Gibt es denn so etwas überhaupt? Eine digitale Unhöflichkeit?
Ich glaube ja. Mich ärgern immer besonders Namenskürzel unter E-Mails. Darauf angesprochen werden die X.X. mit ökonomischen Argumenten verteidigt. Oder mit Automatismen.
Ich glaube diese Kürzler hatten als Kinder eine Kinderpost. Da muss eine Lust am Stempeln geboren sein. Und so einem Kinderglaube ist wohl schwer beizukommen. Der Akt der Verwaltung scheint im deutschen Wesen eine erotische Komponente zu haben.
In der Nachbarschaft arbeitet die Stadtverwaltung. Jeden Tag stolzieren die Mitarbeiter in den Mittagspausen mit Ihren blassroten Laufmappen durch die Haupteinkaufsstraße. Mit dem Ding unterm Arm schlürfen Sie sogar ihren Latte Macchiato.
Besonders lustig, wenn mehrere dieser Mappen auf so einem Kaffeetischchen zusammentreffen. Ein mattbunter Papphaufen.
Laufmappen haben außen viele kleine Kästchen. In den Büros funktioniert es so, dass jedes Mal, wenn einer den innenliegenden Verwaltungsakt angeschaut hat, er außen sein Kürzel draufsetzt. Das bedeutet dann für die anderen: Gelesen. Gesehen. Abgehakt. Und so unterschreibt man dann halt auch seine E-Mails. Selbst gute Freunde machen das mittlerweile. Manchmal glaube ich, die Intention dahinter ist, den Inhalt selbst zu erhöhen. Ihn amtlicher zu machen. Oder es ist ein symbolisches Kürzeln, dass mir sagen soll: "Du, sorry – ich bin aber gerade so was von busy." Ja, meine Freunde sind busy.
Ich habe früher bei meinen ersten Liebesbriefen immer das "Ich" weggelassen. Also so Sätze geschrieben wie: "Glaube Du liebst mich nicht mehr." oder "War traurig, das wir uns nicht mehr gesehen haben." Ich kann mich trotzdem an keinen solchen Brief erinnern, unter den ich ein Kürzel gesetzt hätte. Das eine ist verliebte Bescheidenheit, das andere eine Unhöflichkeit. Na klar, es geht ja nicht immer um Liebesgeflüster in E-mails. Schon richtig. Aber bitte schön – muss man das extra noch betonen, in dem man mit X.X. unterzeichnet? Ist das ein Akt der De-emotionalisierung?
Also, ich glaube an die Liebe. Aber das ist ein anderes Thema. Im Moment glaube ich, dass es so etwas wie eine digitale Unhöflichkeit gibt. Und sie beginnt damit, das man Freunden E-Mail-Nachrichten schickt, als würde man Inhalte einer Laufmappe mitteilen.
herzlich
Alexander Wallasch
Das Anti-Demokratie-Statement eines Radikaldemokraten. Eine lupenreine Befürwortung der parlamentarischen D.
Todesstrafenfans - vergesst es !
von RA HEINRICH SCHMITZ
Vor ein paar Tagen erhielt ich über facebook eine Umfrage zum strafrechtlichen Umgang mit sogenannten Kinderschändern, also Straftätern die sich des sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gemacht haben - nicht etwa Kindermördern. Als Antwortmöglichkeiten gab es: Todesstrafe, Arbeitslager mit Schwerstarbeit und Freiheitsstrafe. Wenig erstaunt konnte ich sehen, dass über 380000 die Todesstrafe, rund 30000 die Arbeitslager und nur etwas mehr als 3000 die zur Zeit geltende Freiheitsstrafe gewählt hatten.
Unter den Abstimmenden waren auch einige
meiner FB-Freunde. Wer im einzelnen für welche Strafe abgestimmt hatte, wollte ich lieber gar nicht wissen. Eine überwältigende Mehrheit für die Todesstrafe, sieh mal einer an. Gut, natürlich war das keine repräsentative Umfrage, aber es war auch keine Umfrage unter Leuten, die
ihren Kopf nur dazu haben sich eine Glatze zu rasieren oder einen lustigen Hut darauf zu setzen.
Deutschland, ein Land von Demokraten, eine Oase der Rechtsstaatlichkeit,ein Hort der Freiheit - und dann so eine unverhohlene Begeisterung für
die Todesstrafe ? Und diese Erkenntnis traf zusammen mit dem laut zu vernehmenden Ruf nach mehr Demokratie, nach mehr Volksabstimmungen, nach direkter Internetdemokratie und lauter werdender Kritik an der Tätigkeit oder auch Untätigkeit der Parlamentarier. Also, musste ich folgern, bestünde theoretisch die Gefahr, dass die Todesstrafe schon bald wieder einmal ihren Siegeszug durch deutsche Lande führen würde. Im an die Wand stellen und Aufhängen waren wir ja schon mal an der Weltspitze.
Aber dann setzte ich entspannt ein breites Grinsen auf und dankte den Eltern für ihre Weisheit. Nein, nicht meinen Eltern, sondern den Müttern und Vätern unseres Grundgesetzes. 61 Väter und 4 Mütter. Die kannten ihr
Volk und seine schwelenden Mordgelüste, seine archaischen Rachebedürfnisse und seine ständige Gefährdung, die Würde des Menschen gering zu schätzen. Und weil sie sie kannten,haben sie dem deutschen Volk eine demokratische Notbremse verpasst, einen unüberwindlichen Wall gegen die Unmenschlichkeit.
Ja liebe Todesstrafenfans, blutdürstige Racheengel, geifernde Stammtischgesellen. Ihr könnt so viele werden wie ihr wollt, die
Todesstrafe bekommt ihr trotzdem nicht ! Wegen der Verfassungsväter und -mütter. Wer seine Brut kennt, der setzt ihr früh genug Schranken und da
haben die ganze Arbeit geleistet. Die Verfassungsmütter und -väter machten sich auch keine Illusionen, was passieren würde, wenn sie selbst einmal nicht mehr da wären. Wenn die Eltern aus dem Haus sind, wird ja gerne mal eine wilde Fete gefeiert und das Sofa angezündet. Sie dachten auch nicht nur bis zur nächsten Wahl oder bis zur nächsten Woche. Sie dachten in Zeiträumen, die Politiker mittlerweile gar nicht mehr kennen.
Sie dachten für die Ewigkeit.
Nein, Sie haben sich nicht verlesen.
Das Grundgesetz hat eine Ewigkeitsgarantie. O.k. nicht das ganze Grundgesetz , aber die Art. 1 Abs. 1 bis 3 GG und Art. 20 Abs. 1 bis 3
GG gelten bis zum Ende aller Zeiten. Während grundsätzlich der Bundestag mit einer 2/3 Mehrheit das Grundgesetz ändern kann, haben die in die Zukunft schauenden Verfassungseltern das in Art. 79 Abs. 3 GG für bestimmte ihnen ganz wichtige elementare Regeln ein für allemal
verhindert. („Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20
niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“ ).
Der ein oder andere Oberschlaue wird jetzt anmerken, dass da aber nichts von Art. 102 GG drinsteht, der lapidar feststellt " Die Todesstrafe ist abgeschafft". Ja richtig, auf den ersten trüben Blick. Weil aber das Verbot der Todesstrafe sich aus dem Prinzip der Menschenwürde ergibt, ist es nichts mit ändern, denn die Menschenwürde wird durch Art. 1 GG
geschützt.
Also liebe Todesstrafenfans - vergesst es !
von RA HEINRICH SCHMITZ
Kleidung, Behausung, Nahrung – menschliche Grundbedürfnisse sind schnell aufgezählt. Ok, wer will, gönnt sich zum Dreiklang noch eine handvoll emotionale Wärme. Zuneigung. Zunächst einmal reicht es aber, alles Wollen, Wünschen und Hoffen auf die eigenen vier Wände, Hose und Hemd, Brot und Wasser zu beschränken. Das sind heute alles Selbstverständlichkeiten. Gewohnheiten. Längst nicht mehr Teil des täglichen Nachdenkgeschäfts.
Denken wir aber trotzdem mal: was, wenn sich an der Verfügbarkeit in naher Zukunft etwas ändern könnte? Ja, schwer vorstellbar. Die Verdrängung funktioniert. Ein gelernter, natürlicher Mechanismus. Andersherum wäre das so, als würde man schwer verliebt immer nur ständig daran denken müssen, das einem das Mädchen oder der Bursche, den man gerade so fest am Haken hat, womöglich jeden Moment von der Angel springen könnte. Eine Sorge, die als Dauerzustand nicht zum Aushalten wäre. Die Leichtigkeit des Seins würde auf einmal in ein tiefes Jammertal fallen, allein durch einen dummen anhaltenden Gedanken.
Und um zum Thema zu kommen: Könnte vielleicht so eine automatisierte Gedankenlosigkeit der Grund dafür sein, dass wir uns schon wieder seit Jahren von Bankmenschen ausplündern, bestehlen und vorführen lassen, als wären wir verliebte Gockel? Es scheint fast so. Die Sorge, dass die bei helllichtem Tage begangenen Raubzüge demnächst bei unseren Grundbedürfnissen an die Tür klopfen könnten, existierte bisher überhaupt nicht. Völlige Amnesie.
Warum sollte man sich auch über ein paar idiotische Bankleute aufregen, die sich über Gebühr die Taschen vollstopfen, wenn man keine existentiellen Verlust-Ängste hätte. Und Neid? Nein, der kommt als Initial auch nicht in Frage. Denn die geklauten Moneten werden ja unter Ausschluß der Öffentlichkeit ausgegeben. Dort, wo nur noch mit Platinkarte Zutritt gewährt wird. Im Schlemmerland.
Also alles klar? Alles noch gut? Die Stube warm, die Hosen auch. Lidl- und Aldi-Köstlichkeiten im Kühlschrank satt?
Aber jetzt passiert seit ein paar Wochen etwas ganz Sonderbares: Eine ungeordnete Prozession zum Schlemmerland! Nicht von fröhlich dummgrünen Lichterketten. Nein, die ersten Fackeln brennen. Und ihre Fackelträger sind wütend genug, für ihren unbefristeten Besuch die warmen Stuben zu verlassen. London, New York – jetzt Frankfurt, Berlin, Hamburg. Die dummgehaltenen Fischchen sind mit wutoffenem Maul aus ihren lauwarmen Ghetto-Teichen gesprungen. Da waren einfach zu viele Haken im psychopharmaka-trüben Wasser. Und jetzt will man den Anglern mal einen aufs feiste Maul kloppen. Die Angst ist in den Homelands angekommen. Und Angst macht aggressiv.
Noch sind die jungen Forellen am spring- und beißfreudigsten, aber die ersten genügsamen Karpfen haben den Sprung auch schon gewagt. Und hey - es atmet sich richtig gut vor dem Schlemmerland. Frischluftparadies. Tausende zappeln jetzt aufgeregt vor dem Bankschaltern. Und es werden mehr! Das Denken funktioniert wieder im Fischhirn. So eine Freude. Denn die Idee vom offenen Meer hat die Fischköpfe erreicht. Kiemen werden Lungen. Wutgefüllt. Und wie schnell die Metamorphose fortschreitet! Hoppla, jetzt wird es ernst für die, die an der Wasserkante warten. Die Schlemmerländer sind jetzt wie hypnotisiert. Keiner schwingt wütend den vergoldeten Golfschläger. Im Gegenteil. Beruhigend wird drauflos gesabbelt. Beschwichtigend. Nur: Fische lassen sich nun mal nicht streicheln. Die kann man nur in Ruhe schwimmen lassen. Das wusste bisher noch der dümmste Angler.
Aber nochmal von der Metapher zurück ins wahre Leben: Wir und die. Mensch und Banker. Die Gier hat den kritischen Punkt überschritten und echte Angst erzeugt. Was lange noch als schlau und gewieft galt, ist als asozial enttarnt. Die Sorge um die Grundbedürfnisse ist mächtig-gewaltig auf die Agenda gesetzt worden. Und der Raubzug wird endlich als das erkannt, was er ist: ein Grundbedürfnisse gefährdender, brutaler Akt. Eine asozialer Angriff ungeahnten Ausmaßes. Weltweit. Der Kampf ist vom Ghetto aus auf der Hauptstraße angekommen. Schlemmerland ist noch nicht abgebrannt. Aber die Lunte ragt obszön herausfordernd aus den Fresstempeln, den Tresorräumen und Golddepots . Den englisch sprechenden Anzugträgern mit den deutschen Namen und ihren willigen Gefolgsleuten wurde gerade der Krieg erklärt. Nicht von einer Partei, einer Organisation, einer Volksgruppe, einer Minderheit. Jedermann ist auf der Straße. Und Jedermann ist kein Banker wie Gold-, Silber- oder Platinman. Jedermann ist jeder Mann und jede Frau. Die Fackel brennt. Nur eine Frage der Zeit, bis sie mal einer absenkt und probeweise ans Fundament hält. Gold, Silber und Platin haben einen niedrigeren Schmelzgrad. Reinigendes Inferno? Katharsis sogar? Mindestens aber zunächst der Wertewandel. Anti-materiell, also die Bedeutung von Geld vernichtend. Ist der Teich halb voll oder schon halb leer? Erst wird die Gleichgültigkeit, dann die Komplexität zerschlagen. Und dann wird eine atemberaubende Klarheit erlebbar. Die menschlichen Grundbedürfnisse sind: Kleidung, Behausung, Nahrung und Zuneigung.
Die neue Cleverness wird nicht in Harvard trainiert, sondern auf den dann gar nicht mehr so rausgeputzt daherkommenden Betonkunstplätzen vor den gold-, silber-, platinglänzenden Türmen der Asozialen. Erst kippt die Denke, dann die Türme. Dann jammert der Asoziale. Aber, die Sache ist zu fortgeschritten.
Klar, der Wandel wird zunächst auch an den Grundbedürfnissen kratzen. Die Angst hat noch mehr Kraft, als die Wut über die Asozialen. Aus welchen Grund auch sonst rufen Regierungen zur Lösung unserer sozialen Probleme dann ausgerechnet die Asozialen in den Bankentürmen zur Hilfe? Es ist ganz einfach so: Die Angst unsere Grundbedürfnisse am Ende doch nicht mehr ausreichend befriedigen zu können, lähmt und befeuern den Banker noch mehr. Mehr noch: Auf diese Angst hat er gewartet. Das ist sein Gier-Signal. Das Signal für den Generalangriff der Asozialen. Der Staat schreit nach Geld, das unsere Angst beruhigen soll. Aber geliehenes Geld ist eine Beruhigung mit beängstigend kurzer Halbwertzeit. Der Asoziale winkt dann immer aufgeregter mit dem Geld und die Spirale dreht sich weiter und weiter für sein geliebtes Schlemmerland.
Mit dieser Angst muss nun endgültig Schluss sein. Um kampffähig zu werden und zu bleiben braucht es also zunächst:
Die Vorbereitungen für den Ernstfall (t.b.c.)
Behausung
1.Anschaffung eines guten Kaminofens. Hier ist nicht unbedingt nur die Heizleistung entscheidend, sondern das Gewicht. Faustregel: Je mehr Gewicht, desto mehr Wärmespeicherqualität. Ein Kaminofen macht unabhängig, wenn die Leistungen der von den Asozialen ebenfalls abhängigen privatisierten Stadtwerke nicht mehr bezahlbar sind.
2.Holz sammeln. Vorräte anlegen. Den nächsten Wald auskundschaften. In renaturisierten Schonungen liegt besonders viel Altholz am Boden. Dazu ein geeignetes Sammelfahrzeug bereitstellen, das einen gewissen Transportradius gewährleistet. Unabhängig vom Auto als Transportmittel machen. Denn das ist möglicherweise längst von den Finanzierungsbanken der Asozialen eingezogen worden. Oder Sprit ist sowieso unbezahlbar geworden. Also stabilen Handwagen oder noch besser ein stabiles Fahrrad mit Transportanhänger und Ersatzteilen bereitstellen.
3.Hauseigentum verkaufen, bevor es zur Insolvenzmasse gemacht wird. Den Erlös für die Zeit danach in zinsunabhängige Werte umwandeln: Gold, Kunst, was immer.
4.Wohnung anmieten. Aber nicht bei einem privaten Vermieter, sondern besser bei Wohnungsgenossenschaften oder stadteigenen Wohnungen. Denn die haben – ihren Statuten nach – im Krisenfalle nur stark eingeschränkte Möglichkeiten zur Räumungsklage. Sicherheitshalber in solchen Stadtvierteln ansiedeln, die das niedrigste Einkommensniveau der Stadt haben. Da ist, wenn es zur Krise kommt, die Hausbesetzung als Alternative größer, da alle viel eher das selbe Schicksal teilen.
5.In der Wohnung einen Raum als Lagerraum für haltbare Lebensmittel und Konserven einrichten. Möglichst fensterlos und kühl.
6.Dicke Teppiche anschaffen. Warmes Bettzeug möglichst doppelt.
7.Fenster isolieren.
8.Badewanne ist besser als Dusche. Hier kann man notfalls größere Mengen Wasser einlaufen lassen, falls es auch beim Wasser zu zeitweisen Engpässen kommen sollte.
9.Für fernsehunabhängige Unterhaltung sorgen. Spiele kaufen. Papier und Stifte.
10.Große Vorräte an Kerzen und Streichhölzer anlegen.
11.Über produzierende Heimtätigkeiten nachdenken und vorbereiten. Was kann man gemeinsam produzieren, was andere brauchen und was ggf. als Tauschmittel mit den Nachbarn Sinn macht. Zum Beispiel Wollreste einkaufen in großen Mengen und bunte wärmende Flickendecken häkeln. Was immer einem am besten geeignet erscheint. Mehrere Möglichkeiten vorbeireiten, damit man Alternativen hat.
12.Für die gemeinschaftliche Erbauung einfache, stromunabhängige Musikinstrumente anschaffen.
13.Gutes Werkzeugsortiment und Werkmaterialien anschaffen für alle Gelegenheiten.
14.Sportgeräte anschaffen. Ggf. moderne Trimmfahrräder, die auch bedingt zur Stromerzeugung für Batterieladegeräte geeignet sind.
15.Wichtiges Thema: Garten. Selbstversorgung. Bei der Anmietung möglichst auf einen kleinen Garten- oder Vorgartenanteil achten. Notfalls ein kleines Brachland zu mieten. Hier idealerweise auf schon vorhandenen Obstbaumbestand achten. Auch kann hier Kaninchenschlachtvieh gehalten werden. Die haben eine große Vermehrungsrate. Sind genügsam in der Ernährung (Unkraut, Gras) und obendrein leise und stören die Nachbarn nicht.
16.Zum Kaminofen einen ebenso beheizbaren Küchenherd besorgen. Heizen und kochen. Die Küche wieder zum Mittelpunkt des Hauses machen.
Bekleidung
1.Zunächst eine Nähmaschine besorgen. Logischerweise eine ohne Stromantrieb. Die guten alten Tretmaschinen sind nicht nur robust, sondern auch viel einfacher in der Handhabe, wenn man sich eine gewisse Trainingsphase gönnt. Für ausreichend Zubehör und Nadel und Faden sorgen.
2.Besonders für Eltern empfehlenswert: Rechtzeitig mit Nachbarn anfreunden, die ältere Kindern haben, also Kleidung regelmäßig an jüngere weiterreichen können. Ebenso Eltern mit jüngeren anfreunden um umgekehrt zu verfahren.
3.Reparaturfähige Schuhe kaufen. Im Baumarkt einen Dreifuß besorgen und alles was man an Zubehör für Schuhreparaturen benötigt. Wenn sich so jemand findet, einen Schuster in Rente engagieren und gegen ein kleines Entgelt die Basics erklären lassen.
4.Eine ausreichende Menge an Knöpfen usw. ansammeln.
5.Es kommt nicht mehr auf die modische Optik, sondern auf die Menge und die Haltbarkeit an. Wegen zu erwartender Schädlingsgefahr sollte weitgehend auf Naturprodukte verzichtet werden. Thermosocken, Thermounterwäsche und robuste Oberbekleidung sind zu bevorzugen. Innerhalb des Hauses sollte so wenig Kleidung wie möglich getragen werden um die Abnutzung möglichst gering zu halten.
Nahrung
1.Grundsätzlich die Ernährungsangewohnheiten schon einmal umstellen. Nur noch Leitungswasser statt Säften usw. Hülsenfrüchte häufiger in den Speiseplan einbauen. Rezeptvarianten probieren. Denn Hülsenfrüchte sind getrocknet lange haltbar und benötigen wenige Zutaten für ein vollwertiges Gericht.
2.Eine schöne Menge mahlfähiger Gewürze wie Pfeffer usw. bereithalten. Gewürze machen aus einfachen Zutaten später raffinierte schmackhafte Gerichte.
3.In Supermarkt Haltbarkeiten von Dosen und Trockenlebensmitteln studieren und danach einkaufen. Fündig wird man auch im Bundeswehreinkauf oder beim THW. Schauen wo man deren Notreserven an Lebensmittel mit hohen Haltbarkeiten einkaufen kann.
4.Vitamine, Mineralien als Tabletten oder Brausetabletten besorgen (das gleiche gilt übrigens auch für Medikamente – da sollte man über Privatrezepte vom Arzt des Vertrauens einen guten Vorrat ansammeln.)
5.Zusätzlich zum Mehllager Korn besorgen und eine Hand-Kornmühle. Das Korn ist haltbarer und als Nebeneffekt auch eine gesündere Ernährung als Weißmehl.
6.Einen großen Vorrat von hochkalorischen Luxuslebensmitteln wie Schokolade anzulegen.
7. Zucker, Salz, Suppenwürfel, trockene Hülsenfrüchte, Nudeln und andere nichtverderbliche Lebensmittel in großer Menge trocken lagern. Denn frische Lebensmittel werden sie in Zukunft nur noch zur Verfügung haben, wenn diese selbst angebaut bzw. aufgezogen werden.
8.Vorräte vor anderen sichern, die eine Bevorratung nicht für nötig gehalten haben. IN letzter Instanz also Bewaffnung um die Nahrung zu schützen. Dabei allerdings nicht vergessen: Der Feind ist nicht der hungrige Nachbar. Der Feind kauft nach wie vor mit der Platinkreditkarte im Schlemmerland ein.
(UM VERVOLLSTÄNDIGUNG WIRD GEBETEN)
Sicher, die Sache klingt banal. Aber was könnte banaler, also basischer sein, als die Aufgabe, unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen? Da gibt es keinen Diskussionsbedarf, kein Zerreden, keinen Schnick-Schnack und auch keine Befindlichkeiten mehr.
Diese Auflistung kann nicht vollständig sein. Sie lebt im Gegenteil von der ständigen Erweiterung hin zum Ernstfall. Als Deutsche haben wir allerdings den Vorteil, das es fast jeder noch ältere Verwandte oder Nachbarn findet, die Notzeiten erlebt und vor allem: überlebt haben. Dort gibt es meist die wertvollsten Tipps und ggf. sogar noch Geräte wie die Kuchenbackform für den Kohleherd und den Tipp, doch statt Anmachholz getrocknete Tannenzapfen zu verwenden, die frisch aus dem Wald in einer kleinen Kippe neben dem Herd automatisch trocknen.
Die Sache könnte also nicht nur entbehrungsreich, sondern auch traditionspflegenden, zusammenführend, und nicht zuletzt eine besondere Herausforderung an Kreativität und Erfindergeist sein. Leider wird es die Asozialen nicht sozialer machen. Aber es könnte dafür sorgen, dass sie immer mehr im eigenen Saft schmoren und dann also letztlich samt ihrem menschenverachtenden, asozialem System implodieren.
* dank an Heinrich Schmitz für die Ergänzung der Überlebenstipps!
Text zur Museumseröffnung als pdf:
Militaerhistorische-Museum-in-Dresden (pdf, 223 KB)
Mein Freund RA Heinrich Schmitz erinnert uns in diesem neuen wunderbaren Plädoyer mit vollem Recht mal wieder daran, was es bedeutet, mit einem oder mit zweierlei Maß zu messen. Und er macht sich zum Anwalt von Menschen, die sonst keinen mehr haben. Wir müssen uns entscheiden: Mensch oder Schwein sein.
Und das darf dann eben nicht nur für den sympathischen Migranten-Langfinger gelten sondern muss auch für die gelten, die so weit weg sind von all dem, was wir mit Menschlichkeit verbinden. Ich weiß gar nicht, ob Heinrich mir zustimmen würde, aber für mich ist er ein radikaler Denker. Einer der das Gute radikal zu ende denkt. Eine seltene Tugend heutzutage. In einer Zeit, in der selbst von deutschen Boden aus Kapitaleigner über ihre deutschen Lobby-Politiker wirtschaftlichen Erfolg vor Grundrechte stellen und unser wertvollstes Gut, das über Jahrhunderte erkämpfte Menschenrecht mit Partnerschaften zu Staaten wie China und Russland penetrieren, ist rückhaltlose Abwehr und Hoffnung besonders notwendig.
Gäbe es eine Radikaldemokratische Partei Deutschland – ich würde hoffen, einer wie Heinrich hätte da eine führende Position.
Von Heinrich Schmitz
Es gibt Menschen, die der Meinung sind, bei Straftätern werde viel zu viel gefackelt, es sei doch gar nicht nötig sich die Mühe eines langwierigen Strafverfahrens zu machen, kurzer Prozess, guter Prozess, ratzfatz Schwanz ab, u.s.w. . Ich fürchte, diese Menschen sind mittlerweile in bester Gesellschaft, wenn nicht sogar schon in der Mehrheit.
Was glauben Sie?
Jedes Mal, wenn ich meiner Arbeit als Rechtsanwalt nachgehe und einen Menschen, der als Angeklagter vor Gericht steht, verteidige, erlebe ich Reaktionen meiner Umwelt, die - jedenfalls dann, wenn die Medien über das Verfahren berichten - für mich lange Zeit absolut irritierend und unverständlich waren. Normale Bürger schreiben plötzlich Kommentare, Leserbriefe und persönliche Mails, aus denen der blanke Hass spricht. Gegen den Täter, gegen das Gericht, gegen den Verteidiger.
Gerade bei Sexualstraftätern ist das Kommentarvolumen besonders ausgeprägt und lässt inhaltlich erschrecken. Menschen, die im Alltagsleben in keiner Weise auffällig sind, lassen ihren Gewaltphantasien ungehemmt freien lauf und reden und schreiben plötzlich, man müsse "das Schwein langsam ausbluten lassen" , "eine Kugel wäre zu schade" und - für mich gedacht - was man "für ein Schwein sein müsse, wenn man so ein Monster verteidige".
Wenn ich dann im Gespräch einwende, ein ordnungsgemäßes Strafverfahren mit einer optimalen Verteidigung, sei ein Gebot des Rechtsstaats, werde ich häufig völlig verständnislos angeschaut. Ein beliebtes Argument auf den Hinweis, auch der Angeklagte habe Grundrechte, wird oft triumphierend damit beantwortet, das Opfer habe auch Grundrechte gehabt, die der Angeklagte ebenfalls verletzt habe. Für solche Schweine brauche es keinen Rechtsstaat.
Hier liegt ein doppelter Irrtum vor. Einmal steht die Feststellung, ob der Angeklagte irgendwelche Rechte verletzt hat, immer erst am Ende eines Verfahrens - das liegt an der sich aus Art. 20 GG ergebenden Unschuldsvermutung -, zum anderen ist der Angeklagte, ebenso wie jeder andere Bürger, nicht derjenige vor dem uns das Grundgesetz schützt. Das Grundgesetz schützt nämlich den Bürger vor dem Staat und nicht etwa vor seinem Mitbürger.
Wenn die Unschuldsvermutung in Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ausdrücklich so erklärt wird, „Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.“ , klingt das zwar sehr schön, es ist aber einer zunehmend größeren Anzahl von Menschen vollkommen gleichgültig. Aufgehetzt von bestimmten Medien, die bereits Verdächtige als "Monster", "Killer" oder "Ungeheuer" bezeichnen, glauben sich viele Bürger berechtigt, auf die Feststellungen des Gerichts verzichten zu können und malen sich genüsslich aus, wie schön es doch wäre, wenn dieser lästige Rechtsstaat ihnen einmal freien Lauf zur Lynchjustiz geben würde. "Eigenhändig" würden sie das "Schwein schlachten", am liebsten ganz langsam und unter Qualen. Natürlich wären sie auch "ohne mit der Wimper zu zucken" bereit, einen Verdächtigen zu foltern oder wenigstens damit einverstanden, wenn die Polizei dies täte. Für diese Menschen ist der Rechtsstaat überflüssiger Luxus. Ein Volk sieht rot.
Eine Zeit lang, habe ich angesichts solcher Äußerungen gedacht, es handele sich nur um unbedachte Äußerungen, die - wenn man mal vernünftig mit den Leuten redet - von diesen auch als solche erkannt würden. Leider nicht.
Es ist vielmehr das Ergebnis eines immer größeren Unverständnisses dafür, was ein Rechtsstaat ist und warum es ein Glück ist, in einem Rechtsstaat leben zu dürfen. Ein grundlegendes Unverständnis warum der Staat ausschließlich gesetzlichen Vorgaben in einem ordentlichen Verfahren folgen muss, um sich selbst zu legitimieren. Zwei deutsche Staaten , die Menschen ohne Verfahren oder mit Scheinverfahren aus dem Verkehr zog, hatten wir doch schon. Soll es ein dritter sein ?
Ist es so schwer zu begreifen, dass Hass,Wut und Rachegelüste zwar nachvollziehbare archaische menschliche Gefühle angesichts eines furchtbaren Verbrechens sind, dass aber Hass, Wut und Rache Gefühle sind, die zwar der Einzelne haben darf, vielleicht sogar notwendigerweise hat, aber niemals ein Rechtsstaat ?
Wie kommt es , dass Internet-Seiten wie "Keine Gnade für Kinderschänder" , deren rechtsradikaler Ansatz unübersehbar ist, von ganz normalen Bürgern Zustimmung erfahren ? Wie kommen diese Leute überhaupt auf die Idee, im Strafverfahren gäbe es Gnade für einen Verbrecher ?
Zweck des Strafverfahrens ist zunächst die Schuldfeststellung und dann die Verhängung einer gerechten Strafe.
In früheren Zeiten wurde auch in Deutschland die Schuld durch ein Geständnis festgestellt. Wenn der Verdächtige nicht gestehen wollte, zeigte man ihm erst einmal die Folterwerkzeuge und wenn er dann immer noch nicht gestehen wollte, musste man ihn halt solange foltern, bis er entweder geständig oder tot war. Keine echte Wahl für den Kandidaten. Dass es auch heute noch viele Länder gibt, die sich derartiger Praktiken bedienen oder Verdächtige in andere Länder verbringen, wo Folterpraktiken zur Vernehmungsroutine gehören, wird hoffentlich keinen dazu bringen, derartiges für richtig zu halten. Dachte ich. Dass aber viele Bürger das Zeigen von Folterwerkzeugen und auch die Folter selbst total richtig finden, war z.B. im Fall Gäfgen unübersehbar. Der Zweck heiligt die Mittel, nicht wahr ?
Das kann man nur bejahen, wenn die Konsequenzen einer solchen Missachtung der Regeln nicht zu Ende gedacht werden. Das kann niemand wirklich wünschen, jedenfalls nicht, wenn er vorher einmal in Ruhe darüber nachdenkt, dass er selbst unschuldig in ein Strafverfahren verwickelt werden könnte.
Zu einem rechtsstaatlichen Verfahren gehört auch, dass der Angeklagte sich gegen die Anklage wehren kann. Und dazu braucht er zwangsläufig einen Verteidiger, der das Verfahren kennt. Sonst wäre er dem Gericht - auch als Unschuldiger - mehr oder weniger ausgeliefert.
Der Verteidiger verteidigt übrigens einen Menschen und nicht eine Tat. Dass der Angeklagte ein Mensch ist, fällt in manchen Kommentaren gar nicht mehr auf. Wer glaubt, dass ein Strafverteidiger ein Verbrechen ganz toll findet oder kein Mitgefühl für das Opfer hat, liegt vollkommen falsch. Aber indem der Verteidiger auf die Einhaltung der Regeln achtet, verteidigt er nicht nur den Angeklagten, sondern gleichzeitig den Rechtsstaat.
Ein Angeklagter ist ein Mensch, für den die gleichen Grundrechte gelten müssen wie für jeden anderen. Ganz egal wie die Anklage lautet und ganz egal was die Presse so berichtet hat und was das geschätzte Publikum so denkt. Wer dem Angeklagten diese Grundrechte abspricht, der muss sie zwingend auch allen anderen Menschen einschließlich sich selbst absprechen. Wer dem Angeklagten seine Grundrechte abspricht, will den Rechtsstaat abschaffen.
Wollen das diese Menschen nun wirklich oder haben sie nur nicht genug über die Konsequenzen nachgedacht ? Wollen Sie tatsächlich einen Staat, der seine Bürger umfassend überwacht, die Telefone abhört, Computer ausspäht, die Wohnung verwanzt, Verdächtige foltert, ohne ordentliches Verfahren verurteilt ? Wollen sie alle Errungenschaften des Rechtsstaats wirklich in die Tonne klopfen, nur um an einem vermeintlichen Straftäter blutige Rache üben zu können ? Wollen Sie das wirklich ?
http://www.freitag.de/politik/1140-hiergeblieben
Verkehrte Ressourcen-Welt
Occupy Wall Street hat das Pozential, die Bewegung zu werden, die unsere Gesellschaft nachhaltig verändern wird. Auch weil die Umstände andere sind als 1999 in Seattle
Ein Prozent der Bevölkerung liebt die Krise: Das eine Prozent, das den Reichtum kontrolliert. Wenn die Leute in Panik geraten und verzweifelt sind, ist für sie der ideale Zeitpunkt gekommen, um ihre Wunschliste an unternehmensfreundlichen politischen Maßnahmen durchzudrücken: Privatisierung von Bildung und Sozialausgaben, Kahlschlag im öffentlichen Dienst und die Aufhebung der letzten Beschränkungen der Machtbefugnisse der Unternehmen. Dies ist, was vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise weltweit vor sich geht.
Es gibt nur eine Sache, die diese Taktik vereiteln kann, und glücklicherweise ist diese Sache sehr groß: Von Madison bis Madrid gehen die übrigen 99% der Bevölkerung auf die Straße und sagen: „Nein. Wir zahlen nicht für eure Krise.“ Dieser Slogan war 2008 in Italien zum ersten Mal zu hören. Er breitete sich nach Griechenland, Frankreich und Irland aus und gelangte schließlich auf jene Meile, auf der die Krise ihren Ausgang genommen hat.
Viele haben Parallelen zwischen Occupy Wall Street und den sogenannten Anti-Globalisierungsprotesten gezogen, die 1999 in Seattle weltweite Aufmerksamkeit erregten. Seither haben wir wir so etwas nicht mehr erlebt: Eine weltweite, von Jugendlichen geführte, dezentralisierte Bewegung nahm die Herrschaft der Unternehmen direkt ins Visier. Ich bin stolz, Teil dessen gewesen zu sein, was wir „Bewegung der Bewegungen“ nannten.
Aber es gibt wichtige Unterschiede. Wir wählten damals Gipfeltreffen als unsere Ziele: die Treffen der Welthandelsorganisation, des Internationalen Währungsfonds und der G8-Staaten. Dies war mit ein Grund dafür, dass wir immer nur für kurze Zeit zusammenkamen. Im Rausch des übersteigerten Patriotismus und der Militarisierung, die auf die Anschläge vom elften September folgten, war es leicht, uns, zumindest in Nordamerika, komplett von der Bildfläche zu verdrängen.
Occupy Wall Street hat demgegenüber ein festes Ziel gewählt und seinem Protest kein zeitliches Ende gesetzt. Das ist klug. Nur wenn man an einer Stelle bleibt, kann man Wurzeln schlagen. Das ist entscheidend. Denn viele Bewegungen sprießen aus dem Boden wie schöne Blumen, sterben dann aber schnell wieder ab, weil sie keine Wurzeln ausgebildet und keine langfristigen Pläne gemacht haben, wie sie sich am Leben erhalten wollen. Wenn dann ein Sturm aufkommt, werden sie hinweggeweht.
Eine basisdemokratische Organisation ist großartig und eignet sich sehr gut für den Aufbau von Strukturen und Institutionen, die robust genug sind, den kommenden Stürmen zu trotzen. Ich habe große Hoffnung, dass dies passieren wird.
Und auch etwas anderes macht diese Bewegung richtig: Ihr habt euch der Gewaltfreiheit verschrieben und euch geweigert, den Medien Bilder von zerbrochenen Scheiben und Straßenschlachten zu liefern, nach denen es sie so sehr verlangt. Dadurch habt ihr es geschafft, dass ein ums andere Mal über die abscheuliche und grundlose Polizeigewalt berichtet wurde.
Der größte Unterschied zu 1999 besteht allerdings darin, dass wir uns damals auf dem Höhepunkt eines hitzigen Wirtschaftsbooms mit dem kapitalistischen System angelegt haben. Die Arbeitslosigkeit war gering, die Aktienbestände prall gefüllt. Die Medien waren besoffen von leicht zu verdienendem Geld. Alles drehte sich um Start-Up-Unternehmen, nicht um Firmenschließungen. Wir wiesen darauf hin, dass die Deregulierung, die der Rausch mit sich brachte, ihren Preis hatte. Sie höhlte die Arbeitnehmerrechte und Umweltschutzbestimmungen aus. Unternehmen wurden mächtiger als Regierungen. Unsere Demokratien nahmen Schaden. Aber während die Wirtschaft brummte, war es sehr schwer, den Leuten zu vermitteln, warum sie gegen ein auf Habgier fußendes System aufbegehren sollten, zumindest in den reichen Ländern des Westens.
Es gibt keine reichen Länder mehr
Zehn Jahre später schient es so, als gebe es gar keine reichen Länder mehr, nur sehr viele reiche Menschen. Menschen, die reich werden, indem sie den gesellschaftlichen Wohlstand plündern und die natürlichen Ressourcen des Globus bis zu deren Erschöpfung ausbeuten. Heute liegt es für jeden offen zutage, dass das System zutiefst ungerecht und außer Kontrolle geraten ist und wir der Natur unwiederbringlichen Schaden zufügen.
Wir überfischen die Ozeane, verschmutzen unser Wasser durch Tiefseebohrungen, bedienen uns der schmutzigsten Energieformen, die es auf dem Planeten gibt, wie den Teersanden in Alberta. Die Atmosphäre kann die Menge an CO2 nicht aufnehmen, die wir ausstoßen. Es kommt zu einer gefährlichen Erwärmung. Die neue Normalität besteht aus einer Abfolge von Katastrophen: wirtschaftlichen und ökologischen.
Diese Tatsachen sind so offensichtlich, dass es heute wesentlich einfacher ist als 1999, mit der Öffentlichkeit in Verbindung zu treten und schnell eine Bewegung aufzubauen.
Wir alle wissen, oder spüren doch zumindest, dass die Welt Kopf steht: Wir verhalten uns, als sei endlos vorhanden, was doch begrenzt ist: fossile Brennstoffe und der Raum in der Atmosphäre, um die bei deren Verbrennung entstehenden Emissionen zu fassen. Gleichzeitig verhalten wir uns so, als gebe es gesetzte und unverrückbare Einschränkungen dessen, wovon in Wahrheit reichlich vorhanden ist: die finanziellen Ressourcen, um die Art von Gesellschaft zu errichten, die wir brauchen.
Heute besteht die Aufgabe darin, diese Verkehrung wieder aufzuheben und die Behauptung, es bestünde ein Mangel an finanziellen Mitteln, in Frage zu stellen. Darauf zu bestehen, dass wir es uns leisten können, eine vernünftige Gesellschaft aufzubauen, die alle mit einschließt und gleichzeitig die wirklichen Grenzen dessen zu respektieren, was die Erde verkraften kann.
Der Klimawandel macht erforderlich, dass uns dies innerhalb einer bestimmten Frist gelingt. Dieses Mal darf unsere Bewegung nicht abgelenkt, geteilt oder hinweggespült werden oder ausbrennen. Dieses Mal müssen wir Erfolg haben. Und ich spreche nicht davon, die Banken zu regulieren und die Steuern für die Reichen zu erhöhen, auch wenn das wichtig ist.
Ich spreche von der Veränderung der Werte, die unserer Gesellschaft zugrunde liegen. Diese lässt sich nur schwer in eine einzige, medienkompatible Forderung pressen und es schwer zu sagen, wie man es angehen soll. Doch das ändert nichts an der Dringlichkeit dieser Veränderung. Und das ist, was ich auf diesem Platz sehe.Daran, wie ihr euch gegenseitig mit Essen versorgt, euch gegenseitig warm haltet, Informationen teilt, medizinische Hilfe leistet, Mediationskurse und Empowerment-Training anbietet. Mein Lieblingsschild hier lautet: "I care about you". In einer Kultur, die die Menschen darauf abrichtet, den Blicken der anderen auszuweichen und zu sagen "Lass sie doch verrecken", ist dies ein zutiefst radikales Statement.
Wir haben den Kampf mit den mächtigsten wirtschaftlichen und politischen Kräften des Planeten aufgenommen. Das ist beängstigend und wird noch beängstigender werden, je weiter wir wachsen. Seid euch immer der Versuchung bewusst, auf kleinere Ziele abzudriften, wie zum Beispiel auf euren Nebenmann. Wir dürfen dieser Versuchung nicht erliegen und müssen uns im Umgang miteinander darauf einstellen, dass wir für viele Jahre zusammenarbeiten. Denn die Aufgabe, die vor uns liegt, erfordert nichts Geringeres.
Lasst uns diese großartige Bewegung behandeln wie die wichtigste Sache auf der Welt. Denn sie ist es wirklich.
Eine Annäherung an einen neuen Typus des Privatisierungsgegners.
Mir fällt der Begriff dafür nicht ein. Kann sein, das liegt daran, dass es ihn noch gar nicht gibt. Dann wird es aber höchste Zeit, ihn zu erfinden.
Er soll einen Typus erklären, der mit „Die 68er“ nicht mehr hinreichend beschrieben ist. Gemeint sind diese Jungs und Mädels mit der immer penetranter werdenden, omnipräsenten Aufforderung zu Verhaltensweisen, die ganz und gar nicht mehr dem Verhalten entsprechen, das man selbst für völlig normal hält.
Klar, man hat gelernt, über vieles hinwegzugehen. „LMAA“. Kühn behauptet, war „LMAA“ sogar mal so etwas wie die soziale Norm. Nicht überall, aber auch kein Kleinod. Trend. Zeitgeist. Und schon ein wenig albern im Gefolge von „No-Future“ angesiedelt. Aber was man heute als soziale Norm mitnehmen soll, wird immer befremdlicher und das Gefühl: „So, nun ist aber mal gut“, wie gegenüber einem renitenten Kind, wird stärker. Zwingender.
Es geht um diese selbsternannten Fachleute für soziale Normen, die immer frecher werden und zunehmend mit großer Fresse und nacktem Zeigefinger agieren. Es ist tatsächlich so: soziale Normen basieren scheinbar immer weniger auf Werten, vielmehr auf sozialer Kontrolle. Nicht die innere Kontrolle durch selbstgewählte, auf den persönlichen Vorteil bedachte Sozialisation. Sondern die äußere Kontrolle. Also diese abstoßende, von Sanktionen geprägte soziale Kontrolle. Ausgrenzung. Und die Waffenkammer ist reich munitioniert: Political Correctness und Gender Mainstreaming sind die Standard-Kanonen. Geschossen wird prophylaktisch. Stalingeorgelte, umstandslose Gedankenabtreibung. Alltag. Als Gewaltakt überhaupt nicht mehr erkennbar.
Was zunächst wie ein Gender-Problem ausschaut, weil es so weiblich ohne offenes Visier daherkommt, passiert geschlechterübergreifend. Diese Andreas-Baader-Joschka-Fischer Nachfolger, deren Originale zwar Feminismus auf der Agenda hatten, aber trotzdem gerne mal „Ihr Fotzen“ (Baader) geschimpft haben, sind heute selbst zu Fotzen geworden. Hinterfotzig.
Ist das schon der neue Begriff? „Die Hinterfotzen.“?
Wikipedia schreibt dazu:
Das Wort hinterfotzig ist gleichbedeutend mit ‚hinterhältig‘ oder ‚hinterlistig‘ Wird eine Person als hinterfotzig bezeichnet, ist damit gemeint, dass sie nicht ehrlich gegenüber anderen ist, sondern hinter deren Rücken schlecht redet, lästert und intrigiert.
Zum Teil findet der Ausdruck hinterfotzig auch Verwendung als Synonym für ‚gemein‘ oder als pauschale Beschimpfung oder Diskreditierung, möglicherweise volksetymologisch aufgrund der Assoziation zum Ausdruck Fotze, der als derbes Schimpfwort verwendet wird.
Hinterfotzig leitet sich jedoch nicht von der sexuellen Bedeutung des Wortes Fotze (‚Vulva‘, ‚Vagina‘) ab, sondern von der in Bayern und Österreich gebräuchlichen Bedeutung ‚Mund‘ beziehungsweise ‚Gesicht‘. Eine Ohrfeige, also ein Schlag ins Gesicht, wird als a Fotzn bezeichnet, eine Mundharmonika regional auch als Fotzenhobel. Der Ausdruck Fotznspangler ist darüber hinaus eine gebräuchliche Bezeichnung für einen Zahnarzt oder Kieferorthopäden.
Die Abwehr der Hinterfotzen braucht einfache und nachvollziehbare Leitsätze. Hier der Erste: „Wenn man mit zehn Leuten an einem Tisch sitzt, und wieder derjenige ist, der die zementierte Meinung der restlichen neun nicht teilt, ist es höchstwahrscheinlich, das man sich auf dem richtigen Weg befindet.“
Gesinnungspolizei und Gutmenschensoldateska treffen sich zum klitschigem Selbstgebackenen und formulieren Ihre Meinungshoheit. Der konservative Hinterfotze wählt DIE GRÜNEN. Sein gesellschaftspolitisches Profil, sein Alltag, zeigt eine von-innen-nach-außen-Bewegung.
Nicht mehr der verborgenen Sammlung, dem einen großen Meisterwerk, gemalt, geschnitzt oder in Wörtern gilt alle Leidenschaft. Sondern Facebook-gleich glaubt man auch im realen Leben seine inneren Wert allein in „likes“ und „friends“ messen und dokumentieren zu müssen. Und sie so zu äußeren Werten zu machen.
Naturgemäß sind übrigens die Reproduzierten die stärkste Fraktion im Land der Hinterfotzen. Denn Kindergärten, Elternabende und Sportvereine sind ideale Betätigungs- und Kommentierungsfelder. Das ist ihre Pinnwand. Notfalls wird die Pinnwand erweitert und kurzfristig schnell noch ein Elternstammtisch zu diesem oder jenem Thema einberufen. Oder zusätzlich zum Turnier beim Sportverein noch ein - überhaupt nicht mit der eigentlichen Sportart in Verbindung stehendes, möglichst zeitintensives – Wochenendvergnügen organisiert.
Eltern-INITIATIVE, Elternstammtisch, Elterngespräch – Kinder zu haben ist heute in vielerlei Hinsicht zum enormen Risiko geworden. Aber es entkommt keiner: Die Kindergesegneten buhlen auch bei den Kinderlosen in der Nachbarschaft. Es gibt keine Ausreden mehr. Man kann von Glück reden, wenn der sozial engagierte Eltern-Nachbar nicht auch noch freikirchlich gebrandet ist. Denn dann brechen alle Dämme. Die Nähe braucht keine Flyer mehr im Briefkasten, die man einfach ungelesen ungesehen wegschmeissen könnte. Die Hinterfotzen klingeln penetrant. Das Licht brennt ja! Muss also jemand da sein! Nun macht schon auf! Die neuesten Termine!
Die kleine Kneipe um die Ecke erlebt jetzt eine Renaissance. Den Hauptumsatz machen heute Gesprächsgruppen. Arbeitskreise. Treffen. Menschen im Versammlungsrausch. Hinterfotzen besetzen den öffentlichen Raum. Der Begriff „Privatisierungsgegner“ bekommt eine ganz neue Bedeutung. Aber am auffälligsten: Die Sache hat eine neue Qualität der Schamlosigkeit. Gespeist aus dubiosen religionsähnlichen Glaubenssätzen.
Undiskutabel. Indiskutabel. Hinterfotzig. Die Hinterfotzen.
Willkommen im Land der Hinterfotzen. Willkommen in Deutschland.
BADBYE FACEBOOK
Ich bin profillos. Ich bin abgemeldet. Bei Facebook. Ich bekomme jetzt Facebook secondhand: Die angeblich spannendesten Facebook-Postings und -Kommentare via E-mail von Ex-„FB-Freunden.“. E-Mails als Methadon vom Facebook-Entzug. Denn klar, den gibt es natürlich. Als ich zum Ausstieg aufrief lautete die verzweifelte Antwort: „Aber wohin sollen wir dann?“ Also die Frage: Wie tief sitzt die Sucht? Ich bin mal ehrlich: Ich erinnere mich daran, sogar nachts aufgestanden zu sein, um etwas zu posten, zu kommentieren oder einfach nur um Reaktionen auf meine Postings oder Kommentare nachzuschauen.
Jetzt sitze ich offline überm Word-Programm. Der kleine schmucklose Curser blinkt. Also streng genommen „Bleistift und Papier“. Ein Gefühl wie bei Brot und Wasser? Nein, denn ein Gedanke entwickelt sich, weitere Gedanken kommen dazu. Eine Idee entsteht. Eine weitere. Und dann lese ich etwas, das mir so gefällt, wie mir früher Sachen gefallen haben, denen ich die Zeit gelassen habe, die sie eben brauchen. Und tatsächlich: Ich fange an, meine natürliche Geschwindigkeit wiederzufinden. Vielleicht hat das sogar etwas mit einem Biorythmus zu tun. Mit natürlicher Geschwindigkeit. In meinem Format. In meinem Cluster. Jawohl: Der Ernstfall ist wieder eingetreten. Und das fühlt sich gut an. Facebook ist die Probebühne. Schreiender, lauter, vergesslicher. Oder einfach dümmer.
Per E-Mail klopfen mir Noch-Facebooker auf die Schulter. Klar: Süchtige muntern sich gegenseitig auf. Fast so, als gäbe es einen Austiegskonsens. Aber auf Methadon fehlt
dieser spezielle Kick. Das weiß eben jeder. Das macht es so schwer. Diese rauschhafte Punktlandung eines schnellen Kommentars, der einen laschen Thread erst richtig zum Leuchten bringt. Ein vielfach ge-like-ter kurzer Kick mit einer Wirkzeit – typisch Sucht! – die mit der Zeit immer kürzer geworden ist. Immunität gegen Facebook? Oder reine Überlebensstrategie?
Facebook: Ein paar machen den Lead, andere orientieren sich. Und so bleibt es dann thread für thread. Alle sind süchtig nach ein bisschen Bekanntheit und das bedient facebook eben leider perfekt. Omnipräsent. Ein übles Gesellschaftsgeschwür. In Zukunft will Facebook-Zuckerberg, das wir unser ganzes Leben auf das Facebook-Profil pressen. Aber Pustekuchen im Facebook: kein Aufschrei, kein panisches Verlassen. Keine plötzliche Erkenntnis. Ja doch: Ein Verhalten wie im stillen Auge einer Massenpsychose. Das Schweigen der Lämmer. Freiwillige Aufgabe von Autonomien, die doch im Laufe des Erwachsenwerdens so mühevoll errungen wurden.
Ich bin sicher: Wäre Facebook in Flaschen abgefüllt, hätten wir ein beängstigenden Maß an Beschaffungskriminalität, die hilflos machen würde. Ich bin jetzt nicht mehr im Facebook. Und ich bin auch sicher: Nein, man kann nicht nur ein bisschen Facebook sein. So wie man nicht ein bisschen Heroinanhängig sein kann.
Aber das Entscheidenste: Es geht um unsere Daten, es geht um Verwertung von Daten, es geht um Datenschutz, es geht um Auslieferung – und wer das alles zulässt, der stellt Freiheit in Frage. Freiheit ist in der Demokratie fest eingebettet. Aber Facebook steht mit der Demokratie auf Kriegsfuß. Facebook ist ein hässliches Kind unserer Zeit. Eine Zeit in der Demokratie kein absoluter Wert mehr ist. Und sie in Frage zu stellen längst kein Tabu mehr. China und Russland sollen gute "Freunde" bleiben. Und was war mit der Facebook-Revolution? Wer an so einen Medien-Quatsch glaubt, der postet auch Bilder von seinen Katzen im Facebook und wünscht seinen "Freunden" jeden Abend drei Mal hintereinander "Gute Nacht!" und steht dann trotzdem 25 Min. später wieder auf. Einsamkeit. Elend. Traurigkeit. Und das hundertfach gelikt.
Ich behaupte obendrauf noch – und auch davon bin ich zutiefst überzeugt: Das Alles ist auf kurz oder lang ein Vernichter von Meinungsvielfalt. Ein übler Gleichmacher. Nicht mal nur aus sich heraus, sondern noch viel mehr über vorauseilenden Gehorsam. Freiwillige Selbstkontrolle. Und die war schon immer der Feind der Vielfalt. Diese läppisch gleichförmigen Profile entwickeln sich zu Brutkammern für Blogwart-Charaktere. ‚Das ist antisemitisch, jenes rechtsradikal, anderes wieder Porno oder verdächtig kinderfreundlich.’ Die Denunziation als Volkssport einer andere – aber letztlich auch sich selbst – verachtenden Klientel. Was daraus folgt und sich immer mehr durchsetzt, ist ein wachsendes Bedürfnis nach Anti-Freiheit. Facebook als fiese Konzentrationsmaschine. Alles konzentiert sich in einem Facebook-World-Areal und die fleißigen Wächter-Bienen holen ihren sternschnuppigen Promistatus aus der Anklage. Was für eine Zukunft. Wenn der Blogwart drei mal schreit: VERWARNUNG ! ULTIMATUM! AUSSCHLUSS!
Nein, Facebook ist keine öffentliche-rechtliche Anstalt. Aber wer weiß heute überhaupt noch den Unterschied? Ja doch, ein Problem ist eben auch, das Jüngere heute überhaupt nicht mehr über die Erfahrung verfügen, was ist, wenn neuralgische Industrien und Institution in Gemeinschaftsbesitz sind: Straßenbahn, Stadtwerke, Badeanstalten, Telefonnetze, Bahnverkehr. Zukunftsforscher sind sich einig – Facebook wird zum Lebensmittelpunkt einer neuen Weltgemeinschaft werden. Aber diese neue Weltgemeinschaft wird sich in Privathand befinden.
Das ist doch das eigentlich erstaunliche. Die hohe Facebook-Akzeptanz läuft synchron mit einer Akzeptanz der fehlenden Kontrolle und fehlenden rechtsabgesicherten Einflussnahme auf so ein weltumspannendes Organ wie die Facebook Plattform.
Jetzt, wo wieder Banken verstaatlicht werden mussten um dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten, geht dem einen oder anderen jungen Bürger vielleicht ein Licht auf, das es auch an anderer Stelle Potential für Schieflage vorhanden sein könnte. Aber der Wutbürger in Deutschland ist über 45. Bei den Jüngeren verpufft das Vorsicht-Signal im Worldwideweb. Zwei drei Kommentare (vielleicht sogar mit letzter Kraft ein Posting!) im Facebook und schon ist der ganze Druck vom Kessel. Und damit hat sich auch eine Erkenntnis verflüchtigt, die früher, als der Feind noch hinter dem eisernen Vorhang verborgen schien, elementarer war: Wir haben in unseren westl. Gesellschaften einen hohen Rechtsstandard – bzw. ein hohes Unrechtsgefühl – das ohne unsere Gegenwehr mehr und mehr auf das niedrige globale Weltniveau eingeschmolzen wird. Ein verheerender Fehler. Und um so mehr eine der wichtigsten zukünftigen Staats- und Bildungsaufgaben: auf diesen Missstand aufmerksam machen! Transparenz. Wir versündigen uns dabei übrigens nicht nur an unseren Nachfahren, sondern ebenso an unseren Vorfahren, die dieses Rechtsbewusstsein mühsam gegen die gekrönten Zuckerbergs der Vergangenheit erkämpft haben. Deshalb: Einen Zuckerberg sollte man als das darstellen, was er ist: Ein Mensch mit zu viel Machtfülle. Mit einer Form von Macht, die nicht in Privathände gehört. Kürzer gesagt: Facebook gehört unabhängig kontrolliert: Da hilft es nicht dubios und positivistisch von Selbstkontrolle zu fabulieren oder gar anzunehmen, Probleme würde sich aus sich heraus regulieren. Dafür braucht es eine verantwortliche Verwaltung oder mindestens eine kontrollierende Behörde. Eine, die Verantwortung trägt. Und eine die Rede und Antwort stehen muss. Oder noch kürzer: Austreten. Abmelden. Tatsachen schaffen. Nicht Profil sein, sondern Mensch mit Profil.
Ich weiß, er hört das wieder nicht gern. Er ist halt bescheiden der gute Mann. ABER, ich bin mir meiner Sache sicher:
Heinrich Schmitz gehört zu den paar aufrechten Anwälten die wir in Deutschland noch haben.
Woher ich das wissen will? Ich kann es beweisen: Welcher andere Advokat würde sich schon die Mühe machen, einen Missstand so intensiv und wortgewandt darzulegen, ohne dabei auf ein zu erwartendes Honorar zu schielen?
Klar, sein Kollege von Schirach schreibt auch zunächst ohne Honorar. Aber eben auch ohne gesellschaftspolitische Relevanz. Letztlich sind die Bestseller von Schirachs nachgeschobene Honorarforderungen: Denn ohne seine Klienten gäbe es keine Geschichten und keine Bestseller. Und nein, er teilt es auch nicht mit den elenden Figuren seiner Romane.
Mein anwaltlicher Bestseller-Autor jedenfalls heißt HEINRICH SCHMITZ. Lest es, auch wenn es unangenehm, aufwühlend und nervig im Wortsinne werden könnte. Es schockiert. Es regt auf.
Alexander
PSYCH KG DER GANZ NORMALE WAHNSINN von RA Heinrich Schmitz
Wann haben Sie das letzte Mal über das Risiko einer Zwangseinweisung in die Psychiatrie nachgedacht ? Wie, noch nie ? Betrifft Sie nicht, Sie sind ja nicht bekloppt. Ach so.
Wenn Sie in Remscheid, Bonn oder Krefeld wohnen, sollten Sie äußerst vorsichtig sein und vielleicht einen Umzug erwägen. Ihr Risiko plötzlich zwangseingewiesen zu werden ist hier
nämlich extrem hoch. Wenn Sie dagegen im Kreis Siegen, Herford oder Olpe leben, können Sie sich entspannen; in Siegen´(14,4 Unterbringungen/ 100.000 Personen) ist das Risiko einer
zwangsweisen Unterbringung ca. 18 mal geringer als in Remscheid (271,4/100.000- alle Zahlen aus 2009 ).
Da haben Sie natürlich noch nie etwas von gehört und das interessiert Sie auch nicht. Gratulation, Sie gehören zur absoluten Mehrheit. Aber wie und wo sollten Sie auch jemals etwas von Zwangseinweisungen gehört haben, es wird ja nichts darüber berichtet. Hätten Sie gedacht, dass in Deutschland jährlich rund 200.000 Menschen zwangsweise in der Psychiatrie
untergebracht werden ? Haben Sie jemals gehört, unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen das geschieht ? Nein ? Macht ja nichts, betrifft doch nur die anderen.
Ich wünsche Ihnen, dass das so bleiben wird und wir uns nicht in den nächsten Tagen kennen lernen. In einer geschlossenen Abteilung. Wo ich Ihnen mitteile, dass mich das Amtsgericht
zu ihrem Verfahrenspfleger bestimmt hat. Wünsche ich ihnen nicht, kann aber passieren. In Remscheid schneller als in Siegen, aber auch dort.
Wenn Sie jetzt als Düsseldorfer ( 154,3/100.000) denken , es sei ja klar das in Köln (214,3/100.000) mehr Jecke leben als in der feinen Landeshauptstadt , sollten sie sich eventuell fragen, warum es im nahegelegenen Neuss so viel weniger sind (88 / 100.000).
Alleine diese regionalen Unterschiede bei der zwangsweisen Einweisung in die geschlossene Psychiatrie geben zu denken. Nach den Ergebnissen der WHO macht etwa jeder 4. Europäer im
Laufe seines Lebens eine psychische Krankheitsperiode durch, in Deutschland sollen es etwas mehr als 30% sein . Die Verteilung von psychischen Erkrankungen oder Störungen innerhalb der Bevölkerung sollte in etwa gleichmäßig sein, jedenfalls kann niemand ernsthaft erwarten, dass es gravierende Unterschiede in der Häufigkeit in zwei unmittelbar nebeneinander liegenden Städten geben könnte.
Wenn dennoch derart erhebliche Unterschiede bei den Zwangseinweisungen vorliegen, besteht der Verdacht, dass dies mit dem Einweisungsverfahren und dessen regionaler Handhabung
zusammenhängen könnte.
Sie glauben an den Rechtsstaat ? Das muss doch alles gesetzlich geregelt sein ? Ja klar, ist es - ein Grund mehr sich zu wundern.
In allen Bundesländern gibt es in etwa gleichlautende Vorschriften für die Einweisung in die geschlossene Psychiatrie, die man "Unterbringung" – klingt netter - nennt.
Danach ist " Die Unterbringung Betroffener" ... " nur zulässig, wenn und solange durch deren krankheitsbedingtes Verhalten gegenwärtig eine erhebliche Selbstgefährdung oder eine erhebliche Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer besteht, die nicht anders abgewendet werden kann. Die fehlende Bereitschaft, sich behandeln zu lassen, rechtfertigt allein keine Unterbringung."
Da es sich um eine freiheitsentziehende Maßnahme - also einen massiven Grundrechtseingriff - handelt, muss die Unterbringung von einem Richter per Beschluss angeordnet werden.
Und da fängt das erste Problem schon an. Der Richter hat Rechtswissenschaften studiert, nicht Medizin oder gar Psychiatrie. Er mag, wie jeder andere Laie auch, erkennen, ob jemand vollkommen jenseits von Gut und Böse ist, aber er kann keine psychischen Erkrankungen diagnostizieren. Das fällt häufig sogar erfahrenen Psychiatern schwer, besonders wenn es ganz, ganz schnell gehen muss. Und das muss es natürlich, weil
nicht nur der kranke, sondern auch der kerngesunde Mensch in der Regel keine Lust darauf hat, sich mit anderen für ihn unheimlichen Menschen auf einer Station einsperren zu lassen. Der Wunsch, diese umgehend zu verlassen, ist außerordentlich ausgeprägt. Was macht also der arme Richter, dem der Gesetzgeber die Entscheidung über Freiheit oder Einsperren auferlegt hat ? Er erkundigt sich zunächst telefonisch bei dem Arzt, auf dessen Station der - im doppelten Wortsinne - Betroffene auf seine Anhörung wartet.
Und da fängt das zweite Problem schon an. Im Idealfall erwischt der Richter den Arzt, der den Betroffenen aufgenommen und sich mit diesem beschäftigt hat. Der kann dann wenigstens seinen persönlichen Eindruck wiedergeben. Das kommt schon mal vor.
Genauso kann es aber passieren, dass der Stationsarzt immerhin herzerfrischend ehrlich erklärt, er habe den Betroffenen noch nie gesehen, weil dieser von der letzten Schicht aufgenommen worden wurde, er können nur auf die Akte Bezug nehmen. Das ist dann für den Richter nicht wirklich hilfreich, aber was soll er machen. Innerhalb von 48 Stunden fährt der Richter nun in die Psychiatrie um den Betroffenen anzuhören.
Wäre der Betroffene jetzt ein Beschuldigter, also jemand dem man eine Straftat vorwirft, die einen Haftbefehl begründen könnte, bekäme er selbstverständlich einen Pflicht- verteidiger. Das gehört sich so in einem Rechtsstaat. Der Pflichtverteidiger könnte ihm raten zu schweigen, er dürfte ihn auf die Anhörung vorbereiten, man könnte gemeinsam eine Taktik für Vernehmungen ausarbeiten usw. - Dummerweise ist der Betroffene aber kein Beschuldigter. Hat ja nichts verbrochen, der Arme. Trotzdem, Grundrechtseingriffe sind ja eine ernste Sache und Rechtstaat ist nun mal Rechtsstaat, also bekommt auch er einen. Nein keinen Pflichtverteidiger , ist ja kein Strafverfahren , nein, er bekommt vom Gericht einen Verfahrenspfleger als Beistand beigeordnet. Im Gesetz steht : " Das Gericht hat dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist insbesondere erforderlich, wenn von einer Anhörung des Betroffenen abgesehen werden soll."
Immerhin haben die Oberlandesgerichte mittlerweile entschieden, dass so ein Verfahrenspfleger eigentlich immer erforderlich ist. Es gibt also fast immer einen.
Den Verfahrenspfleger sucht der Richter aus. Nach welchen Kriterien entscheidet er ganz alleine.
Meistens ist das dann immerhin ein Rechtsanwalt. Wenn der Betroffene dann ganz viel Glück hat, ruft der Richter den Anwalt schon vor der Anhörung an und der Anwalt kommt dann mit zur Anhörung. So wurde das früher meistens gemacht. Immer öfter fährt der Richter jetzt aber erst mal alleine zur Anhörung. Der Betroffene sitzt dann da , der Richter kommt, ein Arzt ist dabei und dann wird angehört. Würde dem Betroffenen eine Straftat vorgeworfen, würde er jetzt belehrt, dass er gar nichts zu sagen braucht. Aber er hat ja nichts verbrochen. Er kennt die Situation auch gar nicht, er ist nervös, er will raus, er ist verzweifelt, verwirrt , sauer, aggressiv, traurig oder er steht bereits unter
Psychopharmaka. Je nach dem. Meistens redet er mit dem Richter, in der Hoffnung, dieser werde ihn nicht unterbringen, sondern freilassen. So sind die Menschen, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Er erklärt also, dass das alles ein Irrtum sei. Dass er weder sich noch anderen Leuten etwas antun wolle. Dass er vielleicht gesagt habe, das Leben habe keinen Sinn, dass das aber ja auch nicht zu widerlegen sei und keinesfalls bedeute, dass er sich oder
andere umbringen wolle.
Der Richter hört sich das an, fragt eventuell nach. Und dann muss er entscheiden. Meist wird noch der Arzt angehört und dann kommt der Beschluss. Bis zu 6 Wochen kann man erst mal vorläufig untergebracht werden. Wenn's etwas mehr sein darf, muss ein Gutachten eingeholt werden. Der Betroffene ist nach der Anhörung meistens noch betroffener und bekommt die frohe Botschaft, er erhalte jetzt einen Verfahrenspfleger und er könne Rechtsmittel gegen den Beschluss einlegen. Solange der Beschluss nicht aufgehoben ist bleibt er auf der geschlossenen Station, es sei denn der Arzt entlässt ihn früher.
Wenn man Pech hat, findet die Anhörung und die vorläufige Unterbringung an einem Freitag statt, häufig nachmittags. Wenn der Richter dann zurück ins Gericht kommt - falls er nicht nach der Anhörung sofort ins Wochenende geht und die grüne Akte mitnimmt, sind alle Geschäftsstellen- und Schreibkräfte längst im Feierabend. Der Beschluss wird also erst frühestens Montag geschrieben, unterschrieben und dann dem Betroffenen und dem Verfahrenspfleger zugestellt. Soviel Zeit muss sein. Einige Gerichte haben immerhin die Geschäftsstellen angewiesen, den Verfahrenspfleger telefonisch zu informieren, sonst
kann es Dienstag oder auch Mittwoch werden, bis der Verfahrenspfleger überhaupt etwas davon erfährt, dass da jemand eingesperrt wurde. Es kann also sein, dass man schon mal eine Woche eingesperrt wird, bevor man etwas dagegen tun kann.
Sobald der Verfahrenspfleger von dem Verfahren Kenntnis erhält, sollte er sich auf den Weg zum Betroffenen machen. Das ist auch kein Problem, weil Anwälte ja nur darauf warten, alles
stehen und liegen zu lassen , Termine abzusagen usw. . Wenn man das Glück hat, einen aufrechten Kämpfer für die Freiheit zugeteilt zu bekommen, sollte man sich deshalb nicht wundern, wenn dieser sich erst nach der Tagesschau blicken lässt. Die Qualität des
Verfahrenspflegers ist dabei vom Zufall abhängig.
Da fängt das dritte Problem an. Während der normalen Ausbildung, also im Studium und in der Referendarzeit , hat der angehende Anwalt noch nie etwas vom PsychKG gehört. Das weiß auch der Richter,dem es bei gleicher Ausbildung nicht anders ging. Gleichwohl erwischt es häufig im Geschäftsverteilungsplan der Gerichte die jungen Richter. PsychKG-Sachen sind nicht gerade die Sachen, die irgendjemand gerne bearbeitet. Zu diesen häufig jungen und zwangsläufig unerfahrenen Richtern stoßen dann genauso häufig, junge unerfahrene Rechtsanwälte. Das kann mehrere Gründe haben. Vielleicht kennt der Richter noch einen
Kommilitonen der Rechtsanwalt geworden ist, vielleicht hat ein gerade erst zugelassener Freiberufler auch mehr Kapazitäten als ein erfahrener mit vollem Kalender, vielleicht glaubt mancher Richter auch, er tue den jungen Anwälten mit der Beiordnung etwas Gutes oder auch ein Verfahrenspfleger sei eigentlich überflüssig. Viele Anwälte lehnen es auch rundweg ab, als Verfahrenspfleger beigeordnet zu werden, weil sich mit Unterbringungs- sachen kein Geld verdienen lässt. Eigentlich verliert man sogar Geld, wenn man als Anwalt so dämlich ist, diese Tätigkeit zu übernehmen. Der Verfahrenspfleger erhält ein
Stundenhonorar von 33,50 € brutto inklusive Auslagen, versuchen sie dafür mal einen Klempner zu bekommen. Eine normale Pflichtverteidigung kostet den Staat schon deutlich mehr. Ist aber ja kein Strafverfahren.
Wie dem auch sei. Irgendwann werden Sie vielleicht schon sehen, wer Ihr Verfahrenspfleger ist.
Es sei denn, sie wären schon wieder entlassen worden, bevor er in die Klinik kommt. Auch das kommt vor. Da sind Sie Freitags für 3 Wochen zwangseingewiesen worden , weil Sie eine
erhebliche Gefahr für sich und andere darstellen , und zwei Tage später lässt der Stationsarzt Sie einfach wieder raus. Natürlich freuen Sie sich über die wiedergewonnene Freiheit. Der Beschluss wird wegen Ihrer Entlassung aufgehoben und die Sache ist für
die Justiz erledigt. Dass Ihre schnelle Entlassung stark dafür spricht, dass die vorherige Zwangseinweisung eher rechtswidrig war, kümmert Sie auch nicht weiter. Sie wollen ja nichts mehr mit dem Gericht oder der Psychiatrie zu tun haben. Deshalb verzichten Sie auch darauf den ursprünglichen Beschluss anzugreifen. Ist verständlich. Dass die grüne Akte, in der steht, dass sie eine Gefahr dargestellt haben , weiter existiert kümmert sie auch nicht. Da kommen Sie ja gar nicht drauf.
Es kann auch sein, dass Sie den Verfahrenspfleger doch noch kennen lernen und gegen den Unterbringungsbeschluss Beschwerde einlegen. Auch dann passiert es nicht gerade selten, dass Ihre Entlassung ganz zufällig an dem Tag erfolgt, an dem das Beschwerdegericht eigentlich entscheiden wollte. Auch dann sind Sie frei, freuen sich und über die Rechtmäßigkeit der Unterbringung wird wieder nicht entschieden. Wenn es ein Fehler war, Sie unterzubringen, merkt das keiner.
Nochmal, wir reden über Ihre Freiheit. Über die Freiheit von Menschen, denen keinerlei Straftat vorgeworfen wird, die aber möglicherweise krank sind.
Es geht beim PsychKG darum, kranke Menschen davor zu bewahren für sich oder andere eine erhebliche Gefahr darzustellen. Es geht um den Schutz der Öffentlichkeit und um den Schutz des Betroffenen.
Dagegen ist grundsätzlich gar nichts einzuwenden, wenn sichergestellt ist, dass die Kriterien für eine solche Maßnahme auch tatsächlich vorliegen und irgendwie überprüfbar sind.
Das scheint aber gerade nicht gewährleistet. Der Richter kann selbst nicht feststellen, ob jemand krank ist. Dazu braucht er den Arzt. Der Arzt will helfen, will behandeln, will Gutes tun. Ist ja kein Jurist. Dazu muss er den Betroffenen , der lieber nach Hause will, auf der Station behandeln. Das gesundheitliche Wohl des Patienten steht für den Arzt im Vordergrund, zu mutmaßen, es wäre auch die Auslastung seiner Station , würde von ihm als böswillige Unterstellung zurückgewiesen.
Der Richter muss entscheiden, ob dem Betroffenen sein Grundrecht auf Freiheit der Person entzogen werden muss. Eine vielleicht sinnvolle Behandlung des Betroffenen ist nicht Sinn und Zweck des Verfahrens, auch wenn der Arzt das meistens anders sieht. Der Richter hat nur erhebliche Gefahren abzuwehren, sonst nichts. Doch wie soll man nachweisen, dass von einem Menschen eine erhebliche Gefahr ausgeht. Vielleicht hat der Betroffene sich über etwas geärgert und lauthals Drohungen herumgebrüllt, die er aber niemals ernst gemeint hat, vielleicht ist er auch ein eher trauriger Mensch, der in der Anhörung kaum zu vernehmen ist und der mit weinerlicher Stimme spricht. Was bringt es, ihn zu fragen , ob er sich oder andere umbringen möchte ? Wenn er das tatsächlich vorhat, wird er es auf jeden Fall vehement bestreiten. Auf das Gequatsche von Familienmitgliedern zu hören kann auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Man weiss ja nicht, ob stimmt was die erzählen oder ob die einen anderen Grund haben, den Betroffenen los zu werden.
Der Richter ist also zugegebener Maßen in einer schwierigen Lage. Er soll entscheiden und kann sich absolut nicht sicher sein, die richtige Entscheidung zu treffen. Und da kommt es verständlicherweise vor, dass der Richter lieber mal die sicherere Variante wählt. Unterbringung. Lässt er den Betroffenen frei, könnte ja was passieren. Es passiert ja dauernd was, draußen, in der Freiheit. In der Psychiatrie eher nicht, und wenn, dann ist jedenfalls nicht der Richter schuld. Es gehört schon viel Mut und Entscheidungsfreude dazu, jemanden nicht unterzubringen. Und – mag der Richter sich denken – es gibt ja ein Rechtsmittel, also macht er ja nichts endgültig falsch, falls er was falsch macht.
Da die Kriterien für die Unterbringung sich nicht wie Blutalkoholwerte oder Geschwindigkeiten messen lassen, stellt die Entscheidung letztlich eine öffentlich-rechtliche Form von Hellseherei dar. Wer will schon wissen, ob von einem anderen Menschen in naher Zukunft eine Gefahr ausgeht. Da hat’s der Strafrichter schon einfacher, weil er sich mit Vergangenheit beschäftigt. Selbst wenn der Betroffenen wegen eines missglückten Suizidversuches auf die Station gekommen ist, heißt das ja nicht, dass er es gleich noch mal versuchen wird. Und nur weil jemand sich für Jesus hält, muss er ja nicht zwangsläufig versuchen über’s Wasser zu gehen und ein Nero muss nicht zwingend die Stadt anzünden.
Es ist also mehr oder weniger dem Zufall überlassen, ob Sie auf der geschlossenen bleiben oder nicht. Zufall und Rechtsstaat ? Kaum zu glauben ? Ist aber so.
Übrigens, die durchschnittliche Miete in Siegen ist etwas höher als in Remscheid, aber vielleicht ist das der Preis der Freiheit.
--
RA Heinrich Schmitz
Eine Gegenrede gegen die Argumentation meines Facebook-Austritts hier:
http://wallasch.twoday.net/stories/badbye-facebook/
Falls Alexander Wallasch wirklich facebook-süchtig gewesen wäre - was ich ernsthaft bezweifle - , wäre sein fb- Verzicht zunächst einmal ein richtiger Schritt - Entgiftung. Ob allerdings der Konsum mittels per mail übermittelter facebook.--threads mit dem Konzept der Methadon-Substituition vergleichbar ist, glaube ich nicht. Schließlich bekommt er "echten Stoff" , allerdings nicht mehr vom Hersteller, sondern vom Zwischenhändler.
Jede technische Neuerung, sei es auf dem Gebiet der Mobilität,sei es auf dem Gebiet der Kommunikation birgt neue Gefahren. Und bei jeder Neuerung gibt es Menschen, deren Ängste bezüglich dieser Gefahren sich ins Unermessliche steigern. Das war bei der ersten Eisenbahn nicht anders als bei den ersten Autos, dem Radio, dem Fernsehen,dem Telefon oder dem internet. All diese Dinge, die aus dem heutigen Alltag nicht mehr wegzudenken sind, lösten bei ihrer Einführung Ängste aus, über die wir heute nur lachen können. Das heißt nicht, dass diese Dinge nicht auch gefährlich sind, gleichwohl nehmen wir sie z.B. im Straßenverkehr bewusst in Kauf, um die unbestreitbaren Vorteile genießen zu können. Nicht anders ist es bei facebook. Die von Alexander Wallasch angeführten Gefahren bestehen gewiss - sie sind aber nicht nur beherrschbar, sondern auch im Rahmen der revolutionären Vorteile, die facebook bietet, mit einem angemessenen Risikobewusstsein auch hinnehmbar. Ich käme nicht auf die Idee, auf das Autofahren oder das Fliegen zu verzichten,nur weil mir die Gefahren von Unfällen bekannt sind. Wer nicht bereit ist etwas zu riskieren, darf eigentlich nur noch in einem von der Außenwelt vollkommen isolierten Bunker bleiben und sich dort von selbstgezogenen Sprossen ernähren - ach nee, Sprossen war jetzt kein gutes Beispiel. Das Leben ist nicht ohne Risiken aber - no risk no fun.
facebook ist aufgrund seiner unglaublichen Reichweite auch in der politischen Welt eine Gefahr. Wie jedes Massenmedium ist facebook zur Meinungsbildung geeignet. Da kann durch entsprechende Propaganda und Fehlinformationen manches Unheil angerichtet werden. Andererseits kann staatliche Propaganda auch blitzschnell aufgedeckt werden. Unrecht z.B. Menschenrechtsverletzungen bei Demonstrationen sofort per smartphone um die Welt geschickt und von keinemUnrechtsregime zurückgeholt werden.
Die Informationen können an den normalen Medien vorbei blitzschnell um die Welt gehen und helfen Menschen in anderen Ländern zu informieren, die von den "normalen" oder staatlichen Medien nicht informiert werden. So konnte ich z.B. meine japanischen facebook-freundinnen und -freunde über die hier bekannten Informationen über die Atomreaktorkatastrophe auf dem Laufenden halten. Die wussten zunächst so gut wie gar nichts darüber. Übrigens - ohne facebook hätte ich vermutlich gar keine japanischen facebook-freunde und diese würden mich niemals kennengelernt haben. Gleiches gilt auch für die ganzen Musiker auf der ganzen Welt und es gilt auch für Alexander Wallasch, der erst ein lustiger facebook-freund und dann ein richtiger Freund wurde. Alleine das ist mir wert, die politischen Gefahren von facebook in Kauf zu nehmen.
facebook mit derzeit rund 800 Milionen Nutzern wird nicht verschwinden, weil Alexander Wallasch oder ein paar Hundertausend oder auch ein paar Millionen ihre Profile löschen. Es wird höchstens verschwinden, weil es etwas besseres geben wird. Solange facebook aber existent ist, darf man es nicht alleine lassen. Es ist vielmehr erforderlich, dass denkende Menschen, Menschen mit Meinungen und Grundsätzen, Werten und Ideen, Herz und Hirn, und einem Arsch in der Hose, also gerade Menschen wie Alexander Wallasch, ein Auge auf diese Medium haben, schreien, wenn sie schreien müssen, sagen, was sie zu sagen haben, und deutlich korrigieren was aus ihrer Sicht falsch ist.
Meinungsfreiheit ist ein viel zu hohes Gut als dass wir das den anderen überlassen dürfen, denen die facebook für ihre egoistischen Zwecke einsetzen. Arschlöcher gibt es überall , aber bei facebook kannman sie entlarven, kaltstellen und meinetwegen auch Arschloch nennen. Zensur, Blockwartdenken und Repressalien haben bei facebook nichts verloren. Es braucht Köpfe , meinetwegen auch leader ( klingt jedenfalls besser als Führer ), die nicht nur eine Meinung haben, sondern auch in der Lage sind, diese kraftvoll zu formulieren. Es braucht Provokation und Provokateure um aufzurütteln, zum Denken anzuregen, Gedanken in die facebook-Welt und damit auch in die reale Welt zu setzen. Es braucht Menschen die Zeitungen lesen und die aus ihrer Sicht diskussionswürdigen Artikel posten, kommentieren und damit andere klüger machen. Oder auch einfach nur Spaßvögel, die einem nach einem anstrengenden Arbeitstag ein lustiges Bild oder eine gute Musik zeigen.
Auch interne facebook-Problem und Gefahren müssen ständiger Gegenstand der postings und gegenseitigen Information sein. facebook als Unternehmen kann nicht daran interessiert sein dauerhaft als datengeiler Moloch dargestellt zu werden. facebook lebt von seinen usern und wenn die alleine oder in Gruppen Veränderungen fordern, wird auch der böse böse Zuckerberg verstehen, dass er diese Änderungen anordnen muss, weil sonst tatsächlich das passiert , was er als Schlimmstes fürchten muss, das facebook verschwindet. Das Phänomen des social networks wird deshalb nicht mehr verschwinden, weil die Vorteile unübersehbar sind, aber es könnte sein das facebook, wenn es den Bogen überspannt bzw. den überspannten Bogen aufgrund des Druckes seiner user nicht wieder entspannt, verschwindet. Aber jetzt bereits den Kampf für eine nutzerfreundliches facebook aufzugeben fände ich schade. Einer den wir dafür brauchen wäre Alexander Wallasch - es sei denn, er sei tatsächlich facebooksüchtig gewesen.
Eine Wiederauferstehung ist nach einem facebooksuizid nicht nur möglich , sondern erforderlich. Wiederauferstandene sind nicht nur bei Matussek herzlich willkommen.