Samstag, 21. Januar 2012

Individualitäten im deutschen Kollektivismus



„Die Ähnlichkeit und Gleichmacherei sind das Merkmal schwacher Augen.“ Nietzsche

Die WELT hat einmal behauptet: „Die Deutschen sind ein Haufen Individualisten!“ Auf der gegenüberliegenden Seite leben die Kollektivisten. Und die bekommen im word-Schreibprogramm die rote Welle. Ungeschrieben, ungebraucht, also falsch.

Aber was wäre, wenn die WELT irrt und die Deutschen ein Haufen von Kollektivisten sind?
Vieles spricht sogar dafür. Individualismus in Deutschland in seiner erlebbaren Ausprägung unterstützt die These.

Warum? Weil er kein individuelles System von Werten und Normen formuliert. Individualität markiert heute viel mehr Schrulligkeiten oder exotisch-dekorative Verhaltensweisen. Nicht der Konflikt oder die Auseinandersetzung zeichnet diese Individualität aus, sondern die besetzte Nische.

Individualität ist „E-Zigarette rauchen“ oder „vegan leben“. Oder im anderen Extrem: Ganzjähriges Garten-Kampfgrillen und die konsequente Verweigerung Müll zu trennen, als wäre es Brandzeichen eines Kollektivismus, seine Joghurtbecher im gelben Säckchen zu entsorgen. Aber das alles hat ja mit Individualität nichts zu tun.



Individualität ist nur mehr zur gesellschaftlichen Pflichtaufgabe verkommen.

Und das beginnt schon bei der Erziehung der Jüngsten: In modernen integrierten Gesamtschulen beispielsweise hat das Augenmerk auf individuelle Entwicklung den höchsten Stellenwert. Das geht so weit, das sogar soziale Kompetenz, also ein zutiefst kollektivistisches Merkmal Teil der Individualerziehung geworden ist.

Aber es kann ja nicht sein, das sich Individualität am Maß der Anpassung misst. Das ist blanker Unsinn mit Folgen: Alberner Surrogat-Individualismus in allen erdenklichen und unerdenklichen Daseins-Formen spricht eine entlarvende Sprache. Und so entlarvend, so unkonkret ist das Bild.

Klar, jetzt könnte man eifrig behaupten: Facebook und Co sind schuld! Und wer würde widersprechen, wenn man im permanenten Abgleich mit „Freunden“, also „Gleichgesinnten“ den Feind des Individualismus identifiziert. Aber die Sache sitzt ja tiefer.

Aktuell habe ich Christiane Pauls „Das Leben ist eine Ökö-Baustelle“ auf dem Tisch. Man könnte meinen, die erfolgreiche deutsche Schauspielerin verkörpere schon alleine ihres Erfolges und ihrer prädestinierten Tätigkeit wegen Individualität. Was also bitte mag Sie veranlasst haben, immerhin zusammen mit Peter Unfried das weibliche Pendant zu Unfrieds „Öko“ zu schrieben?

Hier wird doch auf klarste Weise sichtbar, auf welche Weise sogar unsere Vorzeige-Individualisten von einer Sehnsucht nach Kollektivismus beseelt werden. Und damit sich dieser Verdacht gar nicht erst erhärtet, steht dann in dicken Lettern auf dem Buchrücken: „Man darf nicht alles hinnehmen, wie es ist!“

Aber wie viel Leitbild, Anecken und Protest steckt überhaupt in der Ökofibel, von deren Cover die Schöne so hinreißend spitzbübig lächelt? Tatsächlich heißt es dann auch im Vorwort: „Was mich um- und antreibt (...) hat (...) damit zu tun, das ich mich als Teil unserer Gesellschaft fühle, eine Wohlstandgesellschaft, in der ich Verantwortung übernehmen möchte.“



Ha! Wer bitte möchte da entscheiden, ob das nun ein Anflug von Individualismus oder eine kollektivistische Äußerung ist?

Aber es macht klarer, um was es geht: Wahrer Individualismus verlangt ein abgegrenztes Weltbild. Ein von eigenen Normen und Werten geprägtes Lebensmodell. Oder noch einfacher: Eine klare Positionierung, die alles sein kann. Aber eines nie darf: den Abgleich suchen mit Gegebenheiten. Mit dem Möglichen. Dem Machbaren. Was natürlich nicht heißt, das Individualität den gesellschaftlichen Konsens auf Teufel komm raus verweigern muss. Aber sie sollte nicht jedes Mal manisch mit ihm ins Bett steigen.

Mein Freund Ingo Niermann sagt dazu:
"Alexander, was du als Pseudo-Individualität beschreibst, ist ganz einfach das bürgerlich-christliche Verständnis von "Individualität": aus innerem Antrieb heraus zum gleichen Ergebnis zu kommen. 2+2 ist ja auch für alle 4. "Individuell" ist dagegen, wenn du an deine 2 noch ein Kringelchen dranhängst."

Und hier das Buch von Christiane Paul und Peter Unfried:
http://www.amazon.de/Das-Leben-ist-eine-%C3%96ko-Baustelle/dp/3453280210/ref=sr_1_cc_1?s=aps&ie=UTF8&qid=1327148915&sr=1-1-catcorr

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