Mittwoch, 16. November 2011

FREMDSCHAM ODER VOLKSSCHAM?

"Das ist eine Schande, das ist beschämend für Deutschland" sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und sie meint damit die Mordtaten der Thüringer Nazis.

Die auch in Deutschland mit hohen Auflagen vertriebene türkische Zeitung Hürriyet titelt am Folgetag: Deutschland schämt sich!“ Denn die Schlagzeile: „Deutschland sollte sich schämen!“ hatte Merkel ja erfolgreich diplomatisch verhindert.



Jetzt frage ich mich aber, was der Anlass sein sollte, mich zu schämen. Ich schäme mich nicht für Nazis, nicht für organisierte Kinderficker, nicht für mordende Drogenkartelle und nicht für sonstige kriminelle Vereinigungen. Ich finde es furchtbar. Ja. Kriminell. Aber das hat mit Scham überhaupt nichts zu tun!

Das sind in diesem Falle Schwerkriminelle aus den neuen Bundesländern, die mordend durch Deutschland ziehen. Wo bitte ist bei den Killern aus Thüringen eine einzige ernstzunehmende politische Botschaft analog irgendeiner Befreiungsbewegung oder der RAF abzulesen, die rechtfertigt, diesen Schwerbrechern irgendeine politische Motivation zu unterstellen?

Was kann daran politisch sein, türkischstämmige deutsche Imbissbesitzer, die in harter Arbeit für ihre Familien ein paar Mark verdienen, zu killen? Gar nichts! Der politische Hintergrund beispielsweise von RAF Anschlägen ist nicht weniger verwerflich, aber die Ziele sind schlüssig auf politische Überzeugungen ableitbar.

Was ich viel beunruhigender finde, ist:

1. Die sofortige Forderung unser Politiker, erneut NPD-Verbotsverfahren einzuleiten.

2. Die Falschbenennung von Schwerverbrechen als rechtsextremen Terrorismus – dafür haben die RAF-Leute lange und vergebens gekämpft, nämlich überhaupt als „Politische“ wahrgenommen zu werden: Die Täter hier bekommen eine solche Klassifizierung nun noch "unverdienterweise" hinterhergeschmissen.

3. Die Forderung nach einer verfassungswidrigen Verzahnung von Polizei und Verfassungsschutz.

4. Die sofortige Forderung nach restriktiveren Internetkontrollen

usw.

Eine rechte Schande ist doch, wie hier Regierende und andere Verantwortliche den Eindruck erwecken, sie würden auf Rechnung von Mördern politische Ziele durchsetzen wollen. Im selben Maße bedenklich ist die Rolle des Verfassungsschutzes. Ich habe mich mit Freunden, noch bevor der Verdacht überhaupt öffentlich wurde, gefragt, was der Verfassungsschutz denn in dem Zusammenhang mit seinen V-Leuten gemacht hat, das man von all dem nichts gemerkt haben will. Also doch nur Kriminelle? Oder Kriminelle die man vorsetzlich politisiert hat?

Und man fragt sich dann noch weiter, ob nicht vielleicht sogar die wenigen politisch-intelligenten Formen des rechten Wahnsinns nicht ebenfalls von Diensten souffliert wurden. Das ist schlimm. Und das viele heute so denken ebenfalls. Wo leben wir denn, das die Annahme, der Staatsapparat könnte in etwas so Furchtbares verwickelt sein, schon zum Denkbaren wird?

Zur Erinnerung: Die letzten Verbotsverfahren betreff NPD sind doch an der irritierend hohen Zahl der V-Leute überhaupt erst gescheitert.

Der lächerliche Versuch, nun nach hinten raus so zu tun, als wären diese V-Leute schon vor der Anwerbung sowieso Nazis gewesen, ist doch ebenfalls hanebüchen.

Ich bin überzeugt: Wer sich für diese Verbrechen schämt (noch dazu stellvertretend für ein ganzes Land) anstatt seine Kraft darauf zu konzentrieren, sie mit aller Härte zu verfolgen und als das zu verurteilen, was sie sind: Schwerkriminell, der gibt Anlass für Scham.



Das ist sogar eine unappetitliche Legitimation, weil es eine irre und kranke Tat zu etwas erklärt, das auf irgendeine Weise mit Deutschland, oder sogar mit einem deutschen Wesen deckungsgleich sein soll. Aber das ist natürlich kompletter Unsinn. Und dafür könnte man sich dann tatsächlich und mit Fug und Recht schämen.

Und sich ganz verschämt fragen, ob nicht gerade dieses reflexartige Verhalten unser Politiker und ihrer Claqueure, solche Taten auch denkbar gemacht haben. Sprich: die verstörende Annahme, solche Taten könnten eventuell explizit im deutschen Wesen verankert sein.

Was aus dem europäischen Gedanken geworden ist, wissen wir heute: Eine Geldmaschine für internationale Banken und ihre Eigner.

Was aus Deutschland werden soll, steht seit der Verfassungsänderung vom 25. Dezember 1992 im Artikel 23 der Deutschen Verfassung.

Was deutsche Politiker vom "Deutschen Volk" halten, wissen wir, seit politische Entscheider wie Ruprecht Polenz im Facebook aktiv sind und sich dort nicht so zurückhalten können wie auf der politischen Bühne gelernt, weil auch sie dem "Facebook-Sog-hin-ins-Private" erliegen.

Und das klingt dann in Etwa so: Volkszugehörigkeiten gelten nur noch übergangsweise zum Schutz der Kultur von eingewanderten Ethnien und sind ansonsten ersatzlos zu streichen. Wir sind jetzt Staatsbürger eines Deutschlands, das auf der harten hölzernen Bank vor dem EU-Kommissariat sitzt und auf seine EU-Einbürgerung wartet.

Und um wieder zurück zum Eingangsthema zu kommen: Nein, ich schäme mich nicht. Nicht als Deutscher oder dafür Deutscher zu sein, nicht für Kinderficker, nicht für Mörder, nicht für Kriminelle. Denn das würde eine explizite Zugehörigkeit voraussetzen. Oder eine familiäre Bindung. Und die besteht nicht.
Auch nicht wenn es ums Deutsche an sich geht: Rein rechtlich nicht mehr nach Art 21 und seit Sarrazin ist ja auch alles Genetische Pfui.

Ich teile mit diesen Mördern keine innere Haltung und selbstverständlich auch keine gesonderte Verantwortung. Ebenso wenig, wie ich sie mit irgendeinem Sniper oder Massenmörder in den USA oder sonstwo teile. Ich teile eine Verantwortung als Mensch. So wie jeder andere auch.

EIN EXPERTE SIEHT ROT

Und wieder beste Werbung für einen der besten Anwälte. Schmitz Thema diesmal: Schuld und Sühne. Opfer und Täter. Mich erinnerte der Text Anfangs etwas an Hubertus von Lobensteins social-media-experten-Text. Dort beklagt der, das es viel zu viele selbsternannte Experten gibt.

http://von-lobenstein.posterous.com/botschaft-an-den-unbekannten-social-media-exp

Für Hubertus gilt dann allerdings das Selbe, wie für Heinrich: Wenn Ihr die Experten seit, dann macht es besser. Wir schauen dann mal.





Ein Pädagogikexperte sieht rot

von RA HEINRICH SCHMITZ



Unter der Überschrift "Unsere Justiz denkt an den Täter, nicht ans Opfer" kann man bei welt-online einen bemerkenswerten Kommentar des Pädagogikexperten und früheren Gymnasiallehrers Rainer Werner lesen:

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article13713620/Unsere-Justiz-denkt-an-den-Taeter-nicht-ans-Opfer.html

Bemerkenswert nicht, weil er sich besonders kenntnisreich mit unserer Strafjustiz auseinandersetzt, sondern weil in bemerkenswerter Weise zeigt, dass es in Deutschland eine Meinungsfreiheit gibt, die es Menschen ermöglicht ohne jede Sachkenntnis über Sachverhalte zu schreiben, deren Grundlagen sie offenbar nicht erkannt haben und die sie auch gar nicht interessieren.

Es beginnt mit der einzig richtigen Feststellung in der Überschrift. "Unsere Justiz denkt an den Täter, nicht ans Opfer"
Ja, das stimmt, dass unsere Justiz im Strafverfahren an die Täter denkt. Dass das auch so sein muss, ergibt sich aus dem Sinn des Verfahrens - es dient nämlich dazu, zum einen die Schuld des Täters festzustellen und zum anderen für diesen eine angemessene Strafe zu finden. Wie sollte das gehen, wenn die Justiz nicht an den Täter denkt ?

Dann reiht Werner Fehler über Fehler aneinander.

"Strafe diente früher der Sühne einer begangenen Tat. Heute geht es einzig um die Resozialisierung des Täters. "
- Falsch. Resozialisierung ist ein Strafzweck, aber bei weitem nicht der einzige. Spätestens seit der präventiven Vereinigungstheorie ( Roxin, 1966) hat das Strafrecht verschiedene Zwecke. Durch die Strafdrohung des Gesetzes soll Abschreckung entstehen, durch die konkrete Strafverhängung positive und negative generalpräventive sowie positiv spezialpräventive Wirkung auf den Täter erzielt werden, d.h. dem Täter soll durch die Strafe klargemacht werden, dass er Unrecht begangen hat und er soll dazu gebracht werden künftig kein Unrecht mehr zu begehen. Dass dazu vor allem eine (Ren)Sozialisierung des Verurteilten dienen kann, ist unabweisbar.

"Heute fragt jedes Gericht nach der sozialen Indikation von Verbrechen. Gutachten beleuchten das soziale Umfeld und zeichnen das familiäre Schicksal des Täters nach."



- Ja was denn sonst möchte man rufen. Wenn das Gericht nicht die Ursachen für eine Straftat ermittelt, kann es auch nicht zu einer Schuld angemessenen Strafe gelangen. Es ist ein Unterschied, ob ein pensionierter Gymnasiallehrer mit einer lupenreinen Biographie aus plötzlicher Laune heraus eine Straftat begeht oder ob der Täter in seiner Kindheit vernachlässigt, misshandelt oder von seinem Lehrer missbraucht wurde. Wenn das Gericht sich mit diesen Umständen nicht mehr beschäftigen soll und sein Urteil nur noch aufgrund äußerer Umstände, wie z.B. Überwachungs-videos sprechen soll, ist es mit der Schuld angemessenen Strafe nicht mehr weit her.
"Im Jugendstrafrecht überwiegt der erzieherische Gedanke. Die Hürde für die Verhängung einer Haftstrafe für Jugendliche ist hoch. Straffällige Jugendliche werden eher zu Sozialarbeit beim Roten Kreuz verpflichtet, leisten gemeinnützige Arbeitsstunden bei den Arbeiter-Samaritern ab oder werden in Box-Camps untergebracht, wo sie lernen, ihre Aggressionen in sozial verträglicher Form abzureagieren. "
- Richtig ist, dass Jugendstrafrecht in erster Linie Erziehungsstrafrecht ist und auch sein muss. Jugendliche sind eben noch nicht fertig sondern in besonderem Maße erziehbar. Dass das von einem Ex-Lehrer offenbar bezweifelt wird , ist seltsam. Es ist aber nicht so, dass ein Jugendlicher, der eine schwere Straftat begangen hat lediglich mit Sozialstunden davon käme. Das ist ein beliebtes Märchen. In § 17 JGG, der die Voraussetzungen der Jugendstrafe benennt heißt es:

"Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist."
Wenn also eine schwere Schuld des Täters festgestellt wird, gibt es Jugendstrafe auch, wenn diese pädagogisch vielleicht gar nicht nötig wäre. Und - man glaube einem alten Strafverteidiger - diese Jugendstrafen werden tatsächlich verhängt und verbüßt.


"Gerne zitieren Kriminologen eine Statistik, der zufolge 70 Prozent aller jugendlichen Straftäter, die eine Haftstrafe verbüßt haben, rückfällig werden. Aus dieser Zahl leiten sie die Forderung ab, eine Inhaftierung möglichst zu vermeiden und stattdessen erzieherische Maßnahmen zu verordnen." -

Wenn Jugendstrafe zu einer höheren Rückfallquote führt als andere Maßnahmen, dann ist deren Vermeidung ein Gebot der Vernunft.

"Sieht man im Bösen hingegen eine Grundkonstante des menschlichen Seins, macht man den Menschen für seine Taten verantwortlich und nimmt ihn dafür in „Haftung“. "

Ganz ehrlich, ein Pädagoge der "im Bösen eine Grundkonstante des menschlichen Seins" sieht , ist mir nicht geheuer, aber o.k., jeder hat so seine Grundsätze. Dass man aber "das Böse" mit harten Strafen aus dem Täter vertreibt ist Wunschdenken und durch nichts belegt. LÄnder mit härteren Strafen bis hin zur Todesstrafe haben nicht weniger Kriminalität.



Ich habe in meiner ca. 25-jährigen Zeit als Strafverteidiger unzählige Jugendliche und auch Erwachsene verteidigt. Nur wenige von diesen Tätern hatten eine "normale" Sozialisation. Die meisten waren bereits in ihrer Kindheit auf unterschiedlich Weise Opfer von körperlicher oder gar sexueller Gewalt, Alkoholmissbrauch der Eltern, emotionaler Verarmung oder ähnlicher misslicher Umstände. Diese Menschen für eine Straftat mit der gewünschten "empfindlichen Haftstrafe" zu belegen wäre in den allermeisten Fällen kontraproduktiv gewesen. Es ist häufig nötig, diesen Menschen zuerst einmal das Gefühl zu geben, dass ihnen, auch in Ansehung ihres persönlichen Schicksals und trotz der von ihnen begangenen Straftat ein Wert als Mensch zukommt, dass sie zwar eine gerechte Strafe für ihr Fehlverhalten zu erwarten haben, dass das aber nicht bedeutet, sie würden verdammt. Über das von Herrn Werner erkannte überbordende Selbstbewusstsein verfügen die wenigstens, die zur Schau gestellte coolness vor Gericht, ist meistens nur eine Form von Selbstschutz eines Menschen ohne jedes Selbstwertgefühl.

Es ist so einfach, nach harten Strafen zu rufen, wer aber wirklich will, dass weniger Kriminalität entsteht, der kommt nicht umhin sich mit den gesellschaftlichen Ursachen und den individuellen Lebensschicksalen der Täter zu beschäftigen.
Alles andere ist dummes Geschwätz und billige Propaganda.

von RA HEINRICH SCHMITZ

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