Samstag, 18. August 2012

Männerpension statt Mädchenpensionat – von RA HEINRICH SCHMITZ

Über den Strafvollzug in Deutschland


http://www.leo-magazin.de/typo3temp/pics/6961d36deb.jpg

Wenn Sie schon mal im Knast gesessen haben, brauchen Sie nicht weiterzulesen. Dann ist das alles nichts Neues für Sie. Wenn Sie glauben, der Strafvollzug in Deutschland sei viel zu lasch und den Gefangenen ginge es dort viel zu gut und sich von dieser Meinung nicht abbringen lassen wollen, lassen Sie es besser auch bleiben. Hier geht es
um den Knast und seine Insassen, um die Realität des deutschen Strafvollzugs.

Bernd Busemann, niedersächsischer Justizminister (CDU), kann mit dem Zustand des deutschen Strafvollzugs "gut leben". Er sitzt ja auch nicht
drin, sondern diesem nur als einer der verantwortlichen Länderminister vor.

Anlass für die frohgemute Äußerung des Ministers ist eine Studie über "Viktimisierungserfahrungen im Justizvollzug " , die von Steffen Bieneck
und Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen erstellt wurde

http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/fob119.pdf

Was die Wissenschaftler dort herausgefunden und beschrieben haben, ist zwar für Menschen mit Hafterfahrung nichts neues, für alle anderen aber
ein verdammt guter Grund, sich einmal ernsthafte Gedanken zu machen.

"Es folgen körperliche Übergriffe (25,7%) und der Diebstahl von persönlichem Eigentum (20,3%). Mit gut 5 Prozent (bzw. 194 Vorfällen) wurden sexuelle Übergriffe von den männlichen Teilnehmern am seltensten berichtet. Die weiblichen Studienteilnehmer geben für den Monat vor der Befragung ebenfalls an, am häufigsten indirekte (63,5%) und verbale Auseinandersetzungen (40,1%) erlebt zu haben. 16 Betroffene (3,6%) berichteten von sexuellen Übergriffen. Indirekte Gewalt und verbale
Übergriffe dominieren auch bei den Jugendlichen,*zudem berichtet fast die Hälfte der Befragten (49,0%), mindestens einen physischen Übergriff erlebt zu haben*. ." (Seite 10 der Studie)

Und was fällt dem guten Herrn Busemann dazu ein ? Nur, "dass ein Knast eben keine Mädchenpension sei " und er gut mit dem Zustand leben kann.
Wow, was für eine tiefschürfende Reaktion.


https://service.gmx.net/de/cgi/g.fcgi/mail/sent?sid=babhdfg.1345284195.3313.rqsycos0jb.75.hdj

Stellen Sie sich einmal vor, sie hätten einen 16-jährigen Sohn, der z.B. auf die glorreiche Idee gekommen ist, sich mit dem Handeln von Drogen
sein Taschengeld aufzubessern. Sie bekommen natürlich von alledem nichts mit und sind deshalb ziemlich vor den Kopf geschlagen, wenn plötzlich
die Kripo anruft und ihnen mitteilt, dass ihr Sohn festgenommen wurde, weil er mit einer anständigen Menge Speed erwischt wurde. Je nachdem welche Menge, welche Qualität und welcher Richter und so weiter, kann das schon für eine Jugendstrafe reichen. Ist ja auch o.k., er hat ja ein Verbrechen begangen.

Trotzdem lieben Sie Ihren Sohn ja normalerweise
trotzdem. Und dann ist er in der Jugendstrafanstalt um seine Strafe zu verbüßen. Natürlich besuchen Sie ihn regelmäßig und irgendwann sehen sie ein paar blaue Flecken oder ein blaues Auge.

"Von den Jugendlichen berichtet zwar auch mehr als die Hälfte der Befragten von Wut und Zorn, darauf folgen jedoch unmittelbar körperliche
Symptome wie blaue Flecken, Prellungen und Schmerzen. "(Seite 16 der Studie)

Ja, er habe sich gestoßen, sei in der Dusche ausgerutscht oder gegen einen Türrahmen gelaufen, alles nur Unfälle. Beim nächsten Besuch ist er
noch merkwürdiger, still, weint vielleicht ein bisschen. Was ist los, werden Sie fragen. Nichts. Nichts, frag nicht.


http://www.nw-news.de/_em_daten/_nw/2009/09/11/090911_1904_knast.jpg

"Die Jugendlichen verzichten dagegen mehrheitlich darauf, andere Personen ins Vertrauen zu ziehen." (Seite 18 )

Ihr Junge sitzt seine Strafe ab. Er ist nicht freiwillig in der Jugendstrafanstalt. Er wurde verurteilt. Aber er wurde zu einem
Freiheitsentzug verurteilt, nicht zu Prügeln, Misshandlung und Vergewaltigung, Drogenmissbrauch, Raub um Erpressung. Er befindet sich in der zwangsweisen Obhut des Staates. Eines Rechtsstaats. Um erzogen zu werden, re-sozialisiert, manch einer auch um überhaupt erstmals sozialisiert zu werden.

Und dann landet er in einer Einrichtung, in der jeder zweite in den letzten vier Wochen was auf die Fresse bekommen hat, mindestens. Na das
wird ja lustig mit der Sozialisation. Da kann man echt was fürs Leben lernen. "Schlag zu, bevor du geschlagen wirst !", "Verbünde dich mit dem
brutalsten !", "Wenn die Schmerzen zu groß werden, versuch's mal mit Heroin !" und vor allem, "Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner."

Der Staat lässt dich im Stich !

Wenn es das ist, was wir von einem Strafvollzug erwarten, dann kann man da prima mit leben. Wer diese Strafvollzug genießen durfte, der wird
sich draußen durchzusetzen wissen.Allerdings eher im kriminellen Milieu. Der hat keinen Grund, die Strafe als Lehre zu begreifen, es zukünftig
anders zu machen. Der wird den Staat hassen, weil er ihn nicht beschützt hat. Der wird eher um sich schießen, als sich nochmal einsperren zu lassen.

Es ist einfach, den Haftanstalten Versäumnisse vorzuwerfen, ganz einfach. Aber auch das ist viel zu kurz gesprungen. Um das, was eigentlich erforderlich wäre, nämlich zunächst einmal die Sicherheit eines jeden einzelnen Gefangenen vor Übergriffen der anderen zu gewährleisten, braucht es ein grundsätzliches Umdenken. Die JVA leiden
unter Personalmangel, insbesondere gut ausgebildetes Wachpersonal, Sozialarbeiter und Psychologen gibt es viel zu wenige.

Das vorhandene, mies bezahlte und ausgebildete Personal ist permanent überfordert, guckt
zwangsläufig auch gerne mal weg. Dass jemand diesen Beruf als Berufung empfindet, habe ich bisher noch von keinem gehört. Ein Traumberuf ist
das schon gar nicht. Der Beruf des Justizvollzugsbeamten ( im Volksmund
auch gerne Wärter genannt ) ist auf der Liste der tausend Traumberufe sicher nicht verzeichnet. Aber es wäre ein wichtiger Beruf, der bei
vernünftiger Bezahlung und guter Ausbildung gesellschaftlich wirksam sein könnte. Der ein anderes Image braucht, als das des Schließers.

Dafür muss man Geld ausgeben, das Personal aufstocken, die Anstalten modernisieren. Diese Geld wäre richtig gut angelegtes Geld, weil es dazu beitragen würde,Gefangene aus dem Drehtüreffekt herauszuholen, aus jungen nicht nur alte Straftäter zu machen, sondern Menschen, die auch außerhalb des Knastes existieren können, die einen Beruf lernen, arbeiten, Steuern zahlen usw.



http://bandworm.de/cp/images/weiterstadt_DW_Poli_416514p.jpg

Die Studie wäre für einen verantwortlichen Minister ein schöner Aufhänger gewesen, dieses Thema auch in der Öffentlichkeit zu verbreiten
und da vehement mehr Geld für die ohnehin unterkapitalisierte Justiz einzufordern. Eine überparteiliche Initiative starten, das Land sicherer machen, Menschen helfen sich zu ändern. Busemann wäre mein Held gewesen. Statt dessen faselt er nur davon, dass der Knast keine Mädchenpension ist und das soll's dann gewesen sein.

Damit kann Herr Busemann gut leben - ich nicht.

von RA Heinrich Schmitz

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