Dienstag, 14. Februar 2012

"Das Bild hängt schief!"

Die neue SUBWAY Kolumne MÄRZ 2012 nochmal abschließend zur Debatte Ölgemälde "Brennendes Braunschweig"



Loriot als spießiger Vertreter, der nur „das schief hängende Bild“ gerade rücken wollte und dabei ein Chaos anrichtet, kennt jeder. Ja, das war Loriots großes Thema: das Scheitern des deutschen Kleinbürgers, der immer nur alles ganz korrekt machen wollte. Die Botschaft des Kult-Sketches:  „Kümmere Dich um Deinen Krempel!“ Und da sind wir schon mitten im Thema: Was ist eigentlich unser und was der Krempel der anderen?

Für ein paar Braunschweiger wurde der Öffentlichkeitsbereich der Landessparkasse Braunschweig nun zum Loriotschen Wohnzimmer. Schuld daran: Ein dorthin umgehängtes Ölgemälde. Nicht schief, sondern ganz gerade. Und gemalt vom Braunschweiger Maler und Nationalsozialisten Walther Hoeck , der längst tot ist und dessen Namen sich keiner gemerkt hat. Regional bekannt geblieben ist sein Bild „Brennendes Braunschweig“.

Es zeigt – aus der Ferne gemalt – den Widerschein jenes Bomber-Feuersturms, der Braunschweig 1944 in Schutt und Asche legte. Man sieht einen kilometerhoch aufsteigenden, vom lodernden Feuer darunter hell erleuchteten Rauchpilz. Ein eindrucksvolles Infernal. Eine Feuersbrunst, die in flackerndem Orange, Rot und Grellgelb diese monströse, hochstehende Wolke phosphorisiert.

Das Gemälde wurde den älteren Bürgern zum festen Teil ihrer Erinnerung an das, was zweihunderttausend Phosphor- Brand- und Sprengbomben anrichten können. Aber das ist für Jüngere heute gefühlt so lange her, wie Napoleon oder Goethe. Geschichte halt. Manchmal langweilig, manchmal spannender – je nach Unterricht und Lehrer.

So machten Generationen von Braunschweiger Schülern im Museum vor diesem Bild halt, wie vor anderen Erinnerungsstücken auch, die der Krieg vor fast 70 Jahren übrig gelassen hat. So weit so traurig, aber auch schon so lange her, das es wohl diejenigen emotional am stärksten berührt, die das Sterben der Stadt miterlebt haben.

Nun aber wurde „Brennendes Braunschweig“ in die Bank an der Dankwardstraße umgehängt und geriet dort auf einmal mächtig in Schieflage. Proteste wurden laut und jeden Tag etwas lauter. Die Ratsfraktion der GRÜNEN forderte den Bankdirektor gar in einem offenen Brief auf, das Bild abzuhängen oder mindestens von einer Faschismus-Aufarbeitungs-Ausstellung begleiten zu lassen.

Wortwörtlich hält man es für „unumgänglich, das Bild und seinen historischen Hintergrund - die Bombardierung Braunschweigs im Oktober 1944 als Folge des von Hitler-Deutschland entfachten Zweiten Weltkriegs mit all seinen monströsen Begleiterscheinungen (Auschwitz!) - aufzuarbeiten, um der Gefahr der Entstehung eines möglichen "Opfermythos" vorzubeugen.“

Aha, die Kontext-unfähigen Braunschweiger Bürger laufen also beim Betrachten des Bildes Gefahr, einem Opfermythos zu erlegen. Das ist überheblich. Meinungshoheit. Und das sind harte Geschütze. Und für so einen Bankdirektor, der heutzutage eh schon Schuld an der Finanzkrise sein soll, an Griechenland – und an unseren leeren Portemonnaie sowieso – ist das die Höchststrafe.

Und es ist natürlich auch ein großer Quatsch, denn das besagte Gemälde ist ja längst nicht mehr Hoecks Gemälde, sondern das aller Braunschweiger, die es an eine dunkle Stunde ihrer Stadt erinnert. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Hey, wo soll die Gefahr auch herkommen?

Wir fahren ja auch weiterhin auf deutschen Autobahnen ohne gleich instinktiv den rechten Arm aus dem Fenster zu strecken, obwohl Hitler die Autobahnen für seinen Panzersturm auf ganz Europa gebaut hatte. Nein, das sind heute nicht mehr Hitlers Autobahnen, sondern unsere! Und heute transportieren darauf Menschen aus ganz Europa Waren und fahren in den Urlaub, ohne das man deswegen gleich an jeder Raststätte eine antifaschistische Mahnausstellung aufbauen müsste.

Unser Gemälde „Brennendes Braunschweig“ hängt also gut in der Bank, denn es bleibt auch dort Erinnerung und Mahnung zugleich. Was sollte sich auch daran geändert haben? „Brennendes Braunschweig“ ist Anti-Krieg. Klar, in Schieflage zwar, was seine Entstehung betrifft, aber kein Grund, deswegen Empörung zu verschwenden.

Kümmern wir uns also mal wieder um die Finanzkrise und ihre Folgen. Dass ist es, was wir den Bankenjungs in den Nadelstreifenanzügen nicht so einfach durchgehen lassen sollten.

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