Sonntag, 26. August 2012

IST BREIVIK ANDERS? - DAS URTEIL

von RA Heinrich Schmitz


http://www.abendblatt.de/multimedia/archive/01126/Breivik_NEU_1_HA_V_1126900c.jpg

Es zuckte ein leichtes Grinsen um seinen Mund als er sich nach dem Urteilsspruch hinsetzte. Anders Behring Breivik wirkte recht zufrieden. Sie hatten ihn nicht zum Geisteskranken gestempelt.

Er wurde ernst genommen - er hat nichts verstanden.

Der Angeklagte hatte für sich selbst die Todesstrafe gefordert, obwohl die in Norwegen genauso verboten ist wie bei uns. Aber das machte ihm ja nichts. Er weigerte sich, das Gericht und damit auch die Rechtsgrundlagen der Verurteilung anzuerkennen. Rechtsstaat ist nichts für Rechtsextremisten. Folgerichtig verzichtete er nach dem Urteil auch auf Rechtsmittel. Die Entscheidung ist - nachdem auch die
Staatsanwaltschaft verzichtet - rechtskräftig.

Das Urteil fand in Norwegen, auch unter Überlebenden und Angehörigen der Opfer, eine überwältigende Zustimmung.

In Deutschland sieht das - fast erwartungsgemäß - schon etwas anders aus:

" P.D.: Ich hätte mir eine Strafform gewünscht, die in einigen Bundesstaaten der USA in solchen Fällen zur Anwendung kommt."

" P.-B. C.: Dieses widerlich grinsende Monster! So jemand hat nur eins verdient! TODESSTRAFE!!!!"

"H.I.: Brevik gehört an die Wand."

" R..C. In den USA hätte er die Todesstrafe bekommen, das wäre auch am Angebrachtesten, schließlich ist er ein Massenmörder! "

sind nur einige der Kommentare, die sich am Tag der Urteilsverkündung bei facebook fanden.

Auch wenn diese Kommentatoren es vermutlich weder merken geschweige denn beabsichtigen, könnten sie Breivik noch einen späten Triumph verschaffen.

Das was sie da äußern, der reflexhafte Wunsch nach der Todesstrafe, entspringt nämlich letztlich im Kern einem ähnlich menschenverachtenden Denken, dass es erst ermöglicht hat, den Menschen Anders Behring Breivik zu dem werden zu lassen, was er letztlich geworden ist, ein gemeingefährlicher Mensch, ein
Massenmörder.

https://www.facebook.com/notes/heinrich-schmitz/mensch-massenm%C3%B6rder-von-ra-heinrich-schmitz/303796056308596


http://www.haz.de/var/storage/images/haz/nachrichten/politik/deutschland-welt/protest-gegen-hinrichtung-in-usa/23641914-1-ger-DE/Protest-gegen-Hinrichtung-in-USA_ArtikelQuer.jpg

Der Weg dahin ist manchmal ein recht kurzer.

Auf den Tag genau 20 Jahre vor dem Breivik-Urteil, in Rostock-Lichtenhagen, waren es rund 3000 Menschen - nicht etwa 3000 Rechtsradikale - die auch meinten, sie seien berechtigt andere Menschen zu jagen und zu verbrennen, zu töten.

Angestachelt von einer relativ kleinen Gruppe von Rechtsextremisten schrien auch völlig "normale" Bürger "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!". Auch als schon als Steine und Molotowcocktails in das von der Polizei verlassene Wohnheim der rund 100 Vietnamesen geworfen wurden, johlte und grölte der Mob aus Normalos begeistert.

Als dann die Extremisten unter Rufen wie "Wir kriegen Euch alle" und "jetzt werdet ihr geröstet" Benzin ausgeschütteten und anzündeten, verhinderte die fanatisierte Menge den Einsatz von Polizei und Feuerwehr. Sie wollten Menschen brennen sehen. Das waren alles normale Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft.

Wer vom Staat fordert, dass Straftäter umgebracht werden, kann seine Forderung offenbar nicht ganz zu ende gedacht haben.

Was wäre damit gewonnen, dass z.B. ein Breivik als Ergebnis eines Strafprozesses getötet würde ? Vollkommen unabhängig von der Frage der
Menschenwürde, die auch dem schlimmsten aller schlimmen Terroristen zukommt, alleine weil er ein Mensch ist und deshalb die Todesstrafe
ausschließt, was wäre gewonnen? Gut, ja er wäre weg und man bräuchte ihn nicht auf Kosten der Allgemeinheit jahrelang durchzufüttern und zu
bewachen.

Aber sonst ? Als Strafe hätte Breivik seine Tötung selbst sicherlich nicht empfunden. Für ihn wäre es der erste Schritt zum rechten Helden
gewesen, zum weißen Ritter des von ihm imaginierten Tempelritterordens gegen die drohende Islamisierung. Ein Märtyrer der weißen Rasse, ein nachahmenswertes Vorbild. Sein Triumph.

Aber was wäre alles verloren ?

Wer tot ist ist tot und kann keine Strafe mehr verbüßen. Falls jemand auf die Hölle nach dem Tod spekuliert, die wäre auch noch nach einem
natürlichen Tod in der Haft oder der
Sicherungsverwahrung im Angebot, geht also nicht laufen.


http://d1.stern.de/bilder/politik/2003/kw47/Stamm400_fitwidth_420.jpg

Die Tat und die Ursachenforschung würden nach einem kurzen Prozess schnell in Vergessenheit geraten. Who wants yesterdays papers ? War ja
nur ein versprengtes Monster. Das Problem ist jetzt weg. Wir haben kein gesellschaftliches Problem . Was gibt's neues?

Norwegens Justiz hat in einer beispielhaft unaufgeregten, vorbildlichen Weise gezeigt, wie eine freie und rechtsstaatliche Gesellschaft mit
einem Menschen umgehen muss, der ihre Grundsätze verachtet und abschaffen will. Mit einem, der sich für etwas besseres hält, einen der sicher ist über dem Gesetz zu stehen.

Mit Ruhe und Bedacht hat das Gericht sich die notwendige Zeit genommen, das Geschehene aufzuklären, es hat dem Angeklagten eine optimale
Verteidigung gewährleistet, es hat sich intensiv mit seinem Geisteszustand beschäftigt und es hat ein Urteil auf der Basis der geltenden Gesetze gesprochen. Ohne Schaum vor dem Mund, ohne das
Verlangen, das Gesetz ein wenig zu beugen, ein wenig Rache zu üben.

Es hat Breivik als Menschen wie jeden anderen behandelt, der nichts besseres und nichts schlechteres ist, der nicht über aber auch nicht
unter dem Gesetz steht. Es hat konsequent die gesetzliche Höchststrafe verhängt und mit der zusätzlichen Sicherungsverwahrung sichergestellt,
dass dieser Mensch keine Straftaten in Freiheit mehr begehen kann.

Wem das nicht reicht, der sollte seine eigenen Motive und seine eigene Gesinnung einmal im stillen Kämmerlein überprüfen. Eine härtere Strafe als den im Ergebnis lebenslangen Entzug der Freiheit ist nicht vorstellbar.

Und das Gericht hat , indem es "nur" seine Arbeit getan hat, noch sehr viel mehr geleistet. Es hat Breivik vollständig entzaubert.

Es der Welt gezeigt, dass jemand, der sich als Massenmörder betätigt, nicht zwangsläufig ein Irrer sein muss. Dass hätten doch viele allzu
gerne, weil es diesen Mit-Menschen Breivik zu etwas gemacht hätte, was jenseits der normalen menschlichen Natur existiert, was aber nichts mit
"uns normalen" Menschen zu tun hat.

Sicher, auch solche kranken Täter gibt es, aber es ist eben ein großer Irrtum, vielleicht auch ein Wunschtraum, dass die "normalen Menschen" so etwas nicht tun würden, dass so etwas nur krank denkbar ist. Rechtsextremismus, Fremdenhass,
Rassenüberheblichkeit sind keine aber Krankheiten, es sind nur menschenverachtende Gesinnungen, die leider weit verbreitet sind.

Das gilt genauso für andere extremistische Gesinnungen, denen allen eines gemein ist: sie denken sie seien auserwählt, könnten auf andere Menschen herabschauen und hätten sogar das Recht, wenn nicht gar die Pflicht, diese zu vernichten. Wer einem anderen Menschen das Recht auf Leben
abspricht - was jeder tut, der die Todesstrafe fordert - , wer ihn als außermenschliches Wesen, das man wie einen Alien betrachten und notfalls
auch vernichten darf oder sogar muss, stellt sich auf eine Stufe mit Rassisten, religiösen und politischen Extremisten und gefährdet damit die Basis einer freien, rechtsstaatlichen Gesellschaft.


http://www.madjak.de/suenden/zorn.jpg

Diese Gesinnungen mit unaufgeregter Beharrlichkeit zu bekämpfen nützt wesentlich mehr, als dieser Gesinnung noch Futter zu geben, indem man eine ihrer Hauptforderungen, nämlich die nach der Todesstrafe, erfüllt.

Das hat das norwegische Gericht getan.

Danke Elisabeth Arntzen und Arne Lygn, Danke Inga Bejer Engh und Svein Holden, Danke Geir Lippestad und seinem Verteidigerteam. Danke Norwegen.

von RA Heinrich Schmitz

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