Montag, 3. September 2012

DER WERT DER FREIHEIT

von RA Heinrich Schmitz


http://voxpopuliblog.files.wordpress.com/2010/05/freiheit.jpg

"Freiheit" - ist für Bundespräsident Joachim Gauck der zentrale Wert unserer Gesellschaft, für Marius Müller-Westernhagen "das einzige, was
zählt". In Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG wird die Freiheit der Person als unverletzlich bezeichnet und in der Nationalhymne besungen.

Es scheint also eine allgemeine Übereinkunft zu geben, dass die Freiheit in unserem Staatswesen einen außerordentlich hohen Rang einnimmt,
vermutlich den höchsten.

Deshalb scheint es zunächst völlig absurd, sich zu fragen, welchen Wert die persönliche Freiheit in Euro, also welchen Preis sie hat.

Dabei ist es offenkundig gesetzlich bestimmt, was eine Stunde Freiheit wert ist, nämlich exakt 1,04 € oder pro Tag 25 €. Hätten Sie das gedacht? Überlegen Sie mal, was Sie für 1,04 € pro Stunde sonst so bekommen, viel kann's nicht sein. Selbst eine Stunde Parken kostet oft mehr.

Seit dem 5.8.2009 gibt es nach § 7 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ( StrEG ) sage und schreibe 25 € für jeden Tag, den jemand zu Unrecht in Haft gesessen hat. Davor gab's nur
11 €.

Und da es in Absatz 1 heißt , "Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist_" handelt es sich bei diesen
25€ nicht etwa um Verdienstausfall oder entgangenen Gewinn, Schadensersatz für tatsächlich entstandene Vermögensschäden, die es
zusätzlich gibt, sondern um die Entschädigung für die verlorene Freiheit selbst.

Um es noch einmal deutlich zu machen, dass betrifft nicht zu Recht verurteilte Kriminelle, sondern unter Umständen Sie.

Obwohl das rechtsstaatliche Strafverfahren mit einigen Sicherungen gegen falsche Verurteilungen, wie Berufung, Revision und Verfassungsbeschwerde
ausgestattet ist, lässt es sich leider nicht vermeiden, dass ab und an auch Unschuldige hinter Gittern landen. Wo Menschen entscheiden, machen
sie Fehler. Das ist in jedem Beruf so. Während des Ermittlungsverfahrens in Form von U-Haft kommen Menschen häufiger unschuldig in Haft, weil
hier schon ein dringender Tatverdacht reicht um sie zu verhängen, nach einem Strafurteil seltener, aber eben auch.

Da sitzt dann ein unschuldig verurteilter Mensch unter Umständen jahrelang im Gefängnis, sei es weil ein Richter bei der Überzeugungsbildung allzu forsch war, oder weil ein Zeuge gelogen hat
oder aus welchem Grund auch immer. Wenn der Unschuldige ganz viel Glück hat, findet sich jemand der ihm glaubt, dass er unschuldig ist. Wenn er noch mehr Glück hat, gelingt das seltene Kunststück, ein Wiederaufnahmeverfahren in Gang zu bringen und am Ende steht dann ein Freispruch.


http://www.tz-online.de/bilder/2009/03/18/103046/1120675611-heute-57jaehriger-brite-fast-drei-jahrzehnte-unschuldig-gefaengnis.9.jpg

Man muss sich einmal vor Augen führen, was es bedeutet als Unschuldiger wegen einer Straftat verurteilt zu werden. Kafka lässt grüßen. Im
schlimmsten Fall wenden sich auch noch Freunde und Familie nach und nach ab, die Zweifel zerfressen das Vertrauen. Der Gefangene ist nach außen und innen isoliert. Hafterleichterungen wie Ausgang oder Hafturlaub werden regelmäßig mit der zutreffenden Begründung verweigert, der
Gefangene sei ja nicht einmal bereit, sich mit seiner Tat auseinanderzusetzen. Ja, das habe ich schon ein paar Mal als Verteidiger erlebt. Das ist zum verrückt werden. Mit welcher Tat sollte sich denn ein Unschuldiger auseinandersetzen ? Unschuldige gelten gemeinhin als therapieunwillig.

Es kommt glücklicherweise wohl nicht allzu häufig vor, aber allein ich habe in den vergangenen 25 Jahren 4 Fälle erlebt, bei denen ich absolut
davon überzeugt bin, dass die Verurteilten unschuldig waren. Das bereitet dann auch dem abgeklärten Strafverteidiger schlaflose Nächte.
In allen Fällen handelte es sich um Sexualstraftaten, in allen Fällen um
Indizienprozesse und in allen Fällen, waren die Verurteilungen nicht zu knacken, weil es den Gerichten gelungen war, wasserdichte
Urteilsbegründungen zu schreiben, die vom Revisionsgericht mit dem üblichen Dreizeiler bestätigt wurden. Wenn ich eine ähnliche Quote bei
den Kollegen unterstelle, kommen so eine ganze Reihe unschuldig verurteilter Menschen zusammen.

Die wenigen, deren Unschuld manchmal erst Jahre später festgestellt wird, werden dann vom Staat ein zweites Mal kräftig verarscht.

25 € Entschädigung für jeden Tag erlittene Haft sind schon kein Witz mehr, sondern eine absolute Frechheit. Wer sich das ausgedacht hat, sollte mal ein paar Monate sitzen.

Von der Mehrzahl der anderen Inhaftierten unterscheidet sich der Unschuldige in seiner Haftempfindlichkeit. Für einen Berufsverbrecher
ist ein Haftaufenthalt sozusagen Teil des Berufsrisikos, für einen zu Recht verurteilten Spontanverbrecher ist sie psychologisch akzeptabel, weil Reaktion auf eine Straftat.

Für einen Unschuldigen ist sie die Hölle. Es gibt keinen Grund für den Entzug der Freiheit, niemand glaubt ihm seine Unschuld und er kann psychisch an der staatlich angeordneten Freiheitsberaubung zerbrechen. Es wäre interessant die in Haft verübten Suizide einmal darauf hin zu
untersuchen, ob die Gefangenen vorher oder auch erst in ihren Abschiedsbriefen ihre Unschuld beteuert hatten.

Der unschuldig Verurteilte verliert vollkommen zu Recht sein Vertrauen in den Rechtsstaat. Der Rechtsstaat, dessen Aufgabe es ist, ihn vor
Ungerechtigkeit zu schützen, seine persönliche Freiheit zu bewahren, dieser Rechtsstaat hat ihm das Wertvollste genommen, dass ein Mensch
haben kann, seine Freiheit. Das darf man sich ähnlich vorstellen, wie ein Kind, dass ausgerechnet von den Menschen die es beschützen sollen, seinen Eltern, misshandelt wird.

Und wenn sich das Fehlurteil dann als solches herausstellt, bekommt der Unschuldige den Wert dieser Freiheit mit 25 € pro Tag vergütet.

Da kommt man dann doch ins Grübeln. Geld und Freiheit sind offenbar die höchsten Werte, die der Staat sich neben unveräußerlichen Werten wie
Menschenwürde und Gesundheit so vorstellen kann. Deshalb wird der Entzug von Geld und Freiheit im Erwachsenenstrafrecht auch als Strafe
eingesetzt. Das tut weh und das soll auch weh tun. Die Geldstrafe ist dabei auf eine Tagessatzzahl von maximal 360 begrenzt. Der einzelne Tagessatz liegt zwischen mindestens 5 und höchstens 30.000 € . Die höchste Geldstrafe - entsprechend etwas einem Jahr Freiheitsstrafe
beträgt also 10,8 Millionen Euro.

Die Entschädigung für 365 Tage Freiheitsberaubung durch die Justiz ist mit 9125 € da doch recht überschaubar. Wie der Gesetzgeber auch nur
auf den Gedanken kommen konnte, mit einer derart lächerlichen Entschädigung das erlittene Unrecht auch nur ansatzweise wieder gut machen zu können, ist nicht nachvollziehbar.


http://www.br-online.de/bildung/databrd/raf02.htm/raf02b16.jpg


Auch wenn man das Leid des Unschuldigen vermutlich mit keiner Geldsumme wirklich ausgleichen kann, genauso wie man mit einem Schmerzensgeld niemanden der Verlust eines Beines oder der Augen ersetzen kann, kann es wohl nicht mit dem alles überstrahlenden Verfassungsgebot des Schutzes der Menschenwürde in Einklang stehen, wenn ein Justizopfer auf diese Weise hinterher auch noch verhöhnt wird.

Mein Vorschlag einer halbwegs angemessenen Entschädigung: man sollte sich am Ehrensold des Bundespräsidenten orientieren. Ab nächstes Jahr
also 217.000 € pro Jahr oder rund 594.--€ pro Tag. Und da der unschuldig Verurteilte weder ein Büro noch einen Dienstwagen und Personal benötigt, könnte man den Betrag auf 600 € täglich aufstocken.

Die Orientierung am Ehrensold halte ich deshalb für gerechtfertigt, weil der unschuldig Verurteilte dem Staat ein Sonderopfer erbracht hat. Er ist , um es einmal in christlicher Diktion auszudrücken, wie der Geringste behandelt worden. Da macht es Sinn, ihn bei der
Wiedergutmachung dieses schrecklichen Unrechts wenigsten finanziell so zu behandeln, als sei er der höchste Repräsentant des Staatswesens und
das ist nun mal der Bundespräsident.

Das ist alles viel zu teuer und geht Sie sowieso nichts an ? Hoffen wir's mal für Sie.

von RA Heinrich Schmitz

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