Sonntag, 28. Oktober 2012

Über Peter Hahne "Gedanken zum Sonntag"


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Der Rechtsstaat nach Hahne - U-Haft für Anfänger

von RA Heinrich Schmitz

Fussballinteressierte Menschen kommen an der BamS nicht vorbei. Ich auch nicht. Neuerdings ist der Sportteil zum Herausnehmen. Hätte ich besser mal getan und den Rest sofort weggeworfen. Aber ich kann so schlecht was wegwerfen. Fing ja auch ganz gut an. Claudia Roth, ja genau die bunte Frau, erklärt in einem Streitgespräch Herrn Dobrint auf geniale Weise zum Deppen ("Da ich mir von der CSU nicht sagen lasse, dass grüne Frauen kein Dirndl tragen dürfen, darf Herr Dobrindt ruhig eine Johnny-Depp-Brille tragen. Aber das macht noch keinen Johnny aus ihm."). Ich gebe zu ich habe herzlich gelacht.

Und dann kommt Hahne, Peter Hahne."Gedanken am Sonntag" nennt er seine Kolumne. Gedanken können ja selten was schaden, denke ich und begehe den Fehler. Der Sonntagsplan muss geändert werden, da muss ich was zu schreiben. Was tut der da?

In der Überschrift eine Frage: "Warum sind die Tot-Treter vom Alex wieder frei?"

Tot-Treter? Kommen die aus Askaban? Beförderte Tot-Esser? Schnell Alex fragen, ob es ihm gut geht. Na immerhin das.

Erster Abschnitt - ganz o.k. Da ist von mutmaßlichen Tätern die Rede. Fein, keine Vorverurteilung.

Zweiter Abschnitt - Die üblichen BILD-Fragen. Sind wir in Deutschland nicht mehr sicher? Ist die Integration gescheitert? Lassen uns Politik, Polizei und Justiz im Stich? Ja, o.k. Fragen darf man ja mal.

Dritter Abschnitt - Erleichterung über den schnellen Fahndungserfolg. "Drei an der Tat Beteiligte kamen in Untersuchungshaft, der Haupttäter hat sich in die Türkei abgesetzt."

Ja o.k. es ist ja lästig immer von mutmaßlichen oder Tatverdächtigen zu schreiben. Es sind ja nur Gedanken zum Sonntag. Schwamm drüber. Doch jetzt, wie furchtbar für Herrn Hahne, zwei der Tatverdächtigen - nein nein, Herr Hahne verwendet das Wort nicht, das ist jetzt mal von mir - sind aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

Ob jetzt die Haftbefehle aufgehoben oder nur unter Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt wurden weiß man nicht. Wozu auch solche Differenzierungen, wenn man sich ein bisschen empören kann.


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Und jetzt kommt ein genialer Trick. Herr Hahne versteht die Empörung "über diese Entscheidung. Richter müssen wissen was sie anrichten." Einmal davon abgesehen, dass die Empörung gerade erst von Herrn Hahne erzeugt wurde, hat er ja recht. Die Richter müssen wissen, was sie anrichten. Nicht Herr Hahne, nicht wer anders. Und dabei hatte er das doch eben erst ganz richtig festgestellt: "Weder Kolumnen noch Stammtische dürfen einen Gerichtssaal ersetzen", da glaubte man wieder einmal an das Gute im Hahne.

Und dann kommt der perfide, falsche Satz, der dem BamS-Leser Freudentränen in die Augen treibt, der "Deutschland gegen Kinderschänder", die NPD und alle gut meinenden Unwissenden jubilieren lässt:

" Es ist nicht immer Volkes Stimme, was Juristen "im Namen des Volkes" urteilen, aber es muss doch wenigstens mit unserem Rechtsempfinden übereinstimmen ".

Gut , dass nicht Volkes Stimme Recht spricht. Einmal wäre es wohl etwas kompliziert, die gesamte Bevölkerung mit den Regeln des Straf- und Strafprozessrechts auszustatten - da müsste man schon Rechtskunde ab der Grundschule machen, zum anderen wäre eine Volksabstimmung bei jedem Strafprozess nicht finanzierbar.

Die Gerichte sprechen ja nicht aufgrund eines gesunden oder ungesunden Volksempfindens ihre Urteile, sondern auf der Grundlage von Recht und Gesetz.

Ob man jetzt aus Scheu vor braunem Jubel das Wort Volksempfinden durch Rechtsempfinden ersetzt, macht leider keinen großen Unterschied. Was ist denn "unser Rechtsempfinden". Haben Herr Hahne und ich das gleiche Rechtsempfinden ? Weiß ich nicht, kann ich mir aber nach dieser Kolumne kaum vorstellen.

Mit dem Empfinden ist es immer so eine Sache. Manch einer ist empfindlich, man einer weniger. Mal so, mal so. Empfindungen sind flüchtig. Empfindungen sind unberechenbar. Empfindungen sind ungerecht. Das gilt auch für das sogenannte Rechtsempfinden.


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Nein Herr Hahne, sie spinnen wohl. Gerichtliche Entscheidungen müssen nicht ihrem und auch nicht "wenigstens" meinem Rechtsempfinden oder dem der Angehörigen des Opfers entsprechen, sie müssen Recht und Gesetz entsprechen und sonst gar nicht.

Auch dass "selbst der Berliner Innensenator" unzufrieden ist spielt keine Rolle. Darf er sein, keine Frage. Es ist aber kein Kriterium für richtig oder falsch.

"Und die Polizeibeamten sind wieder mal die Dummen. Permanent erleben sie, wie ihre Fahndungserfolge von einem einzelnen Richter oder einem Geschwader von Gutachtern zunichte gemacht werden."

Na, so geht das aber auch nicht. Polizisten als Dumme zu bezeichnen würde ich mich ja nun nie trauen. Das "Fahndungserfolge" nicht immer zu einer Verurteilung führen und selbst schon gar keine sind, liegt weder an der vermeintlichen Dummheit der Polizei noch an der Bösartigkeit von Richtern, sondern an einer klug erdachten Aufgabenteilung.

Die Staatsanwaltschaft mit der Polizei ermittelt Tatverdächtige, die werden dann angeklagt oder auch nicht ( schon bei der Staatsanwaltschaft wird ein Großteil der Verfahren eingestellt ) und das Gericht entscheidet dann. Erst danach steht fest, ob jemand eine Straftat begangen hat, nicht schon wenn die Polizei einen "Fahndungserfolg" hat. Rechtsstaat nennt man das. Die Gerichte sind nicht dazu da, jede Sau, die von der Polizei durchs Dorf in den Gerichtssaal getrieben hat auch zu Wurst zu verarbeiten.

Aber Herr Hahne ist noch nicht fertig:
"Untersuchungshaft und Unschuldsvermutung widersprechen einander nicht." Ein richtiger Satz, vermutlich nur falsch verstanden. Die Unschuldsvermutung gilt bis zum rechtskräftigen Urteil. Wenn man einen Verdächtigen bereits vorher einsperren will - was ja massiv in sein Grundrecht auf Freiheit eingreift - , dann geht das nur unter bestimmten Voraussetzungen. Nicht nach Volksrechtsempfinden, sondern nach den Vorschriften des § 112 StPO.


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Da offenbar kaum jemand die kennt, bitteschön:

§ 112

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.
(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, dass der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,

2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder

3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde

a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder

b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder

c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,

und wenn deshalb die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

Ob diese Haftgründe vorliegen prüft ein Richter. Der entscheidet dann durch Beschluss, nicht durch Urteil. Da hier - wie Herr Hahne wohl weiß - der Haupttäter , sprich der Hauptverdächtige, der sich vermutlich als "Tot-Treter" wegen Totschlags oder Mordes zu verurteilen haben wird, ins Ausland geflohen ist, können die anderen Beteiligte nicht nach § 112 Abs. 3 StPO ohne besonderen Haftgrund eingesperrt werden.

Ein Haftgrund wurde aber nach den Geständnissen nicht festgestellt, also sind sie bis zur Verurteilung frei. Daran ändert auch ein merkwürdiges Rechtsempfinden nichts, das ist Ausfluss der Unschuldsvermutung.

Wer seine Kolumne "Gedanken zum Sonntag" nennt, sollte sich wenigsten vorher auch welche machen, bevor er den BamS-Leser gegen seinen Rechtsstaat aufhetzt. Das stört mein Empfinden.

von RA Heinrich Schmitz

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