Donnerstag, 24. Mai 2012

"ARBEIT IST SCHEISSE!"


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www.theeuropean.de Kollege Alexander Kissler überschrieb seine letzte Kolumne mit „Halt’s Maul!“ Damit bezog er sich auf Plakate von „Demonstranten“ vor Günther Jauchs Studio während der Sarrazin-Steinbrück-Session mit der Aufschrift: „Halt's Maul Deutschland!“

Der Slogan ist ja nicht neu. Erstmals entdeckte ich ihn wohl auf ausrangierten Bundeswehr-Parkas in den frühen 1980ern. Da standen auch so Wahrheiten wie „Arbeit ist Scheiße!“ Das ist mir bis heute sympathisch geblieben. Weil es ja in den allermeisten Fällen zutrifft und trotzdem nicht heißt, das man nicht einfach weiter arbeitet. Arbeiten heißt Geld verdienen. Und ein Klischee über uns Deutsche lautet: arbeitsgeil. Könnte sogar stimmen, wenn man sieht, wer am Ende vom erarbeiteten Geld alles gut leben kann: die, die nicht mehr arbeiten können ebenso wie die, die keine Arbeit finden.

Das war im Übrigen bis Anfang der 1990er Jahre sogar ein gesellschaftliches Agreement: Ja, am Stammtisch wurde zwar weiter gemosert, aber unsere Bedürftigen blieben uns eine Herzensangelegenheit. Klar blieb nur: Wer arbeitet, verdient auch mehr, als es umsonst gibt. Und der muss dann auch nicht mehr zum Amt um dort zusätzlich zu den laufenden Bezügen umständlich Waschmaschinengeld und Altmöbelgutscheine zu beantragen.

Und so lebten wir BRD-Deutschen also so vor uns hin. Ach Quatsch, wir waren sogar glücklich und zufrieden. Das zumindest empfinden heute nostalgisch die fast noch am meisten, die damals diese komischen Parka trugen.

Ende gut alles gut? Nö, denn dann passierte, was passieren musste: „Herr Lehmann“ kam über uns. Also alles das, worauf es bei Sven Regener in seinem gleichnamigen Mega-Bestseller so wunderbar zusteuert: Kohl hatte Gorbatschow gerade beim Käffchen die DDR abgekauft und unsere bis dahin an gemeinsamer Gemütlichkeit mäßig interessierten westeuropäischen Nachbarn kamen auch schnell noch mit leeren Tellern vorbei – wollten also auch ein Stück vom Kuchen.

Und da unser Helmut in „Wir-schreiben-Geschichte“-Spendierlaune war und alle gerade so schön beieinander saßen, schlug er niemandem einen Wunsch ab, solange die Verwandten aus der DDR nur mit am Tisch sitzen durften. Und sie durften. Sogar solange sie wollten. Und wie die wollten! Am meisten die D-Mark. Und sie bekamen die D-Mark. Und während die blassen Tanten und Onkels versonnen mit den begehrten Scheinchen spielten, flüsterten, zischten und wisperten die ungebetenen Tellergäste in den Ohren des Gastgebers, das dem ganz mau und schwindelig wurde. So schwindelig, das er in der Bedrängnis anfing zu schwindeln. Und so wurde aus der D-Mark der Euro. Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern Europas.


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Gut, beim Umtausch der unterschiedlichen Währungen an der fröhlichen Kaffeetafel schummelten schon die ersten kräftig, aber der kräftige Gastgeber nahm's mit Humor, war eben ein gutgelaunter Pfundskerl der Pfälzer Junge. Aber kein blöder! Denn insgeheim war er sich ganz sicher: Arbeit ist zwar scheiße, aber wir können einfach nicht anders. Wir Deutschen sind zum Arbeiten geschaffen. Wir haben uns von den Brandstiftern zu den Drohnen Europas entwickelt.
Und wir sind sogar noch stolz drauf.

Also ließen wir die zufriedenen Nachbarn Siesta machen und hauten nach der Kaffeeklatsche wieder kräftig rein. Mittel- und Westdeutsche gemeinsam. Und schwuppdiwupp hatte wir wieder die meisten Scheine in der Tasche und freuten uns wie Bolle. Klar, die Bedürftigen waren zwischenzeitlich auch etwas mehr geworden, und die Stammtische moserten lauter und gemeiner – besonders über die, die nicht auf deutsch „Danke“ sagen konnten, aber geschenkt. War ja genug da und was nicht da war, das wurde halt kurzfristig gepumpt, Hauptsache, die Kaffeetafel blieb für alle reichlich gedeckt.

Aber irgendwann kamen die Nachbarn auch noch regelmäßig mit leeren Tellern zum Abendbrot. Und da weiß man spätestens seit Thea Dorns „Deutsche Seele“: Das Abendbrot ist den Deutschen heilig. Und da wird auch längst nicht so üppig serviert wie beim Kaffeetrinken. Das deutsche Abendbrot ist keine Tortenschlacht, sondern eine Heimkehr. Eine Besinnung. Ein notwendiges Ausruhen vor dem Schaffen am nächsten Tag. Und während der gute Kohl vielleicht auch gerade beim Abendbrot saß, saßen wir da ganz verloren mit der hungrigen Nachbarsmeute und fühlten uns auf einmal sehr unwohl.

Die nette Mutti von drüben die neuerdings den Ton angab, bemühte sich zwar noch redlich die Teller mit immer mehr Schnittchen auf Pump vom Frankfurter Catering-Service zu füllen, aber es gab immer einen, der sich übergangen fühlte.
Irgend so ein neuer Gast der dann ganz irritiert fragte, wann denn nun endlich die hingehaltenen Teller gefüllt werden.

Also erklärte Mutti höflich aber ganz doll verlegen: „Leider nichts mehr da. Zu viele Gäste heute.“ Staunen. Und dann die postwendende Antwort: „Ach, halt’s Maul Deutschland!“ Das machte uns sehr traurig. Immerhin wurde Mutti beleidigt. So traurig, das wir am nächsten Tag nicht einmal mehr Lust zum Arbeiten hatten. Da konnte Mutti noch so viel reden und betteln. Wir hatten einfach keine Lust mehr. Aber vertragen wollten wir uns wenigstens wieder. Also gingen wir alle zusammen rüber zum Nachbarn. Klopften freundlich, nahmen einen nach dem anderen in den Arm und sagten: „Ach, Ihr habt ja eigentlich völlig recht: Immer nur Arbeit – das ist doch wirklich eine große Scheiße.

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