht.

Durch die Verwendung des Begriffs "Kinderschänder" verbietet sich jede Kritik an der Veranstaltung. Empörte Antworten von
aufgebrachten Müttern wie, " Sind sie etwa für Kinderschänder ?" sind vorprogrammiert, wenn man freundlichst versucht, die besorgten Pappis
und Mamis darauf hinzuweisen, dass die von ihnen bevorzugte Todesstrafe wohl leider nur dazu führen würde ( siehe USA ) , dass manch ein
nachdenkender Täter sein Opfer sicherheitshalber lieber gleich umbringen wird, als ihm nur das Versprechen abzunehmen , nichts zu erzählen, dass
kaum ein Kind glücklich darüber sein wird, dass sein Vater oder Stiefvater getötet werden wird, wenn es der Mama vom Missbrauch erzählt,
dass es immer wieder Justizirrtümer gibt.

Aber halt - Justizirrtümer wird es in Zukunft ja keine mehr geben können, weil diese "Kuscheljustiz" ja gleich mit abgeschafft werden
soll. Wozu Prozesse, wozu Justiz ? Das ist doch alles rechtsstaatlicher Unfug, Firlefanz von Gutmenschen. Der Lieblingsbegriff der Rechten ist
ja der "kurze" Prozess, also gar keiner, der den Namen verdient hätte. Einfach an die Wand stellen.

Und hier sieht man, wie raffiniert die Initiatoren zu Werke gehen. Dass die Todesstrafe in Deutschland gar nicht mehr eingeführt werden kann, wissen sie ganz genau
(https://www.facebook.com/notes/heinrich-schmitz/todesstrafenfans-vergesst-es-/279813148706887).
Dass das daran liegt, dass in Art. 1 GG die Menschenwürde eines jeden Menschen als unantastbar festgestellt wird, wissen sie auch nur zu gut. Und genau darauf zielt diese schlaue Taktik.

Zunächst einmal überzeugen sie die Leute davon, wie gut es doch wäre "Kinderschänder" mit der Todesstrafe zu vernichten. Dazu erzählen sie
dann falsch aber wortreich, dass der Kinderschänder ja keine Menschenwürde habe, weil er auch die Würde eines Kindes verletzt hat.

Deshalb habe er seine Menschenwürde verloren. Wenn dieses Grundgesetz dem Täter dennoch die Menschenwürde "zuspreche" könne doch die
Konsequenz daraus nur sein kann, diese schändliche Verfassung, die ja sogar solche Täter vor der gerechten Strafe und Rache beschützt,
abzuschaffen.

Ja, so stellen sie sich das vor. Zurück in die gute alte Zeit, in der es zunächst für einzelne Bevölkerungsgruppen und dann letztlich für
niemanden mehr Menschenrechte gab. Das ist der Plan und sie machen es sehr geschickt.

Wenn sie von "kranken Schweinen" sprechen, geht es nicht um die Bekämpfung von Tierseuchen, sondern darum andere Menschen, nämlich die
des sexuellen Missbrauch verdächtigen oder auch verurteilten zu entmenschlichen, ihnen erst mal verbal die Menschenwürde zu nehmen, um dies später auch in der Realität zu tun und sie dann dem Mob zum Fraß vorzuwerfen.

Bei Lösungsansätzen denken sie maximal an Salzsäure und der wirkliche Kinderschutz ist ihnen herzlich gleichgültig.

Dass der Schutz unserer Kinder ganz anderer Mittel bedarf als einer härteren und unmenschlichen Umgangsweise mit den Tätern ist ihnen dabei vollkommen bewusst, aber darum geht's ja auch nicht wirklich. Eine verachtenswerte, aber zugegeben verdammt clevere Taktik.

Aber, es gibt noch genügend Menschen, die diese Strategie trotzdem durchschauen und andere davor warnen. Denen gilt mein Dank. Dass es den
Nazis tatsächlich gelingt, aus ihren likern auch Wähler zu machen, sollte dennoch misslingen. Irgendwann setzt das Denken nämlich auch bei
denen wieder ein, die erst nur mal so geklickt haben. Netter Versuch.

von RA Heinrich Schmitz

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Schnipp-Schnapp - Die Vierte oder wie man ein schlechtes Gesetz macht

von RA HEINRICH SCHMITZ


http://www.baltische-rundschau.eu/wp-content/uploads/2012/08/Justicia.jpg

Es war zu befürchten, dass die Politik in der Beschneidungsdebatte keine "Lösung" finden würde.

Jetzt liegt der Gesetzesentwurf vor und sein Inhalt löst - völlig unabhängig welche Position man in der Beschneidungsfrage selbst vertritt
- nur erstauntes Kopfschütteln aus.

Dass der Bundestag, angetrieben von der Kanzlerin und allen Religionsgemeinschaften, wild entschlossen war, die Beschneidung von
nichtzustimmungsfähigen Kindern unmissverständlich zu erlauben, war seit
der eiligen Resolution des Bundestages klar. (
https://www.facebook.com/notes/heinrich-schmitz/die-resolution%C3%A4re-des-schnipp-schnapp-von-ra-heinrich-schmitz/447262585295275).

Das hatten sie dem noch diskutierenden Volk ja sofort deutlich gemacht:

"Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,im Herbst 2012 unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperlichen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und
des Rechtes der Eltern auf Erziehung einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist."

Und wenn man sich grundsätzlich die Gesetzgebungsarbeit auch anders vorstellen mag, so ungewöhnlich ist das nicht, dass eine offene Debatte nicht so erwünscht ist und ein Thema schnell vom Tisch soll. Kennen wir ja z.B. auch bei Diätenerhöhungen.

Hauptzweck des Gesetzentwurfes war daher von Anfang an, die Debatte über die Rechtmäßigkeit von Beschneidungen möglichst zu beenden, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat. So was geht auch - wenn man es richtig anpackt.

Und jetzt ist er da. Der lange erwartete Entwurf. Und so sollte zuerst aussehen:

(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wird.

(2) Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet ist.

Klingt unspektakulär.


http://www.n-tv.de/img/39/394058/O_1000_680_680_Penis.jpg

Fand das Kabinett wohl auch und änderte noch munter dran rum. Die Kabinettsvorlage brachte dann dies hier zustande:

"§ 1631d

Beschneidung des männlichen Kindes

(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen,wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll.

Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.

(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer
Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß

Absatz 1

durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung
der Beschneidung vergleichbar befähigt sind."

Das ganze soll als neuer § 1631d ins BGB eingeführt werden.

Und dann ? Dann dürfte aus meiner Sicht das ganze Problem wieder bei der Justiz landen und die ganze Diskussion von vorne beginnen.

Das hat verschiedene Gründe. Die Zustimmungsberechtigung zu einer Beschneidung im Bereich der Personensorge zu regeln, war zunächst einmal ein vernünftiger gesetzestechnischer Ansatz. Die Personensorge liegt regelmäßig bei beiden Eltern, solange sie nicht aus irgendwelchen Gründen auf einen sorgeberechtigten Elternteil übertragen wurde. Solange also beide Eltern einer medizinisch nicht erforderlichen Beschneidung zustimmen würden, wäre sie zunächst einmal nicht mehr rechtswidrig.

Tja, und da haben wir schon das erste Problem. Das Gesetz sagt leider nichts darüber, was denn geschehen soll, wenn sich die Eltern in dieser
Frage nicht einig sind. Das kommt in den besten Familien vor, jedenfalls häufiger als in den schlechten, dass Eltern sich unterschiedliche
Vorstellungen darüber machen, was gut für ihr Kind ist.

Es sollte auch so sein, dass man das Für und Wider abwägt und dann eine gemeinsame
Entscheidung trifft. Klappt aber nicht immer - und dann ? Müsste ein Familienrichter einem der beiden Elternteile die Entscheidungsbefugnis
in dieser Frage übertragen. Ja, da wird's dann wieder lustig. Nach welchen Kriterien sollte er das denn bitte tun ?

Da er ja nicht einfach willkürlich entscheiden kann, müsste er sich wieder mit diesen lästigen
Grundrechten auseinandersetzen, die Kinder hier nun mal auch haben. Das könnte dazu führen, dass er eine ähnliche rechtliche Einschätzung
vornimmt wie das "böse" Landgericht Köln, oder auch nicht.

Dass der Familienrichter diese Entscheidung innerhalb der bei jüdischen Kindern erforderlichen 8 Tage nach der Geburt treffen würde oder auch nur könnte, ist aber ausgeschlossen. So schnell kann der schnellste
Familienrichter und auch die schnellste Familienrichterin nicht über die Sinnhaftigkeit einer ja immer noch tatbestandsmäßigen Körperverletzung entscheiden. Er/Sie könnte höchstens einen Euro werfen, da weiß man ja auch nie was man hat.

Diese Problematik hätte man im Entwurf ganz leicht umgehen können, indem man für die Zustimmung zu Beschneidung einfach die Zustimmung beider Elternteile gefordert hätte. Keine Einstimmigkeit in der Frage, keine Beschneidung. War wohl zu simpel.

Aber das war ja nur das erste, kleinere Problem. Das zweite Problem ist gravierender.

Offenbar weil man sich der Tatsache bewusst ist, dass man bei allen Entscheidungen, die unmündige Kinder betreffen, deren Wohl und Wehe im
Auge haben muss, hat man dem Gesetzentwurf in Absatz 1 Satz 2 eine Zeitbombe hinzugefügt. Denn der ganze schöne Absatz 1, der so tut, als
wären die Eltern ganz alleine in der Lage, die Zustimmung zur Beschneidung zu geben, wird nun erheblich relativiert.

Er gilt nämlich gar nicht, " wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung
ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet ist." Guckguck ruft da ganz laut die bisherige Debatte und lacht sich kaputt, dass die Regierung geglaubt hat, sie mit diesem Gesetz zu verscheuchen.

Da bin ich wieder, ruft die Debatte. Es geht letztlich doch wieder um das Kindeswohl und nicht um den reinen Elternwillen. Die Eltern und der
Beschneider können sich also doch nicht so sicher sein, dass nicht wieder eine Anklage kommt, jedenfalls dann, wenn etwas schief geht, was
ja vorkommen soll.

Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Nicht mal ein Gesetz, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer "breiten" - oder
vielleicht sollte man fairerweise sagen "großen" - Mehrheit durchgewunken würde, bekommt man anständig formuliert.


http://www.kindergarten-st-vinzenz-thannhausen.de/files/9lsa-6s3j0s0tq8jk-z22v8.jpg

Der Begriff des Kindeswohls ist in der familiengerichtlichen Praxis seit Jahren eine Wundertüte. Er ist an keiner Stelle des Gesetzes definiert, er hat auch durch die Rechtssprechung, also durch sogenanntes Richterrecht, keine rechte Definition erfahren.

In jedem Sorge- oder Umgangsrechtsprozess können also die Parteien und das Gericht mehr oder
weniger beliebig über diesen entscheidungserheblichen Begriff philosophieren. Ist ja auch schwer. Der Begriff des Kindeswohls oder der der Kindeswohlgefährdung beeinhaltet ja eine Prognose für die Zukunft des Kindes auf der Basis der Vergangenheit und der Gegenwart.

Das ist wie bei der Wettervorhersage. Für einen Tag noch ganz gut machbar, aber wenn es um das Wetter in einem halben Jahr geht, wird's schon unbrauchbar.

Ist es gut, wenn das Kleinkind bei der überbehütenden Mutter bleibt oder zum laisser-faire-Vater zieht ? Besser zur berufstätigen Mutter oder oder zum Harz-vierenden Vater, der viel mehr Zeit hat ? Ist es besser, das Kind geht zum Vater, der ihm ein Pony versprochen hat ( was auch für seinen Rücken gut wäre ) oder zur Mutter, die eine gehörige Angst vor Pferden hat? Besser mit oder ohne Vorhaut?

Diese Entscheidung ist letztlich immer willkürlich, auch wenn ein einigermaßen guter Jurist sowohl die eine wie auch die andere mit guten Argumenten vertreten kann.

Den Begriff des Kindeswohls ausdrücklich mit der Zustimmungsbefugnis der Eltern in eine Paragrafen zu packen, schafft jedenfalls nicht das Ende
der Debatte, erfüllt also nicht einmal den eigentlichen Zweck, den die Mehrheit des Bundestages und auch der Regierung beabsichtigt hatte, nämlich aus der inhaltlichen Diskussion auszusteigen.

Der vom Kabinett eingefügte Absatz 2 , der bei ganz kleinen Jungs auch den Mohel und andere religiösen Beschneider zum Schnitt kommen lässt,
weist das ganze Gesetz auch noch als Sondergesetz für Religionen aus. Oh Gott, kann man da nur sagen. Will das Kabinett ein verfassungswidriges
Gesetz ?

Vielleicht können sie es nicht (wahrscheinlich), vielleicht wollen sie es nicht (unwahrscheinlich), vielleicht hat die Justizministerin ihnen eine Zeitbombe untergejubelt ( hätte was ) - letzlich wird wohl doch das Bundesverfassungsgericht die Linien ziehen und entscheiden müssen, was
verfassungsmäßig an Körperverletzung geht und was nicht. Das ist vermutlich auch besser so !

--
RA Heinrich Schmitz

Mittwoch, 19. September 2012

"Singhammers Traum" und der ewige Frieden

von RA Heinrich Schmitz


http://www.singhammer.net/Portals/1/images/MdB_Singhammer_Papst_Benedikt.jpg

Nachdem ich bereits vor ein paar Tagen vor Angriffen auf die Meinungsfreiheit gewarnt hatte

https://www.facebook.com/notes/heinrich-schmitz/meinungsfreiheit-light-aus-r%C3%BCcksicht-auf-terror-von-ra-heinrich-schmitz/468375303184003

kommt der erste offenbar ernst gemeinte Vorschlag auf Gesetzesänderung vom stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion Johannes Singhammer.

Und der will es nun, wenn schon die Möglichkeit besteht, mal richtig krachen lassen. Jetzt soll Ruhe sein mit der schändliche Blasphemie. Aber richtig !

"Johannes Singhammer (CSU) plädierte dafür, einen bereits im Jahr 2000 von der Union in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf erneut
vorzulegen. Danach soll jede öffentliche Beschimpfung eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses strafbar sein.

Bislang muss zusätzlich der öffentliche Frieden gefährdet sein. "Der Gesetzentwurf hat eine neue, eine dramatische Aktualität", betonte Singhammer.

http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article109320806/Streit-um-schaerfere-Gesetze-gegen-Gotteslaesterung.html

Man lasse sich diese geniale Idee mal auf der Zunge zergehen ! Jede, in Worte JEDE, öffentliche Beschimpfung eines religiösen oder
weltanschaulichen Bekenntnisses soll strafbar sein und zwar nicht nur dann, wenn der öffentliche Friede gefährdet ist.

Alleine hier in Deutschland hätten wir an Religionen bereits einiges im Angebot. Unter der groben Überschrift Christentum tummeln sich hier u.a. die Römisch-katholische Kirche,, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), das Orthodoxe Christentum, die Neuapostolisch Kirche, die Zeugen Jehovas, die Baptisten, die Mennoniten, die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, die Pfingstler, die
Siebenten-Tags-Adventisten, die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, die Altkatholische Kirche, die Christliche Wissenschaft, die Anglikaner und weitere Untergruppierungen. Erinnert ein bisschen an
die Szene im Leben des Brian, als Spalter gerufen wurde, aber egal.


http://www.welt.de/img/dc5-images/crop101750594/8468729338-ci3x2l-w620/Singhammer-DW-Sonstiges-Muenchen.jpg

Dann hätten wir noch den Islam in allen Formen und Farben wie Sunniten, Aleviten, Schiiten, Ahmadiyya, Sufi, Ibaditen und weiteren
Ausfaserungen. Der jüdische Glaube, Hinduismus, Buddhismus ( falls man die nicht besser in die Weltanschauungen packt) und weiß der Teufel -
Verzeihung weiß der jeweilige Gott - wie viele andere Religionen noch.

Was machen wir mit Scientology ?

Dazu kommen ja dann noch reichlich
Weltanschauungen. Vom Marxismus über
Agnostizismus, Anarchismus, Anthroposophie, Freimaurerei, Humanismus, Huna, Pantheismus, Thelema zu Fatalismus, Freidenkertum, Panentheismus zu den Unitariern und was einem sonst noch so einfallen mag. Mythologien
wie die ägyptische, die griechische, keltische, germanische, sumerische und viele andere fielen wohl auch darunter.

Das alles soll unter strafrechtlichen Schutz gestellt werden. Ich müsste dann also mit einer Anklage rechnen, wenn ich einen amerikanischen
hassreligiösen Glaubensstifter einen Vollidioten nenne ? Oder den Messias Herrn Mun beschimpfen würde ? Oder sage, Ron Hubbard sei es immer nur um Macht und Kohle gegangen ? Wie sieht es mit der Weltanschauung aus, der EURO sei
unverzichtbar ? Ist Merkel eine Weltanschauung ? Darf die CSU noch über Marx schimpfen ?

Nein. Wird alles verboten - und damit hat Singhammer die ultimative Lösung für den ewigen Frieden gefunden. Nicht mal mehr die
unterschiedlichen islamischen Bewegungen dürften sich untereinander beschimpfen, was machen die dann, weil Christen und Juden fallen ja auch
als Beschimpfungsobjekte aus. Sie bleiben friedlich und alle anderen auch. Salafisten und PROs bewerfen sich höchstens noch mit Komplimenten.

Singhammers Idee toppt Kant ! Dem Mann gebührt eine Nominierung für den Friedensnobelpreis, die Krone des größten Philosophen aller Zeiten !
John Lennons "Imagine" wird wahr, obwohl alle Religionen erhalten bleiben. Respekt sag ich da.

Ein schöner Traum bzw. ein totaler Wahn, eine unglaubliche Schnapsidee, die nur im Rausch entstanden sein kann.

Es wird wohl nichts werden mit "Singhammers Traum", vorläufig. Der Entwurf lag vor 12 Jahren schon mal in der Schublade und scheiterte an
den damaligen Mehrheitsverhältnissen im
Bundestag. Hat das damals jemand mitbekommen?

Jetzt gibt es noch genügend Gegenstimmen auch aus der eigenen Fraktion, Gott, Allah, Jahwe, Jehova sei Dank.


http://www.singhammer.net/Portals/1/images/Singhammer-Bundesverdienstkreuz.jpg

Dass überhaupt jemand auf die Schnapsidee kommen konnte, jetzt sei der richtige Zeitpunkt für so eine Gesetzesinitiative, liegt aber auch an
der Lala-Haltung der Kanzlerin. Ginge es der alternativlosen eisernen Frau Merkel wirklich um Europa - also nicht nur um den EURO , Märkte und
Banken - dann hätte sie in der Mohammed-Video-Diskussion eine schöne Gelegenheit gehabt die wirklichen europäischen Werte wie Meinungs- und
Pressefreiheit laut und offensiv zu vertreten, statt aus Angst vor extremistischen Drohungen davon zu phantasieren, es gäbe "gute Gründe"
über ein Aufführungsverbot nachzudenken.

Nein, Frau Merkel, wenn es überhaupt Gründe gäbe, dann wären das keine guten , sondern ganz
schlechte. Und was für Blüten es treibt, wenn man
sich nicht klar und eindeutig erklärt, merkt man dann erst wenn der Singhammer zuschlägt.

von RA Heinrich Schmitz

Sonntag, 16. September 2012

Meinungsfreiheit light - aus Rücksicht auf Terror ?

von RA Heinrich Schmitz


http://www.photocase.de/stock-fotos/182378-stock-photo-ferien-urlaub-reisen-ferne-freiheit-kunst-kraft-tourismus.jpg

Ein bekloppter Amerikaner macht ein selten schlechtes Video über den Propheten Mohammed. In verschiedenen Ländern werden westliche
Botschaften angegriffen. Der amerikanische Botschafter in Libyen und drei seiner Mitarbeiter werden ermordet.

Mit großer Begeisterung - und ohne die Richtigkeit auch nur im leisesten anzuzweifeln - wird dem Urheber des Videos ,auch von westlichen
Politikern, die Schuld oder Mitschuld an den Anschlägen zugeschrieben. Das Video enthält keinerlei Aufruf zur Gewalt.

Wie schön, wenn man einen Schuldigen hat, der von den eigenen Fehlern der Vergangenheit ablenkt und einem zusätzlich noch die Chance gibt, vielleicht nebenbei noch ein kleines bisschen Zensur einzuführen.

Es gab schon Terroranschläge vor diesem Video und es wird sie nachher geben.Es gab sogar schon Terroranschläge, als es noch gar kein Internet
und keine Videos gab.

Wenn das Video von Extremisten als angebliche Ursache für die Anschläge missbraucht wird, dann ist das genauso glaubwürdig, wie die "Rechtfertigung" des Anschlags auf die deutsche Botschaft im Sudan. Da ist nämlich angeblich die Kanzlerin Merkel dran schuld, weil sie den
dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard im Jahre 2010 mit dem Potsdamer Medienpreis geehrt hat. Im Jahr 2010 übrigens. Also vor ein
paar Tagen sozusagen. Das ist alles grober Unfug und es ist verwunderlich, dass dieser Unfug in den Medien auch noch ständig als Erklärung oder sogar Rechtfertigung für Terrorakte übernommen wird.

Angriffe auf Diplomaten und Botschaften müssen von den gastgebenden Ländern mit allen Mitteln verhindert werden, ohne Wenn und Aber. Das
muss man allerdings auch wollen. Das ist die eine Seite.


http://www.merkur-online.de/bilder/2012/09/13/2501290/1706137382-jemen-us-botschaft.9.jpg

Die andere Seite ist aber, dass unsere westlichen Politiker, die für die westlichen Demokratien essentielle Meinungsfreiheit auch ohne Wenn und
Aber verteidigen müssen. Es z.B. ist nicht nachvollziehbar, warum irgendjemand, außer dem Produzenten selbst, glaubt, er müsse sich für
dieses miese Filmchen entschuldigen. Oder warum z.B. von der amerikanischen Regierung verlangt wird, sie müsse sich entschuldigen.

Die Meinungsfreiheit macht es möglich, dass jede Art von Meinung geäußert werden darf. Auch falsche, geschmacklose, abstruse und anti-religiöse. In Deutschland gibt es zwar ein paar vom Verfassungsgericht gebilligte Einschränkungen im Hinblick auf die unrühmliche Geschichte, aber in Amerika eben nicht.

Statt dieses fundamentale Recht zu verteidigen kommt unser Außenminister Guido Westerwelle auf einen ganz anderen Gedanken. Er hat ein
entschiedenes Vorgehen der deutschen Justiz gegen Unterstützer des Anti-Islam-Videos "Innocence of Muslims" gefordert. "Wenn Rechtsradikale
das Video im Internet auf ihren Seiten verbreiteten, müssten die Behörden im Rahmen ihrer rechtsstaatlichen Möglichkeiten mit aller Härte dagegen vorgehen" , sagte Westerwelle am Samstag im thüringischen Saalfeld auf einem Landesparteitag der Thüringer Liberalen.


http://www.lto.de/uploads/tx_ltoartikel/kreuz_535.jpg

Tja, "im Rahmen ihrer rechtsstaatlichen Möglichkeiten" ist das nicht so einfach. Wenn Herr Westerwelle sich den 14-minütigen Trailer einmal angesehen und auch aus seiner anwaltlichen Vergangenheit noch ein paar Restkenntnisse des deutschen Strafrechts hat, wird er schnell erkennen, dass der Inhalt des Videos nicht dazu geeignet ist, den Staatsanwalt zu bemühen. Die Darstellung ist zwar geschmacklos, aber locker von der Meinungsfreiheit gedeckt. Und damit auch die Verbreitung des Videos.

Richtig blöd wird es aber jetzt, weil ausgerechnet rechte Parteien wie die PROs ebenfalls das Video nutzen um sich als aufrechte Streiter für die Meinungsfreiheit aufzuspielen. So hat halt jeder sein Vergnügen an diesem billigen Mist.

Seltsam ist allerdings, dass westliche Politiker in diesem Zusammenhang überhaupt über Verbote nachdenken, statt die Meinungsfreiheit einfach
mal offensiv zu verteidigen.

Warum geht niemand hin und erklärt im Sinne Voltaires " Das ist ein Scheißfilm, aber ich werde mein Leben dafür geben, dass man bei uns
solche Scheißfilme drehen und veröffentlichen kann"?

Westerwelle steht doch auch zu recht zu seiner Homosexualität ohne auf die Islamisten Rücksicht zu nehmen.


http://www.merkur-online.de/bilder/2009/09/30/481315/1987681773-guido-westerwelle.9.jpg

Stattdessen wird im Internet diskutiert, ob man nicht vielleicht doch besser die Meinungsfreiheit "ein bisschen" einschränken sollte, um solche Terrorakte in Zukunft zu verhindern. Ernsthaft!

Na Bravo, kann ich da nur sagen. Peter Struck glaubte noch die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch zu verteidigen und jetzt wollen
wir die Grund- und Menschenrechte durch religiöse oder auch nur vorgebliche religiöse Fanatiker beschneiden lassen ? Wo sollte das hinführen ?

Erlaubte Meinungsäußerungen sind nur noch die, die keine Terrorakte auslösen ? Im Umkehrschluss, alles was mit einem Terrorakt in Verbindung
gebracht wird, war verboten ? Wer soll das bestimmen ? Brauchen wir wieder ein Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda, das die
inhaltliche Lenkung der Presse, der Literatur, der Theater, des Films, der Musik , des Rundfunks, Fernsehens und natürlich des Internets
kontrolliert ? Nur so kann's gehen. Und es wären sicherlich nicht nur die Rechten, die an einer derartigen Einschränkung der Meinungsfreiheit
Gefallen finden würden.


http://d1.stern.de/bilder/politik/2006/25/Jesus500_fitwidth_420.jpg

Nein und nochmal nein. Wir dürfen in dieser Frage keinen Millimeter vor den Extremisten (hindu)kuschen. Wenn wir bei jeder Meinungsäußerung, bei jedem Film, jeder Show und jedem Beitrag auf die Empfindlichkeiten aller
denkbaren Religionen, Ideologien und sonstigen persönlichen Meinungen Rücksicht nehmen wollten, dann wäre gar keine Meinungsäußerung mehr
möglich. Die Erkämpfung der Meinungsfreiheit hat in Europa viele Menschenleben gekostet. Es wäre eine Katastrophe, wenn man jetzt damit
anfinge, Freiheitsrechte unter dem Eindruck von Terror einzuschränken.

Diese Freiheit muss verteidigt werden.

von RA Heinrich Schmitz

Donnerstag, 6. September 2012

FAN ODER NICHT FAN, DAS IST HIER DIE FRAGE! von RA HEINRICH SCHMITZ

RA Heinrich Schmitz zum Fall Pezzoni


http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8f/DR_1936_611_Olympische_Sommerspiele_Fussball.jpg

Mehrere Personen hatten dem 23-Jährigen FC Köln Profi vor dessen Haus aufgelauert, ihn nach seinen Angaben beschimpft und bedroht. Auch bei
Facebook sah sich Pezzoni heftigen Angriffen ausgesetzt. Kurz danach wurde der Vertrag mit dem Spieler einvernehmlich aufgelöst. Was da genau
passiert ist, wird vielleicht ein heute eingeleitetes Ermittlungsverfahren aufklären.

Das mediale Interesse war, obwohl niemand körperlich verletzt wurde, beachtlich. Das Thema vermutlich zur Freude der Angezeigten breit
diskutiert. Mal wieder ein Aufreger. Auch wenn es ähnliche Vorfälle schon zu Zeiten gegeben hat, als das Internet noch nicht existierte.

In den Kommentaren zu diesem Vorfall liest man erstaunlicherweise immer wieder Sätze wie, "das sind keine Fans, dass sind Kriminelle" , oder wie
der Präsident Werner Spinner des 1.FC es formulierte "Ich bin der Auffassung, dass wir tolle Fans haben. Bei Pezzoni waren es keine Fans, sondern Chaoten."

Ach so. Das waren keine Fans. Wie kann man überhaupt auf die Idee kommen, dass das Fans gewesen sind ? Fans, das sind doch diese netten
Leute, die den Fanshop leer kaufen, die teuren Schals vor dem Spiel in die Luft halten und die Vereinshymne singen. Die würden doch nie einer
Fliege geschweige denn einem Vereinsspieler etwas zu leide tun. Würden sie nicht ?

Diese reflexhaft Abwehr und Ausgrenzung kennt man auch auf anderen Gebieten. Sexualstraftäter werden als Monster bezeichnet, Massenmörder
als psychisch krank. Die bösen Menschen dürfen alles sein, nur nicht so wie wir. Dann wären wir ja vielleicht so wie die. Und deshalb dürfen
diese Leute auch einfach keine Fans gewesen sein.

Natürlich sind Ultras, Hooligans und andere militante Fußballbesucher auch Fans. Sie sind sogar Fans im ursprünglichen Sinne des Begriffs,
nämlich Fanatiker.


http://www.regjo.de/nds/dt/uploads/2012/08/bundesliga_gegen_gewalt_motiv_hamburg.jpg

Schon Voltaire wusste, "Bedenkt, dass Fanatiker gefährlicher sind als Schurken. Einen Besessenen kann man niemals zur Vernunft bringen, einen
Schurken wohl." Fanatiker sind besessen, wobei es eigentlich vollkommen egal ist, wovon sie besessen sind. Ob es sich um religiösen,
ideologischen oder eben Fußballfanatismus handelt - neben der eigenen Religion, Ideologie oder eben dem eigenen Verein lässt der Fanatiker nichts gelten.

Dass, was wohl Herr Spinner und die anderen wohl mit "Fan" meinen, ist eigentlich ein Enthusiast, kein Fanatiker. Der Enthusiast begeistert
sich für eine Sache, ist aber weit davon entfernt, diese als einzig seligmachende anzusehen. Als Lebensinhalt. Als alternativlos.

"Fans" im allgemeinen Sprachgebrauch sind aber beide. Der Enthusiast wie der Fanatiker. Die Grenzen sind fließend. Von "ich kann deine Fresse
nicht mehr sehen" zu "ich schlag dir die Fresse ein" ist es ein kurzer weg.

Dass Fußball-Enthusiasten zu Fanatikern werden, die drohen, zuschlagen und vielleicht irgendwann auch einmal über Leichen gehen könnten, ist
aber zu einem nicht geringen Teil auch Schuld der Vereine und ihrer übersteigerten Inszenierung des Fußballs.

Natürlich stehe auch ich als bekennender FC-Anhänger "E Levve Lang" zu meinem Club und singe aus voller Brust und maximal pathetisch

"Mer schwöre dir, he op Treu un op Iehr!
Mer stonn zo dir, FC Kölle!
Un mer jonn met dir,
Wenn et sin muss durch et Füer,
Halde immer nur zo dir, FC Kölle!"


http://polpix.sueddeutsche.com/polopoly_fs/1.1439959.1344791665!/image/image.jpg_gen/derivatives/860x860/image.jpg

aber natürlich ist dieses auf "Treue und Ehre" gegebene Versprechen mit dem Verein "wenn es sein muss durch das Feuer" zu gehen, für mich nur im
übertragenden Sinn zu verstehen und beschränkt sich darauf den jeweiligen Abstieg des FC mannhaft wegzustecken und mir auch das nächste
meist schlechte Spiel voller Hoffnung wieder anzusehen. Für andere aber ist der FC (oder auch irgend ein anderer Fußballverein) tatsächlich zum
alleinigen Lebensinhalt geworden. "Treue und Ehre" fanden wurden ja auch im schon Wahlspruch der SS missbraucht. Und manche nehmen auch den
Schmähgesang auf die lieben Nachbarn aus Mönchengladbach - "und wir werfen Stein auf Stein, auf die Elf vom Niederrhein" nicht als das was es sein sollte, nämlich einen belanglosen , vermeidlich lustigen Schmähgesang, sondern als konkrete Handlungsanweisung zum Steinewerfen.

Diese "armen" Fanatiker, die außer ihrem FC nicht viel anderes in der Birne haben, müssen natürlich existenzielle Nöte erleben, wenn ihr Verein nicht nur erneut in die 2. Bundesliga absteigt, sondern sich auch dort sofort wieder am Tabellenende einreiht. Ja , das ist auch für den
enthusiastischen FC-Anhänger nicht wirklich schön, aber doch auch nicht so schlimm, dass man deshalb ernsthafte Depressionen bekommen müsste.
Höchstens ein Vorwand das ein oder andere Kölsch zu trinken.

Für den Fanatiker ist es die Katastrophe schlechthin. Und wenn etwas nicht so läuft wie der Fanatiker es sich vorstellt, dann wird ein Schuldiger gesucht. Auch das ist kein ungewöhnliches oder fußballspezifisches
Phänomen, das kennen auch die fanatischen Nazis mit ihrem Hass auf Juden und Ausländer, die Islamisten mit ihrem Hass auf die Ungläubigen usw.

Manchmal ist das der Schiedsrichter, manchmal der Trainer, manchmal der Vorstand und manchmal ein Spieler. Hier hat sich eine kleine Fangruppe
aus wohl ca. 5 Personen Kevin Pezzoni auserkoren. Der war zweifellos an ein paar Toren schuld, hat nicht gut gespielt. Wenn alleine das genügt,
einem Menschen vor seiner Wohnung aufzulauern und ihn zu bedrohen, ihm so einen Schrecken einzujagen, dass er lieber seinen Arbeitsplatz
aufgibt, dann ist das eine schlimme Sache.

Aber es ist eben nicht etwas, was außerhalb der Fangemeinde durch ein paar wildfremde Kriminelle geschieht, es geschieht vielmehr durch kriminelle Fans.

Der FC und alle anderen Vereine sollten sich darüber im klaren sein, dass das die gleichen Leute sind, die im Stadion für Stimmung sorgen,
die sich heiser singen und schreien, die ihre Freizeit und ihr gesamtes Geld für Fahrten zu Auswärtsspielen investieren und wirklich für ihren Verein "kämpfen" wollen und nicht irgendwelche Außenstehenden. Die gerne
aufgestellte Behauptung, diesen Leuten gehe es gar nicht um Fußball, sondern in erster Linie um Gewalt, greift zu kurz. Das mag bei Hooligans
zum Teil der Fall sein, aber die kloppen sich auch lieber untereinander. Dass hier Hooligans im Spiel waren, ist eher unwahrscheinlich. Die drohen nicht mit Fäusten, die schlagen gleich zu.

Die Vereine müssen, wenn auch in Zukunft noch Profifußball gespielt werden soll, von der von ihnen aufgebauten Überhöhung des eigenen
Vereins und der des Fußballsports herunterkommen. Es gibt Menschen, die das alte Lied der Nationalmannschaft "Fußball ist unser Leben" bitter ernst nehmen.

Die Vereine sollten die Fanatiker unter ihren Anhängern nicht einfach ausgrenzen und als Nichtfans bezeichnen. Das ist für die, als hätte ihre große Liebe, für die sie ihr Leben geben würden, sie verraten, mit einem anderen gepennt und sie vor die Tür gesetzt. Es ist leicht vorzustellen, dass diese verschmähte Liebe in blanken Hass und damit in noch schlimmere Aktionen umkippen könnte.

Martialische Sprüche von lebenslangen Stadionverboten werden hier eher nicht zu einer Befriedung führen.Dann werden sie halt außerhalb des Stadions aktiv. Wer wollte das verhindern ? Bei derartigen Fanatikern gilt der Spruch, du kannst den Fan aus dem Verein entfernen, aber nicht den Verein aus dem Fan. "E Levve Lang", ist für die ernst gemeint.


http://www.augsburger-allgemeine.de/img/20148576-1337114543000/topTeaser_crop_Fortuna-D-sseldorf-Hertha-BSC.jpg

Wer solche Straftaten begeht wird dafür von der Justiz angemessen bestraft werden, das muss so sein.

Zur Vermeidung derartiger Taten taugen die Mittel der Justiz allerdings nur bedingt bis gar nicht. Zur Vermeidung müssen die Vereine bei allem
Verständnis für den Vereinspatriotismus und das Profitdenken vor allem verbal und medial abrüsten. Fußball ist kein Krieg, sondern ein Sport. Also sollte er auch als Sport inszeniert werden und nicht als Schlacht. Werbesprüche wie " die Mutter aller Schlachten" und ähnlicher Unfug
müssen genauso verschwinden, wie alles was im Vorfeld die Emotionen der emotional gestörten Fanatiker aufputschen könnte. Auch die Medien, ob es nun die Boulevardpresse oder die TV-Sender sind, könnten einmal versuchen, den Fußball als sportliche Veranstaltung und nicht als
Religions- oder Kriegsersatz zu präsentieren. Oder aber, wenn sie das aus wirtschaftlichen Gründen nicht wollen, einfach dazu stehen, dass
auch die Krawalle wieder prächtig zu vermarkten sind.

Die Vereine, die ja bei vernünftigem Wirtschaften nicht übel verdienen, sollten deutlich mehr Zeit und Geld in Fanprojekte stecken, um auch und
gerade mit den Fanatikern ins Gespräch zu kommen. Ihnen klarmachen, dass Mönchengladbach oder Düsseldorf nicht Ausgeburten des Teufels sind,
sondern einfach andere Vereine, die den gleichen Sport betreiben. Dass es ohne Gegner auch kein Spiel gibt und vor allem das Fußball ein Spiel
ist. Ein faszinierendes Spiel manchmal, aber ein Spiel.

P.S.: Eine Fan-Aktion wie 1. FC Köln gegen Gewalt auf facebook
https://www.facebook.com/1FcKolnGegenGewalt

mag Sinn machen, solange dort nicht zur Gegengewalt aufgerufen wird. Facebookgruppen neigen halt leider zur verbalen Eskalation. Aber das ist wieder ein anderes Thema. Schaun mer mal.

Montag, 3. September 2012

DER WERT DER FREIHEIT

von RA Heinrich Schmitz


http://voxpopuliblog.files.wordpress.com/2010/05/freiheit.jpg

"Freiheit" - ist für Bundespräsident Joachim Gauck der zentrale Wert unserer Gesellschaft, für Marius Müller-Westernhagen "das einzige, was
zählt". In Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG wird die Freiheit der Person als unverletzlich bezeichnet und in der Nationalhymne besungen.

Es scheint also eine allgemeine Übereinkunft zu geben, dass die Freiheit in unserem Staatswesen einen außerordentlich hohen Rang einnimmt,
vermutlich den höchsten.

Deshalb scheint es zunächst völlig absurd, sich zu fragen, welchen Wert die persönliche Freiheit in Euro, also welchen Preis sie hat.

Dabei ist es offenkundig gesetzlich bestimmt, was eine Stunde Freiheit wert ist, nämlich exakt 1,04 € oder pro Tag 25 €. Hätten Sie das gedacht? Überlegen Sie mal, was Sie für 1,04 € pro Stunde sonst so bekommen, viel kann's nicht sein. Selbst eine Stunde Parken kostet oft mehr.

Seit dem 5.8.2009 gibt es nach § 7 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ( StrEG ) sage und schreibe 25 € für jeden Tag, den jemand zu Unrecht in Haft gesessen hat. Davor gab's nur
11 €.

Und da es in Absatz 1 heißt , "Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist_" handelt es sich bei diesen
25€ nicht etwa um Verdienstausfall oder entgangenen Gewinn, Schadensersatz für tatsächlich entstandene Vermögensschäden, die es
zusätzlich gibt, sondern um die Entschädigung für die verlorene Freiheit selbst.

Um es noch einmal deutlich zu machen, dass betrifft nicht zu Recht verurteilte Kriminelle, sondern unter Umständen Sie.

Obwohl das rechtsstaatliche Strafverfahren mit einigen Sicherungen gegen falsche Verurteilungen, wie Berufung, Revision und Verfassungsbeschwerde
ausgestattet ist, lässt es sich leider nicht vermeiden, dass ab und an auch Unschuldige hinter Gittern landen. Wo Menschen entscheiden, machen
sie Fehler. Das ist in jedem Beruf so. Während des Ermittlungsverfahrens in Form von U-Haft kommen Menschen häufiger unschuldig in Haft, weil
hier schon ein dringender Tatverdacht reicht um sie zu verhängen, nach einem Strafurteil seltener, aber eben auch.

Da sitzt dann ein unschuldig verurteilter Mensch unter Umständen jahrelang im Gefängnis, sei es weil ein Richter bei der Überzeugungsbildung allzu forsch war, oder weil ein Zeuge gelogen hat
oder aus welchem Grund auch immer. Wenn der Unschuldige ganz viel Glück hat, findet sich jemand der ihm glaubt, dass er unschuldig ist. Wenn er noch mehr Glück hat, gelingt das seltene Kunststück, ein Wiederaufnahmeverfahren in Gang zu bringen und am Ende steht dann ein Freispruch.


http://www.tz-online.de/bilder/2009/03/18/103046/1120675611-heute-57jaehriger-brite-fast-drei-jahrzehnte-unschuldig-gefaengnis.9.jpg

Man muss sich einmal vor Augen führen, was es bedeutet als Unschuldiger wegen einer Straftat verurteilt zu werden. Kafka lässt grüßen. Im
schlimmsten Fall wenden sich auch noch Freunde und Familie nach und nach ab, die Zweifel zerfressen das Vertrauen. Der Gefangene ist nach außen und innen isoliert. Hafterleichterungen wie Ausgang oder Hafturlaub werden regelmäßig mit der zutreffenden Begründung verweigert, der
Gefangene sei ja nicht einmal bereit, sich mit seiner Tat auseinanderzusetzen. Ja, das habe ich schon ein paar Mal als Verteidiger erlebt. Das ist zum verrückt werden. Mit welcher Tat sollte sich denn ein Unschuldiger auseinandersetzen ? Unschuldige gelten gemeinhin als therapieunwillig.

Es kommt glücklicherweise wohl nicht allzu häufig vor, aber allein ich habe in den vergangenen 25 Jahren 4 Fälle erlebt, bei denen ich absolut
davon überzeugt bin, dass die Verurteilten unschuldig waren. Das bereitet dann auch dem abgeklärten Strafverteidiger schlaflose Nächte.
In allen Fällen handelte es sich um Sexualstraftaten, in allen Fällen um
Indizienprozesse und in allen Fällen, waren die Verurteilungen nicht zu knacken, weil es den Gerichten gelungen war, wasserdichte
Urteilsbegründungen zu schreiben, die vom Revisionsgericht mit dem üblichen Dreizeiler bestätigt wurden. Wenn ich eine ähnliche Quote bei
den Kollegen unterstelle, kommen so eine ganze Reihe unschuldig verurteilter Menschen zusammen.

Die wenigen, deren Unschuld manchmal erst Jahre später festgestellt wird, werden dann vom Staat ein zweites Mal kräftig verarscht.

25 € Entschädigung für jeden Tag erlittene Haft sind schon kein Witz mehr, sondern eine absolute Frechheit. Wer sich das ausgedacht hat, sollte mal ein paar Monate sitzen.

Von der Mehrzahl der anderen Inhaftierten unterscheidet sich der Unschuldige in seiner Haftempfindlichkeit. Für einen Berufsverbrecher
ist ein Haftaufenthalt sozusagen Teil des Berufsrisikos, für einen zu Recht verurteilten Spontanverbrecher ist sie psychologisch akzeptabel, weil Reaktion auf eine Straftat.

Für einen Unschuldigen ist sie die Hölle. Es gibt keinen Grund für den Entzug der Freiheit, niemand glaubt ihm seine Unschuld und er kann psychisch an der staatlich angeordneten Freiheitsberaubung zerbrechen. Es wäre interessant die in Haft verübten Suizide einmal darauf hin zu
untersuchen, ob die Gefangenen vorher oder auch erst in ihren Abschiedsbriefen ihre Unschuld beteuert hatten.

Der unschuldig Verurteilte verliert vollkommen zu Recht sein Vertrauen in den Rechtsstaat. Der Rechtsstaat, dessen Aufgabe es ist, ihn vor
Ungerechtigkeit zu schützen, seine persönliche Freiheit zu bewahren, dieser Rechtsstaat hat ihm das Wertvollste genommen, dass ein Mensch
haben kann, seine Freiheit. Das darf man sich ähnlich vorstellen, wie ein Kind, dass ausgerechnet von den Menschen die es beschützen sollen, seinen Eltern, misshandelt wird.

Und wenn sich das Fehlurteil dann als solches herausstellt, bekommt der Unschuldige den Wert dieser Freiheit mit 25 € pro Tag vergütet.

Da kommt man dann doch ins Grübeln. Geld und Freiheit sind offenbar die höchsten Werte, die der Staat sich neben unveräußerlichen Werten wie
Menschenwürde und Gesundheit so vorstellen kann. Deshalb wird der Entzug von Geld und Freiheit im Erwachsenenstrafrecht auch als Strafe
eingesetzt. Das tut weh und das soll auch weh tun. Die Geldstrafe ist dabei auf eine Tagessatzzahl von maximal 360 begrenzt. Der einzelne Tagessatz liegt zwischen mindestens 5 und höchstens 30.000 € . Die höchste Geldstrafe - entsprechend etwas einem Jahr Freiheitsstrafe
beträgt also 10,8 Millionen Euro.

Die Entschädigung für 365 Tage Freiheitsberaubung durch die Justiz ist mit 9125 € da doch recht überschaubar. Wie der Gesetzgeber auch nur
auf den Gedanken kommen konnte, mit einer derart lächerlichen Entschädigung das erlittene Unrecht auch nur ansatzweise wieder gut machen zu können, ist nicht nachvollziehbar.


http://www.br-online.de/bildung/databrd/raf02.htm/raf02b16.jpg


Auch wenn man das Leid des Unschuldigen vermutlich mit keiner Geldsumme wirklich ausgleichen kann, genauso wie man mit einem Schmerzensgeld niemanden der Verlust eines Beines oder der Augen ersetzen kann, kann es wohl nicht mit dem alles überstrahlenden Verfassungsgebot des Schutzes der Menschenwürde in Einklang stehen, wenn ein Justizopfer auf diese Weise hinterher auch noch verhöhnt wird.

Mein Vorschlag einer halbwegs angemessenen Entschädigung: man sollte sich am Ehrensold des Bundespräsidenten orientieren. Ab nächstes Jahr
also 217.000 € pro Jahr oder rund 594.--€ pro Tag. Und da der unschuldig Verurteilte weder ein Büro noch einen Dienstwagen und Personal benötigt, könnte man den Betrag auf 600 € täglich aufstocken.

Die Orientierung am Ehrensold halte ich deshalb für gerechtfertigt, weil der unschuldig Verurteilte dem Staat ein Sonderopfer erbracht hat. Er ist , um es einmal in christlicher Diktion auszudrücken, wie der Geringste behandelt worden. Da macht es Sinn, ihn bei der
Wiedergutmachung dieses schrecklichen Unrechts wenigsten finanziell so zu behandeln, als sei er der höchste Repräsentant des Staatswesens und
das ist nun mal der Bundespräsident.

Das ist alles viel zu teuer und geht Sie sowieso nichts an ? Hoffen wir's mal für Sie.

von RA Heinrich Schmitz

Sonntag, 26. August 2012

IST BREIVIK ANDERS? - DAS URTEIL

von RA Heinrich Schmitz


http://www.abendblatt.de/multimedia/archive/01126/Breivik_NEU_1_HA_V_1126900c.jpg

Es zuckte ein leichtes Grinsen um seinen Mund als er sich nach dem Urteilsspruch hinsetzte. Anders Behring Breivik wirkte recht zufrieden. Sie hatten ihn nicht zum Geisteskranken gestempelt.

Er wurde ernst genommen - er hat nichts verstanden.

Der Angeklagte hatte für sich selbst die Todesstrafe gefordert, obwohl die in Norwegen genauso verboten ist wie bei uns. Aber das machte ihm ja nichts. Er weigerte sich, das Gericht und damit auch die Rechtsgrundlagen der Verurteilung anzuerkennen. Rechtsstaat ist nichts für Rechtsextremisten. Folgerichtig verzichtete er nach dem Urteil auch auf Rechtsmittel. Die Entscheidung ist - nachdem auch die
Staatsanwaltschaft verzichtet - rechtskräftig.

Das Urteil fand in Norwegen, auch unter Überlebenden und Angehörigen der Opfer, eine überwältigende Zustimmung.

In Deutschland sieht das - fast erwartungsgemäß - schon etwas anders aus:

" P.D.: Ich hätte mir eine Strafform gewünscht, die in einigen Bundesstaaten der USA in solchen Fällen zur Anwendung kommt."

" P.-B. C.: Dieses widerlich grinsende Monster! So jemand hat nur eins verdient! TODESSTRAFE!!!!"

"H.I.: Brevik gehört an die Wand."

" R..C. In den USA hätte er die Todesstrafe bekommen, das wäre auch am Angebrachtesten, schließlich ist er ein Massenmörder! "

sind nur einige der Kommentare, die sich am Tag der Urteilsverkündung bei facebook fanden.

Auch wenn diese Kommentatoren es vermutlich weder merken geschweige denn beabsichtigen, könnten sie Breivik noch einen späten Triumph verschaffen.

Das was sie da äußern, der reflexhafte Wunsch nach der Todesstrafe, entspringt nämlich letztlich im Kern einem ähnlich menschenverachtenden Denken, dass es erst ermöglicht hat, den Menschen Anders Behring Breivik zu dem werden zu lassen, was er letztlich geworden ist, ein gemeingefährlicher Mensch, ein
Massenmörder.

https://www.facebook.com/notes/heinrich-schmitz/mensch-massenm%C3%B6rder-von-ra-heinrich-schmitz/303796056308596


http://www.haz.de/var/storage/images/haz/nachrichten/politik/deutschland-welt/protest-gegen-hinrichtung-in-usa/23641914-1-ger-DE/Protest-gegen-Hinrichtung-in-USA_ArtikelQuer.jpg

Der Weg dahin ist manchmal ein recht kurzer.

Auf den Tag genau 20 Jahre vor dem Breivik-Urteil, in Rostock-Lichtenhagen, waren es rund 3000 Menschen - nicht etwa 3000 Rechtsradikale - die auch meinten, sie seien berechtigt andere Menschen zu jagen und zu verbrennen, zu töten.

Angestachelt von einer relativ kleinen Gruppe von Rechtsextremisten schrien auch völlig "normale" Bürger "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!". Auch als schon als Steine und Molotowcocktails in das von der Polizei verlassene Wohnheim der rund 100 Vietnamesen geworfen wurden, johlte und grölte der Mob aus Normalos begeistert.

Als dann die Extremisten unter Rufen wie "Wir kriegen Euch alle" und "jetzt werdet ihr geröstet" Benzin ausgeschütteten und anzündeten, verhinderte die fanatisierte Menge den Einsatz von Polizei und Feuerwehr. Sie wollten Menschen brennen sehen. Das waren alles normale Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft.

Wer vom Staat fordert, dass Straftäter umgebracht werden, kann seine Forderung offenbar nicht ganz zu ende gedacht haben.

Was wäre damit gewonnen, dass z.B. ein Breivik als Ergebnis eines Strafprozesses getötet würde ? Vollkommen unabhängig von der Frage der
Menschenwürde, die auch dem schlimmsten aller schlimmen Terroristen zukommt, alleine weil er ein Mensch ist und deshalb die Todesstrafe
ausschließt, was wäre gewonnen? Gut, ja er wäre weg und man bräuchte ihn nicht auf Kosten der Allgemeinheit jahrelang durchzufüttern und zu
bewachen.

Aber sonst ? Als Strafe hätte Breivik seine Tötung selbst sicherlich nicht empfunden. Für ihn wäre es der erste Schritt zum rechten Helden
gewesen, zum weißen Ritter des von ihm imaginierten Tempelritterordens gegen die drohende Islamisierung. Ein Märtyrer der weißen Rasse, ein nachahmenswertes Vorbild. Sein Triumph.

Aber was wäre alles verloren ?

Wer tot ist ist tot und kann keine Strafe mehr verbüßen. Falls jemand auf die Hölle nach dem Tod spekuliert, die wäre auch noch nach einem
natürlichen Tod in der Haft oder der
Sicherungsverwahrung im Angebot, geht also nicht laufen.


http://d1.stern.de/bilder/politik/2003/kw47/Stamm400_fitwidth_420.jpg

Die Tat und die Ursachenforschung würden nach einem kurzen Prozess schnell in Vergessenheit geraten. Who wants yesterdays papers ? War ja
nur ein versprengtes Monster. Das Problem ist jetzt weg. Wir haben kein gesellschaftliches Problem . Was gibt's neues?

Norwegens Justiz hat in einer beispielhaft unaufgeregten, vorbildlichen Weise gezeigt, wie eine freie und rechtsstaatliche Gesellschaft mit
einem Menschen umgehen muss, der ihre Grundsätze verachtet und abschaffen will. Mit einem, der sich für etwas besseres hält, einen der sicher ist über dem Gesetz zu stehen.

Mit Ruhe und Bedacht hat das Gericht sich die notwendige Zeit genommen, das Geschehene aufzuklären, es hat dem Angeklagten eine optimale
Verteidigung gewährleistet, es hat sich intensiv mit seinem Geisteszustand beschäftigt und es hat ein Urteil auf der Basis der geltenden Gesetze gesprochen. Ohne Schaum vor dem Mund, ohne das
Verlangen, das Gesetz ein wenig zu beugen, ein wenig Rache zu üben.

Es hat Breivik als Menschen wie jeden anderen behandelt, der nichts besseres und nichts schlechteres ist, der nicht über aber auch nicht
unter dem Gesetz steht. Es hat konsequent die gesetzliche Höchststrafe verhängt und mit der zusätzlichen Sicherungsverwahrung sichergestellt,
dass dieser Mensch keine Straftaten in Freiheit mehr begehen kann.

Wem das nicht reicht, der sollte seine eigenen Motive und seine eigene Gesinnung einmal im stillen Kämmerlein überprüfen. Eine härtere Strafe als den im Ergebnis lebenslangen Entzug der Freiheit ist nicht vorstellbar.

Und das Gericht hat , indem es "nur" seine Arbeit getan hat, noch sehr viel mehr geleistet. Es hat Breivik vollständig entzaubert.

Es der Welt gezeigt, dass jemand, der sich als Massenmörder betätigt, nicht zwangsläufig ein Irrer sein muss. Dass hätten doch viele allzu
gerne, weil es diesen Mit-Menschen Breivik zu etwas gemacht hätte, was jenseits der normalen menschlichen Natur existiert, was aber nichts mit
"uns normalen" Menschen zu tun hat.

Sicher, auch solche kranken Täter gibt es, aber es ist eben ein großer Irrtum, vielleicht auch ein Wunschtraum, dass die "normalen Menschen" so etwas nicht tun würden, dass so etwas nur krank denkbar ist. Rechtsextremismus, Fremdenhass,
Rassenüberheblichkeit sind keine aber Krankheiten, es sind nur menschenverachtende Gesinnungen, die leider weit verbreitet sind.

Das gilt genauso für andere extremistische Gesinnungen, denen allen eines gemein ist: sie denken sie seien auserwählt, könnten auf andere Menschen herabschauen und hätten sogar das Recht, wenn nicht gar die Pflicht, diese zu vernichten. Wer einem anderen Menschen das Recht auf Leben
abspricht - was jeder tut, der die Todesstrafe fordert - , wer ihn als außermenschliches Wesen, das man wie einen Alien betrachten und notfalls
auch vernichten darf oder sogar muss, stellt sich auf eine Stufe mit Rassisten, religiösen und politischen Extremisten und gefährdet damit die Basis einer freien, rechtsstaatlichen Gesellschaft.


http://www.madjak.de/suenden/zorn.jpg

Diese Gesinnungen mit unaufgeregter Beharrlichkeit zu bekämpfen nützt wesentlich mehr, als dieser Gesinnung noch Futter zu geben, indem man eine ihrer Hauptforderungen, nämlich die nach der Todesstrafe, erfüllt.

Das hat das norwegische Gericht getan.

Danke Elisabeth Arntzen und Arne Lygn, Danke Inga Bejer Engh und Svein Holden, Danke Geir Lippestad und seinem Verteidigerteam. Danke Norwegen.

von RA Heinrich Schmitz

Samstag, 18. August 2012

Männerpension statt Mädchenpensionat – von RA HEINRICH SCHMITZ

Über den Strafvollzug in Deutschland


http://www.leo-magazin.de/typo3temp/pics/6961d36deb.jpg

Wenn Sie schon mal im Knast gesessen haben, brauchen Sie nicht weiterzulesen. Dann ist das alles nichts Neues für Sie. Wenn Sie glauben, der Strafvollzug in Deutschland sei viel zu lasch und den Gefangenen ginge es dort viel zu gut und sich von dieser Meinung nicht abbringen lassen wollen, lassen Sie es besser auch bleiben. Hier geht es
um den Knast und seine Insassen, um die Realität des deutschen Strafvollzugs.

Bernd Busemann, niedersächsischer Justizminister (CDU), kann mit dem Zustand des deutschen Strafvollzugs "gut leben". Er sitzt ja auch nicht
drin, sondern diesem nur als einer der verantwortlichen Länderminister vor.

Anlass für die frohgemute Äußerung des Ministers ist eine Studie über "Viktimisierungserfahrungen im Justizvollzug " , die von Steffen Bieneck
und Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen erstellt wurde

http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/fob119.pdf

Was die Wissenschaftler dort herausgefunden und beschrieben haben, ist zwar für Menschen mit Hafterfahrung nichts neues, für alle anderen aber
ein verdammt guter Grund, sich einmal ernsthafte Gedanken zu machen.

"Es folgen körperliche Übergriffe (25,7%) und der Diebstahl von persönlichem Eigentum (20,3%). Mit gut 5 Prozent (bzw. 194 Vorfällen) wurden sexuelle Übergriffe von den männlichen Teilnehmern am seltensten berichtet. Die weiblichen Studienteilnehmer geben für den Monat vor der Befragung ebenfalls an, am häufigsten indirekte (63,5%) und verbale Auseinandersetzungen (40,1%) erlebt zu haben. 16 Betroffene (3,6%) berichteten von sexuellen Übergriffen. Indirekte Gewalt und verbale
Übergriffe dominieren auch bei den Jugendlichen,*zudem berichtet fast die Hälfte der Befragten (49,0%), mindestens einen physischen Übergriff erlebt zu haben*. ." (Seite 10 der Studie)

Und was fällt dem guten Herrn Busemann dazu ein ? Nur, "dass ein Knast eben keine Mädchenpension sei " und er gut mit dem Zustand leben kann.
Wow, was für eine tiefschürfende Reaktion.


https://service.gmx.net/de/cgi/g.fcgi/mail/sent?sid=babhdfg.1345284195.3313.rqsycos0jb.75.hdj

Stellen Sie sich einmal vor, sie hätten einen 16-jährigen Sohn, der z.B. auf die glorreiche Idee gekommen ist, sich mit dem Handeln von Drogen
sein Taschengeld aufzubessern. Sie bekommen natürlich von alledem nichts mit und sind deshalb ziemlich vor den Kopf geschlagen, wenn plötzlich
die Kripo anruft und ihnen mitteilt, dass ihr Sohn festgenommen wurde, weil er mit einer anständigen Menge Speed erwischt wurde. Je nachdem welche Menge, welche Qualität und welcher Richter und so weiter, kann das schon für eine Jugendstrafe reichen. Ist ja auch o.k., er hat ja ein Verbrechen begangen.

Trotzdem lieben Sie Ihren Sohn ja normalerweise
trotzdem. Und dann ist er in der Jugendstrafanstalt um seine Strafe zu verbüßen. Natürlich besuchen Sie ihn regelmäßig und irgendwann sehen sie ein paar blaue Flecken oder ein blaues Auge.

"Von den Jugendlichen berichtet zwar auch mehr als die Hälfte der Befragten von Wut und Zorn, darauf folgen jedoch unmittelbar körperliche
Symptome wie blaue Flecken, Prellungen und Schmerzen. "(Seite 16 der Studie)

Ja, er habe sich gestoßen, sei in der Dusche ausgerutscht oder gegen einen Türrahmen gelaufen, alles nur Unfälle. Beim nächsten Besuch ist er
noch merkwürdiger, still, weint vielleicht ein bisschen. Was ist los, werden Sie fragen. Nichts. Nichts, frag nicht.


http://www.nw-news.de/_em_daten/_nw/2009/09/11/090911_1904_knast.jpg

"Die Jugendlichen verzichten dagegen mehrheitlich darauf, andere Personen ins Vertrauen zu ziehen." (Seite 18 )

Ihr Junge sitzt seine Strafe ab. Er ist nicht freiwillig in der Jugendstrafanstalt. Er wurde verurteilt. Aber er wurde zu einem
Freiheitsentzug verurteilt, nicht zu Prügeln, Misshandlung und Vergewaltigung, Drogenmissbrauch, Raub um Erpressung. Er befindet sich in der zwangsweisen Obhut des Staates. Eines Rechtsstaats. Um erzogen zu werden, re-sozialisiert, manch einer auch um überhaupt erstmals sozialisiert zu werden.

Und dann landet er in einer Einrichtung, in der jeder zweite in den letzten vier Wochen was auf die Fresse bekommen hat, mindestens. Na das
wird ja lustig mit der Sozialisation. Da kann man echt was fürs Leben lernen. "Schlag zu, bevor du geschlagen wirst !", "Verbünde dich mit dem
brutalsten !", "Wenn die Schmerzen zu groß werden, versuch's mal mit Heroin !" und vor allem, "Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner."

Der Staat lässt dich im Stich !

Wenn es das ist, was wir von einem Strafvollzug erwarten, dann kann man da prima mit leben. Wer diese Strafvollzug genießen durfte, der wird
sich draußen durchzusetzen wissen.Allerdings eher im kriminellen Milieu. Der hat keinen Grund, die Strafe als Lehre zu begreifen, es zukünftig
anders zu machen. Der wird den Staat hassen, weil er ihn nicht beschützt hat. Der wird eher um sich schießen, als sich nochmal einsperren zu lassen.

Es ist einfach, den Haftanstalten Versäumnisse vorzuwerfen, ganz einfach. Aber auch das ist viel zu kurz gesprungen. Um das, was eigentlich erforderlich wäre, nämlich zunächst einmal die Sicherheit eines jeden einzelnen Gefangenen vor Übergriffen der anderen zu gewährleisten, braucht es ein grundsätzliches Umdenken. Die JVA leiden
unter Personalmangel, insbesondere gut ausgebildetes Wachpersonal, Sozialarbeiter und Psychologen gibt es viel zu wenige.

Das vorhandene, mies bezahlte und ausgebildete Personal ist permanent überfordert, guckt
zwangsläufig auch gerne mal weg. Dass jemand diesen Beruf als Berufung empfindet, habe ich bisher noch von keinem gehört. Ein Traumberuf ist
das schon gar nicht. Der Beruf des Justizvollzugsbeamten ( im Volksmund
auch gerne Wärter genannt ) ist auf der Liste der tausend Traumberufe sicher nicht verzeichnet. Aber es wäre ein wichtiger Beruf, der bei
vernünftiger Bezahlung und guter Ausbildung gesellschaftlich wirksam sein könnte. Der ein anderes Image braucht, als das des Schließers.

Dafür muss man Geld ausgeben, das Personal aufstocken, die Anstalten modernisieren. Diese Geld wäre richtig gut angelegtes Geld, weil es dazu beitragen würde,Gefangene aus dem Drehtüreffekt herauszuholen, aus jungen nicht nur alte Straftäter zu machen, sondern Menschen, die auch außerhalb des Knastes existieren können, die einen Beruf lernen, arbeiten, Steuern zahlen usw.



http://bandworm.de/cp/images/weiterstadt_DW_Poli_416514p.jpg

Die Studie wäre für einen verantwortlichen Minister ein schöner Aufhänger gewesen, dieses Thema auch in der Öffentlichkeit zu verbreiten
und da vehement mehr Geld für die ohnehin unterkapitalisierte Justiz einzufordern. Eine überparteiliche Initiative starten, das Land sicherer machen, Menschen helfen sich zu ändern. Busemann wäre mein Held gewesen. Statt dessen faselt er nur davon, dass der Knast keine Mädchenpension ist und das soll's dann gewesen sein.

Damit kann Herr Busemann gut leben - ich nicht.

von RA Heinrich Schmitz

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