Donnerstag, 6. September 2012

FAN ODER NICHT FAN, DAS IST HIER DIE FRAGE! von RA HEINRICH SCHMITZ

RA Heinrich Schmitz zum Fall Pezzoni


http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8f/DR_1936_611_Olympische_Sommerspiele_Fussball.jpg

Mehrere Personen hatten dem 23-Jährigen FC Köln Profi vor dessen Haus aufgelauert, ihn nach seinen Angaben beschimpft und bedroht. Auch bei
Facebook sah sich Pezzoni heftigen Angriffen ausgesetzt. Kurz danach wurde der Vertrag mit dem Spieler einvernehmlich aufgelöst. Was da genau
passiert ist, wird vielleicht ein heute eingeleitetes Ermittlungsverfahren aufklären.

Das mediale Interesse war, obwohl niemand körperlich verletzt wurde, beachtlich. Das Thema vermutlich zur Freude der Angezeigten breit
diskutiert. Mal wieder ein Aufreger. Auch wenn es ähnliche Vorfälle schon zu Zeiten gegeben hat, als das Internet noch nicht existierte.

In den Kommentaren zu diesem Vorfall liest man erstaunlicherweise immer wieder Sätze wie, "das sind keine Fans, dass sind Kriminelle" , oder wie
der Präsident Werner Spinner des 1.FC es formulierte "Ich bin der Auffassung, dass wir tolle Fans haben. Bei Pezzoni waren es keine Fans, sondern Chaoten."

Ach so. Das waren keine Fans. Wie kann man überhaupt auf die Idee kommen, dass das Fans gewesen sind ? Fans, das sind doch diese netten
Leute, die den Fanshop leer kaufen, die teuren Schals vor dem Spiel in die Luft halten und die Vereinshymne singen. Die würden doch nie einer
Fliege geschweige denn einem Vereinsspieler etwas zu leide tun. Würden sie nicht ?

Diese reflexhaft Abwehr und Ausgrenzung kennt man auch auf anderen Gebieten. Sexualstraftäter werden als Monster bezeichnet, Massenmörder
als psychisch krank. Die bösen Menschen dürfen alles sein, nur nicht so wie wir. Dann wären wir ja vielleicht so wie die. Und deshalb dürfen
diese Leute auch einfach keine Fans gewesen sein.

Natürlich sind Ultras, Hooligans und andere militante Fußballbesucher auch Fans. Sie sind sogar Fans im ursprünglichen Sinne des Begriffs,
nämlich Fanatiker.


http://www.regjo.de/nds/dt/uploads/2012/08/bundesliga_gegen_gewalt_motiv_hamburg.jpg

Schon Voltaire wusste, "Bedenkt, dass Fanatiker gefährlicher sind als Schurken. Einen Besessenen kann man niemals zur Vernunft bringen, einen
Schurken wohl." Fanatiker sind besessen, wobei es eigentlich vollkommen egal ist, wovon sie besessen sind. Ob es sich um religiösen,
ideologischen oder eben Fußballfanatismus handelt - neben der eigenen Religion, Ideologie oder eben dem eigenen Verein lässt der Fanatiker nichts gelten.

Dass, was wohl Herr Spinner und die anderen wohl mit "Fan" meinen, ist eigentlich ein Enthusiast, kein Fanatiker. Der Enthusiast begeistert
sich für eine Sache, ist aber weit davon entfernt, diese als einzig seligmachende anzusehen. Als Lebensinhalt. Als alternativlos.

"Fans" im allgemeinen Sprachgebrauch sind aber beide. Der Enthusiast wie der Fanatiker. Die Grenzen sind fließend. Von "ich kann deine Fresse
nicht mehr sehen" zu "ich schlag dir die Fresse ein" ist es ein kurzer weg.

Dass Fußball-Enthusiasten zu Fanatikern werden, die drohen, zuschlagen und vielleicht irgendwann auch einmal über Leichen gehen könnten, ist
aber zu einem nicht geringen Teil auch Schuld der Vereine und ihrer übersteigerten Inszenierung des Fußballs.

Natürlich stehe auch ich als bekennender FC-Anhänger "E Levve Lang" zu meinem Club und singe aus voller Brust und maximal pathetisch

"Mer schwöre dir, he op Treu un op Iehr!
Mer stonn zo dir, FC Kölle!
Un mer jonn met dir,
Wenn et sin muss durch et Füer,
Halde immer nur zo dir, FC Kölle!"


http://polpix.sueddeutsche.com/polopoly_fs/1.1439959.1344791665!/image/image.jpg_gen/derivatives/860x860/image.jpg

aber natürlich ist dieses auf "Treue und Ehre" gegebene Versprechen mit dem Verein "wenn es sein muss durch das Feuer" zu gehen, für mich nur im
übertragenden Sinn zu verstehen und beschränkt sich darauf den jeweiligen Abstieg des FC mannhaft wegzustecken und mir auch das nächste
meist schlechte Spiel voller Hoffnung wieder anzusehen. Für andere aber ist der FC (oder auch irgend ein anderer Fußballverein) tatsächlich zum
alleinigen Lebensinhalt geworden. "Treue und Ehre" fanden wurden ja auch im schon Wahlspruch der SS missbraucht. Und manche nehmen auch den
Schmähgesang auf die lieben Nachbarn aus Mönchengladbach - "und wir werfen Stein auf Stein, auf die Elf vom Niederrhein" nicht als das was es sein sollte, nämlich einen belanglosen , vermeidlich lustigen Schmähgesang, sondern als konkrete Handlungsanweisung zum Steinewerfen.

Diese "armen" Fanatiker, die außer ihrem FC nicht viel anderes in der Birne haben, müssen natürlich existenzielle Nöte erleben, wenn ihr Verein nicht nur erneut in die 2. Bundesliga absteigt, sondern sich auch dort sofort wieder am Tabellenende einreiht. Ja , das ist auch für den
enthusiastischen FC-Anhänger nicht wirklich schön, aber doch auch nicht so schlimm, dass man deshalb ernsthafte Depressionen bekommen müsste.
Höchstens ein Vorwand das ein oder andere Kölsch zu trinken.

Für den Fanatiker ist es die Katastrophe schlechthin. Und wenn etwas nicht so läuft wie der Fanatiker es sich vorstellt, dann wird ein Schuldiger gesucht. Auch das ist kein ungewöhnliches oder fußballspezifisches
Phänomen, das kennen auch die fanatischen Nazis mit ihrem Hass auf Juden und Ausländer, die Islamisten mit ihrem Hass auf die Ungläubigen usw.

Manchmal ist das der Schiedsrichter, manchmal der Trainer, manchmal der Vorstand und manchmal ein Spieler. Hier hat sich eine kleine Fangruppe
aus wohl ca. 5 Personen Kevin Pezzoni auserkoren. Der war zweifellos an ein paar Toren schuld, hat nicht gut gespielt. Wenn alleine das genügt,
einem Menschen vor seiner Wohnung aufzulauern und ihn zu bedrohen, ihm so einen Schrecken einzujagen, dass er lieber seinen Arbeitsplatz
aufgibt, dann ist das eine schlimme Sache.

Aber es ist eben nicht etwas, was außerhalb der Fangemeinde durch ein paar wildfremde Kriminelle geschieht, es geschieht vielmehr durch kriminelle Fans.

Der FC und alle anderen Vereine sollten sich darüber im klaren sein, dass das die gleichen Leute sind, die im Stadion für Stimmung sorgen,
die sich heiser singen und schreien, die ihre Freizeit und ihr gesamtes Geld für Fahrten zu Auswärtsspielen investieren und wirklich für ihren Verein "kämpfen" wollen und nicht irgendwelche Außenstehenden. Die gerne
aufgestellte Behauptung, diesen Leuten gehe es gar nicht um Fußball, sondern in erster Linie um Gewalt, greift zu kurz. Das mag bei Hooligans
zum Teil der Fall sein, aber die kloppen sich auch lieber untereinander. Dass hier Hooligans im Spiel waren, ist eher unwahrscheinlich. Die drohen nicht mit Fäusten, die schlagen gleich zu.

Die Vereine müssen, wenn auch in Zukunft noch Profifußball gespielt werden soll, von der von ihnen aufgebauten Überhöhung des eigenen
Vereins und der des Fußballsports herunterkommen. Es gibt Menschen, die das alte Lied der Nationalmannschaft "Fußball ist unser Leben" bitter ernst nehmen.

Die Vereine sollten die Fanatiker unter ihren Anhängern nicht einfach ausgrenzen und als Nichtfans bezeichnen. Das ist für die, als hätte ihre große Liebe, für die sie ihr Leben geben würden, sie verraten, mit einem anderen gepennt und sie vor die Tür gesetzt. Es ist leicht vorzustellen, dass diese verschmähte Liebe in blanken Hass und damit in noch schlimmere Aktionen umkippen könnte.

Martialische Sprüche von lebenslangen Stadionverboten werden hier eher nicht zu einer Befriedung führen.Dann werden sie halt außerhalb des Stadions aktiv. Wer wollte das verhindern ? Bei derartigen Fanatikern gilt der Spruch, du kannst den Fan aus dem Verein entfernen, aber nicht den Verein aus dem Fan. "E Levve Lang", ist für die ernst gemeint.


http://www.augsburger-allgemeine.de/img/20148576-1337114543000/topTeaser_crop_Fortuna-D-sseldorf-Hertha-BSC.jpg

Wer solche Straftaten begeht wird dafür von der Justiz angemessen bestraft werden, das muss so sein.

Zur Vermeidung derartiger Taten taugen die Mittel der Justiz allerdings nur bedingt bis gar nicht. Zur Vermeidung müssen die Vereine bei allem
Verständnis für den Vereinspatriotismus und das Profitdenken vor allem verbal und medial abrüsten. Fußball ist kein Krieg, sondern ein Sport. Also sollte er auch als Sport inszeniert werden und nicht als Schlacht. Werbesprüche wie " die Mutter aller Schlachten" und ähnlicher Unfug
müssen genauso verschwinden, wie alles was im Vorfeld die Emotionen der emotional gestörten Fanatiker aufputschen könnte. Auch die Medien, ob es nun die Boulevardpresse oder die TV-Sender sind, könnten einmal versuchen, den Fußball als sportliche Veranstaltung und nicht als
Religions- oder Kriegsersatz zu präsentieren. Oder aber, wenn sie das aus wirtschaftlichen Gründen nicht wollen, einfach dazu stehen, dass
auch die Krawalle wieder prächtig zu vermarkten sind.

Die Vereine, die ja bei vernünftigem Wirtschaften nicht übel verdienen, sollten deutlich mehr Zeit und Geld in Fanprojekte stecken, um auch und
gerade mit den Fanatikern ins Gespräch zu kommen. Ihnen klarmachen, dass Mönchengladbach oder Düsseldorf nicht Ausgeburten des Teufels sind,
sondern einfach andere Vereine, die den gleichen Sport betreiben. Dass es ohne Gegner auch kein Spiel gibt und vor allem das Fußball ein Spiel
ist. Ein faszinierendes Spiel manchmal, aber ein Spiel.

P.S.: Eine Fan-Aktion wie 1. FC Köln gegen Gewalt auf facebook
https://www.facebook.com/1FcKolnGegenGewalt

mag Sinn machen, solange dort nicht zur Gegengewalt aufgerufen wird. Facebookgruppen neigen halt leider zur verbalen Eskalation. Aber das ist wieder ein anderes Thema. Schaun mer mal.

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