Freitag, 2. März 2012

Georg Diez vs. Christian Kracht - Mit Tütü und Boxhandschuh



Mit Tütü und Boxhandschuh

Die Aufregung um Christian Krachts neuen Roman „Imperium“ nimmt kein Ende. Rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse weiß Kracht erneut die Aufmerksamkeit zu schüren und präsentiert, da er sich nach Georg Diez’ Attacke im Spiegel zu „bedrückt“ für Lesungen in deutschen Landen fühlte, nun sein Buch in Zürich.

Keine Frage, das gesamte deutsche Feuilleton wird anreisen, um jede seiner Regungen akribisch zu beobachten: Wie hält er sein Wasserglas? Die wievielte Marlboro Light zündet er sich gerade an? Wie schütter ist sein Haar wirklich geworden, wie dunkel sind die Augenringe? Liest er die Hitlerstelle? Ist da nicht ein klitzekleines Zwinkern in seinen blaugrauen Augen zu erkennen?



Also mal ehrlich: In was für einem Film sind wir hier eigentlich? Fight Club-Niveau hat das Match zwischen Kracht und Diez definitiv nicht:

„Ich will dass du mich schlägst so hart du nur kannst!“ – „Wieso?“ – „Was weißt du schon über dich, wenn du noch nie gekämpft hast?“

Dabei sah nach Georg Diez’ knallhartem Rassismus-Vorwurf zunächst alles nach einer sehenswerten Keilerei aus. Aber irgendwas blieb dann auf der Strecke. Entweder wollten die Kontrahenten nicht richtig, oder sie konnten nicht. Zeit, die Sache mal aus der Ring-Perspektive zu betrachten.



Erste Runde: Herausforderer Georg Diez springt in den Ring und gleich mit randvollem Köcher mitten in Krachts Gemächt: „Imperium“ sei „durchdrungen von einer rassistischen Weltsicht“. An seinem Beispiel „könne man sehen, wie antimodernes, demokratiefeindliches, totalitäres Denken seinen Weg findet hinein in den Mainstream.“ Au! Das tat richtig weh.

Krachts Adjutanten kreischen entsetzt und sehen ihren Mann schwer am Boden. Alte und neue Getreue eilen aufgebracht in die Waffenkammer. Am Wettschalter herrscht Verwirrung. Die „Faschismuskeule“, wie Jakob Augstein (Loge direkt am Ring) die Attacke später nennen wird, hat Eindruck hinterlassen. Das war klar unfair, unsauber. Aber eben auch Sieg versprechend. Das jedenfalls haben Fights mit vergleichbar fiesen Tiefschlägen in den letzten Jahrzehnten gezeigt.

Krachts K.O. liegt bleischwer in der Luft. Der Schweizer macht zunächst keinerlei Anstalten, sich von seinem Stuhl zu erheben. Wedelt seine Ecke etwa sogar schon aufgeregt mit dem Handtuch? Aber was macht Kracht auf einmal? Das kann doch nicht wahr sein! Er geht einfach zurück in die Kabine, schaut sich seine Kratzer im Spiegel an und greift zum Abdeckstift.

Und während man in der Halle gespannt auf die Rückkehr Krachts wartet, wird der Bestsellerautor plötzlich in den Niederungen des deutschen Wikipedia entdeckt.

Der Grund? Ein Autor der virtuellen Enzyklopädie hatte aufgrund eines Berichts im Tagesspiegel den Wohnort Krachts kurzerhand von „Buenos Aires“ in „Florenz“ aktualisiert. Und was Kracht dazu sagt, ist nun unlöschbar im Subtext seines Wikipedia-Eintrags nachzulesen:

„Das stimmt nicht, ich wohne seit 2008 in Buenos Aires. Wuerden Sie bitte diese frei erfundenen Mutmassungen Ihres Autors korrigieren? Gerne koennen Sie mich hierzu persoenlich kontaktieren: christiankracht@xxxxxxxx.xxx(hier von mir geschwärzt). Mit den besten Gruessen und Dank, Ihr Christian Kracht.“


Hallo, geht's noch?

Jungs, jetzt mal ehrlich. Könnt ihr nicht, wollt ihr nicht, oder hattet ihr womöglich überhaupt niemals vor, hier einen vernünftigen Fight hinzulegen? Schiebung! Das ist doch kein echter Boxkampf, das ist nicht einmal halbwegs ordentliches Wrestling.

Geht es hier tatsächlich um eine Nazi-Jagd? Von so einem Lärm würde doch der Nazi ebenso profitieren wie der Nazijäger. Zeit also, die Spürhunde in die Arena zu lassen, um der Sache mal auf den Grund zu gehen.

Indizien für eine müde Absprache: Die Jungs schreiben für denselben Stall. Beide Autoren stehen bei Kippenheuer & Witsch unter Vertrag. Und Regisseurin Corinna von Rad, mit der Diez ein Kind hat, brachte in Basel Krachts letzten Roman „Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“ auf die Bühne.

Gut, Frauen, Privates – ach ja, das muss ja nichts heißen. Aber wer sich erinnert, der weiß, dass Diez Kracht schon im Juli 2007 in der ZEIT unter der Überschrift „Gift liegt in der Luft“ in den Infight zwingen wollte.

Diez hatte nach Erscheinen des Doku-Thrillers „Metan“ von Kracht und Ingo Niermann den Geruch des Bösen gewittert. Aber ein offener Schlagabtausch – schon damals Fehlanzeige.

In Ermangelung eines direkten Uppercuts tänzelte Diez nur hinüber zu einem vergangenen Werk Krachts über Nordkorea: „’Die totale Erinnerung’ jedenfalls deckt etwas auf, eine merkwürdige Nähe von Pop und totalitärem Denken.“

Dann fightet er die verbleibenden Runden noch ein bisschen mit Krachts Co-Autor Niermann, um ihn, Kracht und auch den Künstler Jonathan Meese mit radikalen Islamisten zu vergleichen: „Die Dummheit der Politiker ist meistens reaktionär; die Dummheit der Künstler ist manchmal visionär.“

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War das schon die Generalprobe für den Streit um „Imperium“?

Kracht hält sich derweil bedeckt und schickt keine Geringere als Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in den Ring, die sich 2006 schon so tapfer für Handke geschlagen hatte.

Was will er eigentlich sein: Fallobst? Kämpfer? Ein extrem erfolgreicher Feigling?

Eine Antwort steht in „Christian Kracht: Zu Leben und Werk“, literaturwissenschaftliche Sekundärliteratur. Dort verrät Kracht-Intimus Niermann unter der Überschrift „Die Erniedrigung“:

„Vielleicht weist Kracht die Züge eines mäßigen Borderline-Charakters auf, doch es ist sein Selbstverständnis als Schriftsteller, das es ihm ermöglicht, größte Teile seines Lebens in Anführungsstriche zu setzen und rigoros unauthentisch zu sein.“ Und: „So erklärt sich (...) sein – einigermaßen ungebrochenes – Faible für die Kulissen und Inszenierungen totalitärer Herrscher. (...) In dem Maße, in dem dieses Verhalten Aufmerksamkeit generierte, wagte sich Christian Kracht weiter vor – zeigte sich mit einer Maschinenpistole in den Armen (..) Im übernächsten Moment konnte er wieder entschwunden sein.“

Während Kracht sich in den letzten Wochen konsequent wegduckte, ruderte Diez im Spiegel bereits wieder zurück und ermöglicht damit Kracht in Zürich einen Auftritt als alter und neuer Champion. Man möchte Diez aus Augsteins Loge laut zurufen:

„Mensch Junge, hast Du Eier? Dann sag dem Kracht jetzt gefälligst, das du ihn für einen Nazi hältst. Oder lass es für immer! Wenn du so furchtbar empört bist, dann geh verdammt auch die vollen 12 Runden. Fighte endlich!“

Alexander Wallasch

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