Freitag, 8. Juni 2012

DIE EINHUNDERT-EURO-FRAGE ODER: BETTELN UND HAUSIEREN VERBOTEN!

Ab Montag Online bei TheEuropean, "geradeheraus!"
http://www.theeuropean.de/alexander-wallasch/11345-wofgang-muenchau-und-joschka-firscher-ueber-das-ende-des-euro


Wolfgang Münchau schreibt im Spiegel, das „Endspiel um den Euro hat begonnen“. Fast so, als befänden wir uns in irgendeinem imaginären letzten Gefecht im Bunker unterhalb der Reichskanzlei. Ja, der Ton ist schärfer geworden. Dabei ist Münchau kein Scharfmacher. Er ist einer von sieben S.P.O.N.-Kolumnisten, die regelmäßig auf Spiegel-Online berichten. Jakob Augstein gehört dazu, ebenso wie der Internet-Punk-Oldie Sascha Lobo. Wolfgang Münchau fiel mit seinem Themenkreis „Die Spur des Geldes“ bisher nicht weiter auf.

Das ist auch verständlich, denn Sarrazin, Grass und Facebook sind die steileren Themen, zumindest so lange noch was im Portemonnaie steckt, um via Penny und Lidl die heimischen Kühlschränke zu befüllen. Klar, über Geld reden viele immer öfter. Aber es hört keiner zu.

Trotzdem ein kurzer Ausflug ins Banale: Waren Sie schon mal mit einhundert Euro im Supermarkt und haben den großen Schein restlos ausgegeben für einfache Lebensmittel? Mal annehmend, einhundert Euro netto seien so etwas wie ein Durchschnittstageslohn für ehrliche Arbeit, dann ist es doch ein Schlaraffia, was man sich für einen Tag Arbeit so in den Einkaufswagen stapeln kann. Das Gefährt wird rappelvoll!

Zugegeben, es gibt Leute in Deutschland, die diese hundert Euro nicht für einen Tag Arbeit erhalten. Aber sie sind noch in der Minderheit. Doch, doch. Und wer das bezweifelt, der lügt. Aber es lügt eben noch mehr, wer immer noch bezweifelt, dass die Angst wächst. Dass es diesen am Tage ehrlich erarbeiteten und am Abend vom Lidl oder Penny abgeholten Berg Wohlstand womöglich in Kürze nicht mehr geben wird.

Wolfgang Münchau teilt wohl diese unbestimmte Sorge und hat zum flauen Gefühl im Magen den finalen Nackenschlag parat. Nach Joschka Fischers apokalyptischem Szenario in der Süddeutschen: „Frau Merkel mit dem Kerrosinkanister vor einem brennenden Europa“, folgt nun die Steigerung des Wahnsinns. Schon, weil sie so unerträglich trocken daherkommt. Von einem Finanzkolumnisten. So ein Financial-Times-Deutschland-Buchhaltertyp ohne deshalb gleich mit einem Sarrazinschen Wahnsinn behaftet zu sein. Ja doch, weiterhin gilt für die allermeisten Deutschen ohne Leseschwäche: Wenn's in der Süddeutschen und im Spiegel steht, kann's ja keine Verschwörungstheorie und auch kein völliger Quatsch sein.

Fischer eröffnet das Massaker an der allgemeinen Gleichgültigkeit mit der Behauptung, Deutschland sei (heute) „einsam und isoliert“. Die Zeiten seien „ernst. Sehr ernst sogar.“ Münchau packt obendrauf: „Deutschland und Europa fühlen sich momentan an wie parallele Universen. Und er will Zeuge gewesen sein, dass Hedgefonds-Manager schon „hohe Wetten auf einen Zusammenbruch der Euro-Zone abschließen.“ Da überlegen die ersten Leser bereits, wie das zusammenzubringen ist mit dem lieb gewonnenen Hunderter für ehrliche Arbeit, der die Bäuche einer Kleinfamilie eine gefühlte Woche zu füllen in der Lage ist.

Was bedeuten die unzweifelhaft ernst gemeinten Warnungen der Fischers und Münchaus wirklich? Letzterer meint: „Es besteht die Gefahr, dass sich die Ereignisse überschlagen, bevor die Politik reagieren kann.“ Fischers Katastrophen-Version: „Europa steht heute am Abgrund und wird in eben diesen in den kommenden Monaten hineinfallen.“
Sätze wie eine kalte Angst. Was bedeutet das alles? Und nirgends jemand in Sicht, der glaubwürdig machen kann, alles zu verstehen. Eine große Verwirrung. Ein großes Nichtwissen. Und nicht wissen, macht nun mal Angst. Was ist das mit den nationalen Kompetenzen, die Merkel nun an den EU-Kommissar abgeben will? Darf sie das überhaupt oder wird sie damit bereits Eid-brüchig? Und plant man mit der Abgabe von demokratisch erworbenen Handlungsspielräumen an ein undemokratisches europäisches Gremium so etwa wie das chinesische Kapitalismusmodell? Wird man uns also irgendwann erklären: „Ach, das mit der Demokratie, das war ja schön und gut, als wir dem Ost-Block ein Ideal entgegensetzen mussten ...“

Und wieder runtergebrochen auf das Wesentliche: Wie werden in Fischers Abgrund die Penny und Lidl-Regale aussehen? Wie sehen die jetzt schon aktuell in Griechenland und Portugal aus?

Beim Urlaub im letzten und vorletzten Jahr war da noch alles in Ordnung beim Lidl in Lagos und beim Lidl in Sparta. Lidl Largos, Lidl Sparta – wir haben es immer mantra-artig gesungen im direkt vor Ort gemieteten deutschen Volkswagen. Das war unsere „Heimat Europa“. Denn auch da gab's für den Hunderter diesen geil vollen Einkaufswagen. Der Traum von einem Europa für alle Europäer! So schlicht, so einfach. Und für hundert Euro am Tag zu bekommen.

Angst. Denn was ist davon zu halten, wenn der Großverdiener in meiner Nachbarschaft mit der Einhundert-Mann-Firma mir dazu ernsthaft flüsternd erklärt: „Ich habe Angst!“ Seien wir ehrlich, jeder weiß, was er für einhundert Euro im Supermarkt abholen kann. Aber kaum einer weiß, was „Euro-Bond“ bedeutet oder ob eine angeblich alles errettende „Fiskalunion“ Sinn macht.

Machen Sie den Test! Fragen sie irgendwelche x-beliebigen Mitbürger dazu. Von mir aus sogar solche, denen Sie eine Antwort zutrauen würden. Jemandem, dem Sie vertrauen. Zum Beispiel ihrem Bankdirektor in der Sparkassenfiliale. Ich glaube mein Nachbar hat das gemacht. Aus Verantwortung für seine Mitarbeiter heraus. Das Ergebnis seiner Recherche hat er mir dann über den Gartenzaum geflüstert.

„Einhundert Euro für ehrliche Arbeit“ gegen „einen Einkaufswagen voll Penny oder Lidl“ – auch wenn es wundersamerweise immer noch möglich ist – Sind wir heute schon gefühlte zwei Münchau’sche Universen entfernt von diesem einfachen und ehrlichen Tauschgeschäft?

Wieder Fischer: „... wenn der Euro zerfällt, wird auch die EU mit ihrem gemeinsamen Markt zerfallen und eine Weltwirtschaftskrise auslösen, wie sie die heute lebenden Generationen noch nicht erlebt haben.“

Das allerdings ist dann wieder realer als es sich der weltfremde Fischer beim Schreiben vorgestellt hatte. Denn unter dem Begriff „Weltwirtschaftskrise“ können sich die heute Lebenden durchaus etwas vorstellen. Da wirkt eine düstere Erinnerung an Erzählungen der Großeltern- und Elterngeneration. „Weltwirtschaftskrise“ und „Inflation“ - das waren die mit allergrößtem Respekt am familiären Abendbrottisch geflüsterten Worte. Das hat einen generationensübergreifenden Nachhall. Das war der vorgezeigte, für die Nachwelt aufgehobene 100-Billionen-Schein als Beweis, mit dem man damals irgendwo versuchte, noch ein Brot einzukaufen. Deutschland hat heute 3-5 Billionen an Verpflichtungen bei einem Budget von 250 Milliarden. 1 Billion = 1.000.000.000.000.

Ja, „Weltwirtschaftskrise“ ist das brutale Mantra des 20. Jahrhunderts. Oder um es obzöner mit Fischer auszudrücken: Es steht für Hitler und Auschwitz. Das Deutsche Historische Museum hat es online nacherzählt:

„Im Winter 1929/30 geriet Deutschland in den Strudel der sich aus dem Zusammenbruch der New Yorker Börse im Oktober 1929 entwickelnden Weltwirtschaftskrise. Der Kapitalstrom nach Deutschland versiegte, als die für die deutsche Wirtschaft so dringend benötigten ausländische Kredite abgezogen wurden. In den USA und in Europa setzte sich zunehmend nationaler Protektionismus durch, das Welthandelsvolumen fiel von 1929 bis zum Tiefpunkt der Rezession 1932 um 25 Prozent. Der deutsche Warenexport sank in demselben Zeitraum von 13,5 auf 5,7 Milliarden Reichsmark, da der Außenhandel ebenso rapide zurück ging wie die Industrieproduktion des Deutschen Reichs, die um ca. 40 Prozent fiel.
Firmenzusammenbrüche, Bankenschließungen und Massenarbeitslosigkeit waren die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. Zwischen September 1929 und Anfang 1933 stieg die Zahl der Erwerbslosen in Deutschland von 1,3 auf über sechs Millionen. Das Realeinkommen sank um ein Drittel, Armut und Kriminalität nahmen sprunghaft zu. Massenverelendung kennzeichnete in der Wirtschaftskrise das Alltagsleben breiter Bevölkerungsschichten. (...) Viele Menschen erkannten nur im Freitod einen Ausweg aus ihrer existenziellen Not. Andere versuchten durch Heimarbeit, Hausieren und Tauschgeschäfte, den täglichen Überlebenskampf zu gewinnen oder zogen als Straßenmusikanten von Haus zu Haus. Für unzählige Frauen war Prostitution der letzte Ausweg.“

- das schreit förmlich nach einem Schreckensszenario für die Neuzeit. History repeating, Endzeit.

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