Sonntag, 3. Juni 2012

DIE ANGST FERDINAND VON SCHIRACH S VORM VERHUNGERN

vom aus SPIEGEL-TV bekannten Rechtsanwalt & Blogger HEINRICH SCHMITZ



Ferdinand und Heinrich


EINE ERWIDERUNG

Im SPIEGEL-Essay "Weil wir nicht anders können" schreibt Ferdinand von Schirach, Strafverteidiger und Bestsellerautor, über das Schreiben.

Tatsächlich aber sind seine interessanten Ausführungen ein Rundumschlag gegen die Bemühungen der Piraten, das Urheberrecht den Realitäten einer digitalen Welt anzupassen.

Zunächst einmal, lieber Kollege von Schirach, finde ich es legitim, das Sie Ihre Einkommensquellen sichern wollen, wer will das nicht. Sie sind ein bekannter und verdienter Autor. Sie sind in der Welt der Strafrechtspflege und der Strafverteidigung hoch angesehen. Ihre Bücher notwendige, spannende tiefe Einblicke in die Seele des Verteidigers. Ihr Wort hat daher zu Recht Gewicht. Es hätte der chaotischen Debatte ums Urheberrecht also gut tun können, wenn Sie sich als Anwalt UND Bestsellerautor vehement einmischen.

Ein Mann wie Sie, der es gewohnt ist, komplexe Sachverhalte zu erfassen, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen und damit entweder Ihren Mandanten im Strafverfahren oder aber Ihren Lesern beim Verständnis schwieriger Probleme zu helfen, hätte Licht ins Dunkel bringen können -
das wäre was gewesen !

Leider war es das aber nicht. Bereits die allgemeine Behauptung, die Piraten wollten eine andere Staatsform, bei der vor jeder Entscheidung
jeder gefragt werden sollte, ist unzutreffend. Aber geschenkt, buchen wir das einmal unter politische Polemik, sollen die Piraten sich da
selbst verteidigen. Oder sich einen geeigneteren Anwalt für ihre Sache suchen.

Richtig unverständlich und geradezu ärgerlich wird Ihr Essay aber, wenn es um das eigentliche Thema geht, die Reform des Urheberrechts. Sie
behaupten, die Piraten wollten den Künstlern helfen, sich von ihren Verlegern zu befreien. Im Anschluss schildern Sie sehr anschaulich, wie
wichtig der Verlag mit all seinen Hilfen, vom Lektorat über die Promotionabteilung, die Papier- und Coverauswahl und viele andere Dinge mehr, für Sie als Autor ist und tun dann so, als wollte irgendjemand das in Zukunft alles abschaffen und Sie und ihre Autorenkollegen zwingen im
Einmannverfahren alles alleine zu machen.

Das ist schlichtweg falsch. Im Jurastudium nannte man das – Sie erinnern sich sicher auch – eine Sachverhaltsquetsche, nach dem Motto was nicht
passt, wird passend gemacht. Da wurden die Professoren aber stinkig.


http://www.taz.de/uploads/images/684x342/schirach.20100804-13.jpg

Wenn Sie sich die 10 Thesen der Piraten zur Urheberrechtsreform angeschaut hätten, die im übrigen nur eine Diskussionsgrundlage und
keineswegs ein Gesetzentwurf sind, hätten Sie festgestellt, dass die Autoren keineswegs von ihren Verlegern befreit, sondern dass ihnen
lediglich mehr Rechte eingeräumt werden sollen.

So wird dort beispielsweise vorgeschlagen, die Rechte bei Nichtausübung der Rechteinhaber schneller auf den Urheber zurückfallen zu lassen und die Vergabe ausschließlicher Nutzungsrechte auf maximal 25 Jahre zu beschränken. Nach Ablauf dieser Frist fallen die Rechte dann wieder
zurück an die Urheber.

Es geht also gar nicht darum, dem Autor die unbestreitbar notwendige Zusammenarbeit mit seinem Verlag zu vermiesepetern oder gar zu
verbieten. Vielmehr soll der Autor die Möglichkeit bekommen, die Rechte an seinem Werk schneller wieder zurückzubekommen, wenn der Verlag ihm zwar die Rechte daran abgekauft hat, aber nichts damit anfängt, das Buch also z.B. nicht veröffentlicht oder eine weitere Auflage verweigert.

Und der Autor soll seine Rechte nach 25 Jahren wieder zurückbekommen, um dann erneut frei über sie verfügen zu können. Er kann sie also neu
verkaufen, an den gleichen Verlag oder einen anderen. Was sollte an einer solchen Regelung schlecht für den Autor sein ?

Ein weiterer Vorschlag der Piraten ist es, die Schutzfristen, die bisher erst 70 Jahre nach dem Tod des Autors enden, auf 10 Jahre zu verkürzen.
Das kann höchstens die Erben, nicht aber den dann schon zehn Jahre toten Autor selbst wirklich kratzen. Im Gegenteil. Wenn es ihm um das
Überleben seines Werkes nach seinem eigenen Tod geht, kann ihm die Schutzfristverkürzung nur nutzen.

Es verhindert nämlich, dass sein Werk,
das möglicherweise nach einer Auflage beim Verlag keinen mehr interessiert, für immer in Vergessenheit gerät, weil es zum Beispiel im
Gutenberg - (nicht Guttenberg) Projekt eine ewige Unruhestätte finden wird. Man mag hier noch etwas nachbessern können, z.B. bei Werken deren
Autor unmittelbar nach der Fertigstellung gestorben ist, aber vom Grundgedanken her, ist auch dieser Vorschlag kein bösartiger Anschlag
auf einen Autor oder dessen Portemonnaie, sondern eine Verbesserung.


http://www.express.de/image/view/2009/5/17/851038,498619,highRes,maxh,480,maxw,480,Christopher+K.+neben+seinem+Anwalt+Heinrich+Schmitz+auf+der+Anklag+%25285247785576%2529.jpg

Wenn Sie weiter schreiben, die Tauschbörsen sollten legalisiert werden, dann ist auch dies eine Behauptung, die den heute so beliebten
„Faktencheck“ nicht übersteht.

Richtig ist, dass die Piraten die Benutzer solcher Tauschbörsen "entkriminalisieren" wollen. Zwischen Legalisieren und Entkriminalisieren – das wissen Sie auch – besteht aber ein gewaltiger
Unterschied.

In meiner Kanzlei laufen regelmäßig verzweifelte Mütter auf, deren 14,15-jähriger Söhne ein nettes Schreiben von einer Abmahnkanzlei erhalten haben. Dort werden wegen des downloads eines Musikstücks je nach Kanzlei zwischen 500.--€ und 1600.--€ gefordert, weil beim download von einem filesharer zwangsläufig gleichzeitig ein upload von ein paar Fitzeln des downgeloadeten Stückes stattfindet - was die meisten gar nicht wissen.

Gut, das müssen Sie jetzt nicht mitbekommen haben, weil Sie, im Gegensatz zu mir, ausschließlich als Strafverteidiger tätig sind. Da dürfen Sie dem Kollegen also gerne vertrauen.

Diese zivilrechtlichen Forderungen können existenzbedrohend werden, wenn z.B. jemand einen aus 20 Stücken bestehenden Sampler heruntergeladen hat auf dem dummerweise 20 verschiedene Rechteinhaber versammelt sind. Dass
dies nicht richtig sein kann, wird jedem einleuchten. Dass dies nur am Rande mit dem Schutz der Urheberrechte und ganz viel mit Geldmacherei zu tun hat, wird niemand ernsthaft bestreiten wollen. Und das ist ja nur
der zivilrechtliche Teil des ganzen Problems, dem mit einer konsequenten Deckelung des zu fordernden Schadensersatzes und der Anwaltsgebühren begegnet werden könnte.

„Entkriminalisierung“ meint aber zunächst einmal nur den strafrechtlichen Teil, d.h. dass nicht zusätzlich auch noch ein Strafverfahren gegen den downloader erfolgen soll. Hier sind die
Staatsanwaltschaften inzwischen ohnehin sehr zurückhaltend geworden, auch weil sie sich nicht zum Büttel der Plattenindustrie machen lassen
wollen und die kriminelle Energie der "Straftäter" doch eher gering ist.

Auch wenn der von den Rechteinhabern und der Musikindustrie erfolgreich in die deutsche Sprache gedrückte Begriff des Raubkopierers es
suggeriert, hier findet kein Raub statt. Es wird weder eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht weggenommen, sich dieselbe
zuzueignen, geschweige denn geschieht das unter Anwendung oder Androhung von Gewalt.

Sie werden mir zustimmen, dass das mit dem beim echten Raub verwirklichten Unrecht überhaupt nichts zu tun hat.

Das alles hätten Sie, lieber Kollege von Schirach, wissen und erinnern können, wenn Sie einen Essay schreiben, in dem es, trotz des
Untertitels, weniger um das Schreiben, als vielmehr um Ihre aktuelle Sicht auf die Reform des Urheberrechts geht.

Die Frage, warum Sie gleichwohl so tun, als drohe den Kunstschaffenden durch die Reformbemühungen insbesondere der Piraten der Hungertod, hat sich mir durch Ihren Essay leider nicht erschlossen. Vielleicht sind andere da einsichtiger.

RA Heinrich Schmitz

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