Dienstag, 28. Februar 2012

Georg Diez feiert kein Ostern

„It's hard to say I'm sorry.“



Meiner Frau fällt es leichter mal „Entschuldigung“ zu sagen. Sie sagt dann einfach „Es tut mir leid.“ Gut, das muss nicht oft passieren, denn sie ist die Besonnenere. Klingt nach Klischee, ist aber so. Ich bin der Laute. Der Erregte. Der Empörte. Klar, damit schieße ich schneller übers Ziel hinaus. Meine Fehlerquote ist höher. Ich behaupte dann einfach öfter, das war ein Irrtum und keine Beleidigung. Ja, „ich habe mich geirrt, denn it's hard to say I'm sorry.

Was eine Beleidigung ist, erklärt Wikipedia an einem Beispiel unter der Rubrik „Strafbare Äußerungen“: „Aus Verärgerung über die Verspätung eines Fluges nennt ein Fluggast den Piloten „Busfahrer“ und meint dies ehrverletzend.“

„Busfahrer“ kann also – wenn es nur im richtigen Moment eingesetzt wird - eine strafbare Beleidigung sein.

Spannend an selber Stelle auch der strafrechtliche Tatbestand des „Publikationsexzesses“. Der meint nämlich, das ausnahmsweise auch die Äußerung eines wahren Tatbestands eine Beleidigung sein kann. Beispiel dort: „Ehrmindernde wahre Tatsachen werden öffentlich in einem Schaukasten ausgehängt, obwohl sie kein solches Gewicht haben, dass die Öffentlichkeit ein Interesse an der Unterrichtung hat, sogenannter Publikationsexzess.“

Deutlicher: „XY hat einen kleinen Schwanz!“, ausgehängt von einer Verflossenen samt Fotobeweis! ist dann eine Wahrheit, aber strafbar, weil diese Wahrheit durch den Aushang zum Publikationsexzess wird. Das lässt sich sogar noch steigern, wenn XY durchschnittlich oder sogar überdurchschnittlich gebaut wäre und die Verflossene via Photoshop den Hans zum Hänschen gemacht hätte.

„Publikationsexzess“ ist überhaupt ein schönes Stichwort, denn das ist so im Groben – und damit komme ich endlich auf den Punkt – was viele sehen, die mit der Debatte Kracht/Diez nichts anfangen können. Aktuell beschäftigen sich dutzende Artikel, hunderte Blogs und tausende Kommentare mit einem Spiegel-Artikel Georg Diez', dem „Rufmord“ an Kracht vorgeworfen wurde.

Über seinen Verlag Kiepenheuer & Witsch ließ der schweizerische Schriftsteller Christian Kracht ausrichten, er sehe sich derzeit außerstande, nach Deutschland zu kommen. Die Vorwürfe bedrückten ihn zu schwer. Gibt es den auch? Den Tatbestand der „Bedrückung“?

Oder ist „Bedrückung“ klassische Reaktion auf Beleidigung? Wenn meine Frau beleidigende Wahrheiten sagt, reagiere ich mit Bedrückung (Was natürlich nicht automatisch den Schluss zulässt, das ich unterdurchschnittlich gebaut wäre). Ich bin bedrückt, weil das gute Chancen auf dieses sanfte „Es tut mir leid!“ hat. Ja, es erzwingt es geradezu.



Also zusammengefasst um was es geht: Um einen Publikationsexzess. Um viel zu kleine und größere Pillermänner. Um komische Berliner und andere Journalisten. Um einen bedrückten schweizerischen Bestsellerautor und ein ausstehendes „Es tut mir leid .“

Nachdem Georg Diez Christian Kracht im Spiegel einen Rassisten schimpfte (Imperium sei durchdrungen von einer rassistischen Weltsicht. An Krachts Beispiel könne man sehen, wie antimodernes, demokratiefeindliches, totalitäres Denken seinen Weg findet hinein in den Mainstream.) folgte jetzt nach zwei Wochen Geschrei das bedrückt erwartete und in weiteren Publikationsexzessen eingeforderte „Es tut mir leid .“

Georg Diez schreibt also jetzt im Spiegel „Meine Jahre mit Kracht“ – das klingt nach Abschied. Nach letzten Worten. Nach verlorener Nähe. Also nach der Vorbereitung eines grandiosen „Es tut mir leid .“ Und um ein spätes zwar, aber ein Ende der Krachtschen Bedrückung. Aber weit gefehlt: Nicht weniger mädchenhaft als ich, wenn ich meiner Frau ausredend kompliziert den Unterschied zwischen Irrtum und Beleidigung erklären will, geht Diez noch einen Schritt weiter. Er möchte Kracht und uns in einem dreieinhalb Seiten! langen Publikationsexzess den Unterschied zwischen Wahrheit und Irrtum erklären.

Und das geht bei ihm so: „Vor zwei Wochen erschien mein Text über Christian Kracht, mit dem ich Kracht weder denunzieren noch ausgrenzen wollte. Ich wollte ganz einfach meinem Unbehagen auf den Grund gehen.“

Whow, meine Frau wäre an der Stelle schon leicht runtergefrostet.

Aber weiter: „Das Unbehagen dem ich auf den Grund gehen wollte, (...) war auch ein Unbehagen an mir.“

Kenn ich. Meine Frau leider auch. Das ist die Umkehrungsfinte: Eigentlich habe ich mich ja bloß selbst beleidigt. Kauft sie mir nicht mehr ab. Wollen wir dem Diez also auch nicht abkaufen. Und so schwallert und lamentiert , druckst und eiert es also zeilenlang herum, bis irgendwann das „Es tut mir leid!“ doch noch kommt, aber überlesen wird:

„... meine sehr zugespitze Formulierung von Kracht als „Türsteher der rechten Gedanken“ (…) sollte Kracht aber nicht verletzen.“

Und nach diesem lau hingehauchten, gewisperten, geradezu unverständlichen „I'm sorry.“ folgt eine solche Blödheit, eine sofortige Rücknahme, die nicht nur strategisch eine Katastrophe ist, sondern die meine Frau sofort veranlasst hätte den Raum zu verlassen:

„Überraschend für mich war, dass „rechts“ im Jahre 2012 immer noch so ein Schreckenswort ist – und ein Verlag den Eindruck hat, wenn einer seiner Autoren so bezeichnet wird, werde er denunziert.“



Georg Diez ist S.P.O.N. Autor. Und in seiner Kolumne schrieb er am 05.08.2011 unter der Überschrift „Realitätsverlust von rechts“ Die Ideologen des 21. Jahrhunderts kommen nicht von links, sie verbiegen die Realität von rechts - zur Not mit Gewalt. (…) Breivik ermordete Sozialdemokraten. Das ist der Wahn, das ist die Ideologie am Beginn des 21. Jahrhunderts. Sie kommt von rechts. (…) Die rechte Ideologie sucht sich ihre Feinde im Inneren, das ist ein weiterer Unterschied. Und sie agiert zerstörerisch und narzisstisch, das ist typisch 21.
Jahrhundert.(...) Aber das ist das Spiel von Ideologen: Die Realität mit Worten zu verbiegen. Es ist die gleiche verdrehte Logik, nach der die Sarrazin-Debatte verlaufen ist, eine Debatte, die keine war, weil es dem Demagogen gelang, das, was er tat, als Aufklärung zu verkaufen - obwohl er das Gegenteil tat: Er vernebelte die Wirklichkeit mit seinen Thesen.“

Wie bitte?

Meine Frau packt gerade ihre Koffer. Also Zeit, auch mal einen Publikationsexzess vorzulegen:

Ich kenne den Pillermann von Georg Diez nicht. Was ich aber sicher weiß, der Mann hat keine Eier.

Was er allerdings hat, ist eine übel verbogene Keule:

„Der Faschismus-Vorwurf ist die größte Keule, mit der man im öffentlichen Diskurs hantieren kann."
Jakob Augstein / Freitag

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