Mittwoch, 9. Mai 2012

WARNSCHUSS! - In den Ofen? – von RA HEINRICH SCHMITZ

Wunderbar, unser RA Heinrich Schmitz erklärt, was wirklich dahinter steckt. Wie immer informativ, unterhaltsam und nachdenklich machend!




http://new.topnews.de/wp-content/uploads/2009/09/a2009092020325741735.jpg

Warnschuss - In den Ofen ? von RA Heinrich Schmitz

Am 18. April beschloss das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten, der am
27.4.2012 von den Koalitionsfraktionen in den Bundestag einbracht wurde.

http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/093/1709389.pdf

Neben einer Erhöhung der Jugendstrafe für schwerste Straftaten von Heranwachsenden - also jungen Volljährigen zwischen 18 und 20 Jahren -
von 10 auf 15 Jahre, enthält der Entwurf die Möglichkeit , zusätzlich zu einer Bewährungsstrafe einen Arrest zu verhängen, den sogenannten "Warnschuss"-Arrest.

Diese geplante Änderung ist insoweit etwas neues, als es das bisherige Sanktionensystem des Jugendstrafrechts sprengt. Bisher galt ein
dreistufiges System, angefangen von Erziehungsregeln über Zuchtmittel bis zur Jugendstrafe. Bei kleineren Delikten wie z.B. Ladendiebstahl einer geringwertigen Sache reicht es in der Regel aus, dem Jugendlichen
eine eindringliche Ansprache zu teil werden zu lassen, um ihn wieder auf die richtige Schiene zu setzten.

Bei etwas schwereren Fällen, bei denen aber keine schädlichen Neigungen erkennbar sind, werden die sogenannten Zuchtmittel , also z.B. der Jugendarrest eingesetzt. Und bei den ganz schlimmen Jungs ( Entschuldigung an die Feministinnen, aber bei Mädels
ist das ganz selten ) , also denen wo die schädlichen Neigungen vorliegen oder wo die Schuld besonders schwer wiegt, gibt's die
Jugendstrafe.

Bisher war es wegen der Mehrstufigkeit dieses Systems nicht möglich,neben einer Jugendstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden kann, weil
das Gericht erwartet, dass der Verurteilte alleine wegen der offenen Bewährung keine weiteren Straftaten mehr begehen wird, ein Zuchtmittel in Form eines Jugendarrestes zu verhängen. Das sah das Gesetz einfach nicht vor.

Zwar konnte man den Verurteilten mit Geldauflagen, sozialen Trainingskursen oder auch einer Menge an Sozialstunden an seine Verurteilung erinnern, man konnte ihm aber nicht einfach einmal zeigen, wie es sich denn so in Gefangenschaft lebt. Das kommt bei vielen
Jugendlichen in der Tat so an, als wären sie gar nicht bestraft worden.

Auf den ersten Blick scheint der Gesetzentwurf also eine sinnvolle Sache zu sein. Aber wie das oft so mit dem ersten Blick aussieht - der zweite
und der dritte Blick bringen mehr.

Dass das bisherige Sanktionensystem unlogisch durchbrochen wird - geschenkt. Das stört nur den Dogmatiker im Juristen, der logische Systeme bevorzugt. Oder ? Ist es nicht nachvollziehbar, dass die Erwartung des Gerichts, jemand werde künftig ohne Haft keine Straftaten mehr begehen geradezu einen Arrest erfordert ? Ach nee, passt irgendwie nicht.

Aber, dass die Gesetzesänderung in der Praxis trotz des innovativen Ansatzes nicht viel bringen wird, ist leider schon abzusehen.


http://www.smh.com.au/ffxImage/urlpicture_id_1067233323165_2003/10/30/31snap_chaingang,0.jpg

Der neue Warnschuss-Arrest soll innerhalb von drei Monaten nach der Rechtskraft des Urteil begonnen werden, was bedeutet, dass eine
Verbüßung nicht mehr erfolgt, wenn nach der Rechtskraft des Urteils drei Monate vergangen sind. Auch hier ein auf den ersten Blick guter Gedanke nach dem Motto "Die Strafe folgt auf dem Fuße". In der Praxis dürfte das aber kaum machbar sein.

Bis jetzt liegen zwischen Rechtskraft des
Urteils und dem Antritt eines Jugendarrestes nach meiner persönliche Erfahrung mindestens drei Monate. Wohlgemerkt nach der Rechtskraft des
Urteils, nicht etwa nach der Tat. Die liegt dann oft schon ein Jahr und länger zurück, was im Leben eines Jugendlichen eine verdammt lange Zeit
ist.

Wie der Arrestantritt zukünftig beschleunigt werden könnte, ist zwar klar, aber wohl für die zuständigen Länder nicht finanzierbar. Es müsste
nämlich deutlich mehr Jugendstaatsanwälte, Jugendrichter, Jugendgerichtshelfer und Jugendarrestanstalten geben. Das wäre zwar eine
schöne Sache, aber bisher war das kein Thema. Als ob für so was plötzlich Milliarden locker gemacht würden, das sind doch keine Banken.

Neben dem Ziel, dass die Jugendlichen und Heranwachsenden schon mal einen Schnupperkurs im Knast absolvieren sollen, quasi als
Abschreckungspratikum gegen künftige Berufskriminelle, verfolgt der Entwurf nach Fraktionsangaben noch zwei weitere hehre Ziele.

"Zum einen, die Jugendlichen eine Zeit lang aus ihrem Alltag und dem damit verbundenen, meist "schädlichen Umfeld" herauszunehmen. Zum
anderen können, so die Annahme, die Betreuer im Strafvollzug zumindest einige Tage oder Wochen lang "gezielt erzieherisch" auf die Jugendlichen
einwirken. "
http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2012/38653492_kw16_sp_straftaeter/index.html

Ach wie nett. Der Arrest dauert als Dauerarrest maximal vier Wochen. Das ist ja keine besonders lange Zeit. Kürzer als die Sommerferien. Klar,
aus dem Umfeld wäre der Jugendliche dann 4 Wochen raus, aber was soll das denn bringen ? Danach ist er ja wieder drin. Änderung des Umfeldes wäre eine gute Lösung, oder ? Verzeihung, falsches Thema.

Noch lustiger und schon geradezu vermessen ist die "Annahme", die Betreuer könnten "einige Tage oder Wochen gezielt erzieherisch auf die
Jugendlichen einwirken " - ja sicher. Abgesehen davon, dass der bisherige Arrest mir nicht durch besondere erzieherische Einwirkung auf meine jugendlichen und heranwachsenden Mandanten aufgefallen wäre. Wie soll das denn gehen. Ein Instant-Erziehungsprogramm ? Wer soll das
machen ?


http://www.schwaebische.de/cms_media/module_img/1042/521413_1_articleorg_B82838623Z.1_20120229190354_000_GLSOJB81.1_0.jpg


Für jeden Arrestierten eine Supernanny ? In den sechs Jugendarrestanstalten des Landes NRW werden auf insgesamt 254 Arrestplätzen bisher jährlich etwa 8600 Arreste verbüßt, also pro
Arrestplatz knapp 34.Viel mehr geht da kaum. Die personelle Ausstattung der Arrestanstalten ist nicht besonders prickelnd, so dass die meisten
Rückkehrer aus dem Arrest eher von Langeweile als von dem Versuch einer Erziehung berichten.

Ob es nach der Gesetzesänderung mehr Geld vom Bund
gibt, für Blitz-Erzieher, Psychologen, Beschäftigungstherapeuten etc. ? Ich würd's gern glauben, tu's aber nicht.

Bisher hat es noch kein Bundesland geschafft, ein vom Bundesverfassungsgericht bereits 2006 gefordertes Gesetz /zum Jugendarrestvollzug zu schaffen/. Da wird bisher ohne gesetzliche
Grundlage hantiert. Jedes Bundesland macht so aufgrund einer einfachen bundesweiten Verwaltungsvorschrift vor sich hin. Es ist also auf Landesebene keineswegs geregelt, dass zumindest der Versuch unternommen wird, an den Eingelochten rum zu erziehen. NRW hat wenigstens als erstes Bundesland mal einen Gesetzentwurf zum Jugendarrest eingebracht.

Der Entwurf der Koalition wird übrigens als Maßnahme gegen eine steigende Jugendgewalt verkauft. Das macht sich besonders in
Wahlkampfzeiten gut. Law & Order. Irgendwie nur blöd, dass die Jugendgewalt nur gefühlt ansteigt, tatsächlich aber seit Jahren zurück geht.

Dass bisher die Rückfälligkeit nach Arrest höher ist als nach sinnvoll gestalteter Bewährungszeit, ist auch nur so eine lästige Tatsache.

Auf den zweiten und dritten Blick wirkt der Entwurf daher wie eine Mogelpackung. Draußen steht, wir tun was gegen Jugendgewalt, drinnen ist
nur viel heiße Luft. Wer wirklich was gegen Jugendgewalt tun will, darf nicht nur populistisch für härtere Strafen sorgen, er muss sich um die Lebensbedingung der Kinder und Jugendlichen sorgen, sonst ist der Warnschuss nur ein Schuss in den Ofen.

von RA Heinrich Schmitz

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