Dienstag, 17. Januar 2012

„"Wo gehn wir denn hin?" - "Immer nach Haus!""



Deutschland-Trilogie Teil III

Die dringende Frage nach der Wulff-Debatte heißt nicht, welches Deutschland wir wollen, sondern ob wir Deutschland überhaupt noch wollen und was die Alternative wäre.

Ja doch, das klingt zunächst wie Hammer auf Amboss, taugt aber zur sinnvollen Zusammenfassung eines kompliziert gehaltenen Problems. Und ist die Frage erst einmal heraus, sehen die Reaktionen nicht selten so aus als hätte man mit der Frage nach Deutschland die Büchse der Pandora geöffnet.

Trainiert an Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ bricht ein Geschrei los, als wäre das personifizierte Böses thematisiert. Wenn aber schon die Frage nach Deutschland allein für viele revanchistisch klingt, erzählt das mehr als eine schuldig gebliebene Antwort. Die Aussage „Ich bin Deutsche/-r“ klingt wie verkopfte Gesinnung und nicht wie emotionale Zugehörigkeit.

Die wohl häufigste Antwort auf die Frage, was bedeutet Dir eigentlich Deutschland, lautet heute: „Das ist mir nicht so wichtig.“ Gerne nachgelegt wird: „Was soll eigentlich dieses ständige Palavern über Deutschland?“

Selbst dann, wenn man gemütlich beim Essen sitzt und eigentlich über alles und nichts gesprochen hat, nur nicht über Deutschland. Deutschland ist also kein Thema. Und die Abwehr einer Auseinandersetzung wird vielen zur Prophylaxe wie die Betonung der Gleichgültigkeit zur Litanei wird.

Wäre da nicht bloß immer diese Unwucht zu spüren. Diese Sehnsucht nach Lässigkeit im Umgang mit Nation und Zugehörigkeit. Die Büchse der Pandora ist ja in Wirklichkeit ein Gordischer Knoten. Also nochmal die Frage: Was bedeutet Ihnen Deutschland? „Nichts“ kratzt an der Zweidrittelmehrheit. Das bedarf kaum einer seriösen Umfrage, da reicht schon der Lackmustest im Großraumbüro.

Viel erstaunlicher an diesem „Nichts“ ist übrigens die allgemeine Zustimmung, die eine fehlende gesellschaftliche Ächtung dieses „Nichts“ komplett ersetzt hat.

Die Ersatzfrage nach einem "Zugehörigkeitsgefühl" wird da schon mit größerem Interesse weiterverfolgt. Generell kann man dann zunächst feststellen, dass sich die Intensität von Zugehörigkeit proportional zum Sinken der umgebenden Quadratkilometerzahl verhält.



Erstaunlich ist die Tatsache, dass Globalisierung, Internet und Social Media – kurz das weit geöffnete Fenster zur Welt und zu den Menschen in dieser Welt – daran überhaupt nichts geändert haben. Die eigene Wohnung, die Straße, der Ort, in dem man lebt, sind unabhängig von einem völlig neuen Weltverständnis Hort der Geborgenheit geblieben. Allerdings einer, der sich schamvoll einem Bekenntnis entzieht.

Heimat wird ganz augenscheinlich unabhängig von politischen oder gesellschaftlichen Verhältnissen wahrgenommen, gefühlt, gelitten. Hat aber heute den Status von etwas fast Pornografischem. Oder milder: Wie eine Zärtlichkeit, die in der Öffentlichkeit verpönt ist. Sicher liegt das auch daran, das es scheinbar so etwas wie eine räumliche Begrenzung für Heimatgefühle gibt.

Dabei ist Heimat nie Staat oder Land. Liegt es schlicht daran, das die deutsche Kriegserfahrung bei Millionen deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen eine Erfahrung hinterlassen hat, die heute Teil einer gesamtdeutschen oder gar europäischen Befindlichkeit geworden ist? Im Sinne von: Der Staat führt Kriege, die Heimat vernichten. Ergo sind Staat und Heimat nicht identisch?

Oder näher am Menschen: Die Großmutter, die auch auf Besuch nie mehr nach Ostpreußen zurück wollte, hat das so einfach begründet: „Heimat – das sind die Menschen. Die Landschaft allein reicht dafür nicht.“


Die Antwort auf die Frage, was uns Deutschland bedeutet, muss demnach letztlich eine intellektuell zu beantwortende Frage sein. Und es ist also zunächst überhaupt kein Beinbruch, sie auf der emotionalen Ebene mit „Nichts“ zu beantworten. Denn die Überlegung, welches Deutschland wir wollen, verlangt eine komplizierte und in der deutschen Geschichte möglicherweise zu oft überstrapazierte Entscheidungsfindung.

Heimatgefühle sind also eher emotionaler Natur. Die Sicherung der Heimat in einem übergeordneten Staatengebilde ist dem folgend nicht automatisch mit einer Liebe zu diesem künstlichen Schutzgebilde verbunden. Eigentlich sogar im Gegenteil. Die Liebe zu Staat und Vaterland ist bereits eine verkopfte, die wunderbar, aber eben manchmal auch ganz furchtbar sein kann.

Da, wo man sich nicht erklären muß.“
Johann Gottfried von Herder

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