Samstag, 23. Februar 2013

Zweifeln für den Angeklagten - von RA Heinrich Schmitz


http://2.bp.blogspot.com/_UhuR1wYYZ3s/S6NSb_9tHqI/AAAAAAAACG8/dKhaOQkAkxk/s400/schwur.jpg

von RA Heinrich Schmitz

In einem Interview mit der "Kölnischen Rundschau" im letzten Jahr habe ich folgenden Satz gesagt:

"Für das Richteramt fehlte mir der dafür notwendige Glaube, dass man die Wahrheit erkennen könne."

Ein Satz, der mir, obwohl er nur als Erklärung dafür gegeben wurde, warum ich mich schon lange vor dem zweiten Staatsexamen für eine
Verteidiger- und gegen eine Richterlaufbahn entschieden hatte, einige Kritik von Richtern einbrachte, der aber trotzdem richtig war.

Mein Ding ist der Zweifel, nicht die Gewissheit. Und ich verrate Ihnen auch warum.

Die Strafprozessordnung erweckt in § 244 Abs. 2 StPO zunächst tatsächlich den Eindruck, die Wahrheit ließe sich ermitteln:

/"Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für
die Entscheidung von Bedeutung sind."/

Das Gesetz definiert selbst aber nicht, was diese Wahrheit denn nun sein soll, deren Erforschung es dem armen Richter auferlegt. Selbst Richter
sehen ein, dass in der Hauptverhandlung eines Strafverfahrens nicht die "reine" Wahrheit, also eine objektive Wahrheit, ermittelt werden kann.
Deshalb müssen sie sich wohl oder übel mit deren kleinen, hässlichen Schwester, der sogenannten "prozessualen Wahrheit" begnügen.

Das macht insofern auch Sinn, als ein Strafverfahren keine philosophische Veranstaltung ist, sondern einem durch die Anklage klar
definierten Ziel dient, herauszufinden, ob die Straftat, die dem Angeklagten vorgeworfen wird, tatsächlich stattgefunden hat. Das klingt
ja schon mal einfacher als die Suche nach der reinen Wahrheit - ist es aber auch nicht.

Eine geradezu philosophische Bewertung der Problematik hatte bereits das Reichsgericht - wenn auch in einer Zivilsache - zum besten gegeben, als es erkannte,

»Vermöge der Beschränkung der Mittel menschlichen Erkennens kann niemand (selbst im Falle eigener unmittelbarer Anschauung eines Vorganges) zu
einem absolut sicheren Wissen von der Existenz eines Tatbestandes gelangen. Abstrakte Möglichkeiten der Nichtexistenz sind immer denkbar.

Wer die Schranken des menschlichen Erkennens erfasst hat, wird nie annehmen, dass er in dem Sinne zweifellos von der Existenz eines
Vorganges überzeugt sein dürfe, dass ein Irrtum absolut ausgeschlossen wäre.« (RGZ 15, 338 (339))

Ein Satz, den man am besten vor jedem Prozesstag laut vorlesen sollte, um die entscheidenden Menschen an die Fehlbarkeit des Erkennens zu
erinnern. Nur so, sicherheitshalber.

Es gibt nicht nur Ärzte, die als "Halbgötter in Weiß" glauben, immer alles richtig zu machen, es gibt leider auch die schwarzen Päpste, die
allen ernstes meinen, unfehlbare Überzeugungen zu haben.

Da das Ziel des Strafverfahrens , die Entscheidung über Schuld oder Unschuld des Angeklagten, also nicht über eine objektive Erkenntnis führen kann, muss das Gericht sich mit Hilfe der zulässigen Beweismittel auf einen steinigen Weg machen, die Grundlagen für seine Entscheidung aus der Hauptverhandlung zu erarbeiten - oder sollte man doch besser sagen zu gewinnen ?

Die Beweismittel, also das, was die Staatsanwaltschaft so zusammengetragen hat , um die Anklage zu einer Verurteilung werden zu
lassen, sind der Dreh- und Angelpunkt der Hauptverhandlung. Leider sind auch diese selbst mit diversen zwangsläufigen Fehlerquellen behaftet.

Da gibt es einmal die Fehlerquellen im Beweismittel selbst und dann die Fehlerquellen bei der richterlichen Bewertung dieser Beweismittel.

Die größte Fehlerquelle ist dabei natürlich wie immer der Mensch als Zeuge.

So ein Zeuge, also jemand der eine eigene Wahrnehmung "bekunden" soll, um dem Gericht zu einer richtigen Entscheidung zu verhelfen, wird vor seiner Aussage erst einmal belehrt. In § 57 StPO steht drin, was Inhalt dieser Belehrung sein muss:

"Vor der Vernehmung werden die Zeugen zur Wahrheit ermahnt und über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage belehrt. Auf die Möglichkeit der Vereidigung werden sie hingewiesen. Im Fall der Vereidigung sind sie über die Bedeutung des Eides und darüber zu belehren, dass der Eid mit oder ohne religiöse Beteuerung geleistet
werden kann. "


http://www.ag-luedinghausen.nrw.de/service/zeugen/Zeugenvernehmung.jpg

Naja, das mit der Wahrheit kennen wir ja nun schon, die kennt der Zeuge sowenig wie sonst jemand, er soll halt nur nicht lügen, nichts weglassen und nichts hinzufügen.

Name ,Vorname und Alter dürfte in den meisten Fällen halbwegs unproblematisch sein, obwohl viele Zeugen da manchmal plötzlich ins
Rechnen kommen oder manche Damen verschämt fragen, ob sie die Frage nach dem Alter wirklich beantworten müssen. Diese Fragen dienen aber auch
mehr der Identifikation des Zeugen, als der Rekonstruktion dessen, was denn so passiert sein soll. Die Fragen nach einer verwandtschaftlichen
Beziehung zum Angeklagten dient der Feststellung von eventuellen Zeugnisverweigerungsrechten des Zeugen über die dieser ebenfalls zu belehren ist.

Und dann geht es los. Der Zeuge soll dem Gericht nach Möglichkeit zunächst einmal eine
zusammenhängende Schilderung dessen geben, was er
selbst wahrgenommen hat.

Das scheitert oft aus den unterschiedlichsten Gründen. Es gab z.B. einmal einen Amtsrichter, der die Aussage der Zeugen dadurch in einen
Zusammenhang brachte, dass er ihnen nach der Belehrung erzählte, was sie seiner Meinung nach so wahrgenommen hatten, und dann am Ende seines
zusammenhängenden Vortrags lediglich sagte, " das war doch so, oder ?" - meistens wurde das dann bestätigt. Die Zeugen freuten sich, so eine
schöne, schlüssige , zusammenhängende Aussage gemacht zu haben.

Es gibt auch Zeugen, die noch nie im Leben irgendetwas im Zusammenhang frei erzählt haben und sich in der Schule schon nicht trauten
aufzuzeigen oder mal ein Referat zu halten. Manche Zeugen schlottern geradezu vor Angst oder Aufregung und sind dankbar dafür, dass ihnen
jemand die Worte in den Mund legt, welche ist dann auch schon völlig egal, Hauptsache sie sind schnell wieder raus aus dem Gerichtssaal.

Bei Hauptverhandlungen ohne Verteidiger ist das hoch problematisch, weil natürlich durch eine derartig "angeleitete" Aussage recht
stromlinienförmig zum Urteil führt. Ist ein Verteidiger eingebunden, dessen offizielles Fragerecht erst nach dem Richter und dem Staatsanwalt beginnt, können manche dieser "Aussagen" immerhin wieder korrigiert
werden.

Mancher Zeuge traut sich dann aber einfach auch nicht einzugestehen, dass er vorher bullshit erzählt hat. Zeugen möchten, wie jeder andere auch, erst mal gut dastehen und viele wollen auch die vermeintlichen Erwartungen des Gerichts bedienen. Das bedeutet gar nicht, dass sie bewusst lügen.

Aber auch das gibt es reichlich. Die meisten Menschen sind, was ihre eigenen Wahrnehmungen angeht, gar nicht in der Lage zu differenzieren, was sie wirklich selbst wahrgenommen haben und was Rückschlüsse oder Bewertungen sind.

Das menschliche Gehirn hat die im Alltag ganz praktische Angewohnheit, wahrgenommene Sachverhalte logisch zu ergänzen. Der Stürmer fällt, also muss er wohl gefoult worden sein, und wenn es der Stürmer der eigenen Mannschaft ist, schreit man Foul, Elfmeter, auch wenn man das Foul jedenfalls mit seinen Augen gar nicht sehen konnte.

Sie glauben gar nicht, wie oft bei einer konkreten Nachfrage die Antwort kommt, " also,
wenn Sie jetzt so ( ein Zeuge ergänzte "brutal" ) nachfragen, nein, gesehen habe ich das nicht, aber dass muss ja so gewesen sein". Muss es
natürlich nicht.

Hinzu kommt, dass eine Hauptverhandlung häufig erst sehr lange nach einem Vorfall stattfindet. Wissen sie noch genau, was sie vor einem oder
zwei Jahren gesehen oder gehört haben ? Wenn Sie jetzt ja sagen, möchte ich Sie zur Vorsicht anhalten. Auch hier spielt uns unser Gehirn manchen Streich, indem es Erinnerungslücken mit einer autofill-Funktion selbsttätig schließt.

Erinnern ist kein Abrufen von Daten, die auf irgendeiner Hirnfestplatte gespeichert sind, es ist jedes mal ein aktiver, kreativer Vorgang, bei
dem das Gehirn aus verschiedenen Teilerinnerungen einen neuen Film zusammenstellt. Deshalb sind Jäger- und Anglerlatein - außer bei den
bekannten Aufschneidern - selten bewusste Lügen, sondern subjektiv wahrheitsgemäße Aussagen über eine Jagdbeute, die halt in der Erinnerung immer weiter wächst.


http://www.n24.de/media/import/dpaserviceline/dpaserviceline_20090310_17/Gerichtshammer_20599558originallarge-4-3-800-0-0-400-300.jpg

Das Gehirn selektiert schon bei der Wahrnehmung und es selektiert bei dem was behaltenswert erscheint. Die imaginäre - und eigentlich gar
nicht vorhandene - Festplatte im Gehirn wird sozusagen zuverlässig von temporären Dateien befreit. Es nützt auch nichts, wenn manche Richter die Zeugen dazu auffordern, ihre Erinnerung gehörig anzustrengen, es schadet sogar.

Der Zeuge, der gerade noch wahrheitsgemäß gesagt hat, "weiss ich nich'", steht plötzlich unter einem massiven Erwartungsdruck. Sein Gehirn, dass schließlich für ihn arbeitet und nicht für die Justiz, löst dieses Problem pragmatisch, indem es ihm flink eine Erinnerung liefert, die ihm gerade angemessen erscheint.

Am Ende steht dann so oder so eine Zeugenaussage, deren Beweiswert der Richter zu beurteilen hat. Richtig spannend wird es natürlich, wenn
mehrere Zeugen ihre Aussagen machen und jeder etwas anderes erzählt. Das ist weder selten noch verwunderlich, weil eben jeder Mensch seine sehr
unterschiedliche Wahrnehmung und auch sehr unterschiedliche Erinnerungen hat.

Es kommt eben immer auf die Perspektive an. Zeugen, die den Angeklagten liebend gerne im Knast sehen wollen, nehmen geradezu zwangsläufig diesem negative Dinge wahr, Zeugen, die dem Angeklagten nahestehen, haben manches Negative entweder gar nicht wahrgenommen oder
in ihrer Erinnerung ausgeblendet. Oder beide Gruppen von Zeugen lügen, dass sich die Balken biegen. That's life.

Und jetzt muss der Richter oder auch mehrere sich eine Überzeugung bilden. Nur weil sich die Zeugenaussagen widersprechen, muss er die Flinte noch nicht ins Korn werfen.

Erst einmal macht er sich Gedanken über die Glaubwürdigkeit der einzelnen Zeugen, wobei Zufallszeugen, die in keinerlei Beziehung zum
Angeklagten oder zum eventuellen Opfer, grundsätzlich als neutral und deshalb besonders glaubwürdig angesehen werden. Kann stimmen , muss aber nicht.

Auch Polizeibeamte genießen einen gewissen Glaubwürdigkeitsvorschuss. Die Frage, warum sollte der Polizeibeamte denn etwas Falsches sagen, beantworte ich gerne mit der Gegenfrage, warum denn nicht ? Selbst wenn es keinen konkreten Hinweis darauf gibt, bedeutet das ja nicht, dass es nicht so ist.

Und dass ein Polizist als Zeuge ja gar kein Interesse an der Verurteilung eines Angeklagten hat, kann man so auch nicht sagen. Ich hatte vor kurzem einen Polizeibeamten als Zeugen, der sich seit Jahren in den Kopf gesetzt hatte, der Angeklagte sei ein Brandstifter und der bei fast jedem Brand in einer bestimmten Ortschaft gegen Angeklagten ermittelte, und zwar nur gegen Angeklagten.

Auf meine Frage, wie er denn darauf komme, dass mein Mandant ein Brandstifter sei, kam die für einen Polizisten erstaunliche Antwort, "das weiß doch jeder!". Auf Nachfrage, wer denn jeder sei, ob er mir ein paar Namen dieses "Jedermanns" nennen könne, musste er dann einräumen, jeder sei er.

Dass dieser Zeuge, der ausweislich der Aussagen von Kollegen seine Meinung auch über den Flurfunk gestreut hatte, kaum als besonders glaubwürdig anzusehen war, liegt auf der Hand. Bei der ersten Vernehmung des Angeklagten hatte dieser Zeuge dem Angeklagten schon gesagt - und glücklicherweise
protokolliert - "Ihnen glaubt hier niemand".

Meine Frage, wer dieser Niemand denn sei, antwortete er in erfrischender Einfalt, " Ich bin
Niemand", was ich ihm gerne bestätigt habe. Solche Zeugen kennt jeder Verteidiger, nicht immer kommt man ihnen so leicht auf die Schliche.

Der Richter "sortiert" sich also die Zeugen nach Glaubwürdigkeit und guckt dann mal , was so übrig bleibt. Die Kriterien sind kaum überprüfbar, die Begründungen für und wider die Glaubwürdigkeit
austauschbar. Da die Beurteilung von
Beweismitteln laut Rechtsprechung die "ureigenste Aufgabe" des Richters ist, gesteht sich auch selten mal ein Richter ein, dass es vielleicht hilfreich sein könnte, ein aussagepsychologisches Gutachten einzuholen.

Schade eigentlich, obwohl auch diese Gutachten natürlich keine Gewissheit bringen, aber manchmal
wenigstens ein paar bedenkenswerte Argumente.

Dass das ganze noch spekulativer wird, wenn die Zeugen gar keine unmittelbaren Tatzeugen, sondern nur Puzzleteile in einem Indizienprozess sind, versteht sich von selbst. Da gibt es dann oft
Indizienketten, die an keinem Hals hängen blieben, wenn sie Perlenketten wären.


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Ja,werden Sie als aufmerksamer Prozessbeobachter anmerken, es gibt aber doch den Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten". Ja , gibt es.
Dummerweise setzt der aber voraus, dass der Richter überhaupt Zweifel hat. Und dann reichen nicht nur "theoretische" Zweifel, sondern es
müssen "vernünftige" Zweifel sein. Oft genug wird dann ein Zweifel auf den Vornamen "Theoretisch" getauft, was ist schon vernünftig und was
nicht ? Und wenn ein Richter unbedingt gerne verurteilen möchte, hat er noch ein ganz tolles Argument gegen aufkommende Zweifel - die
"allgemeine Lebenserfahrung".

Wessen Lebenserfahrung das genau sein soll, erfährt man zwar selten, aber so oft man diesen Begriff hört und liest, muss es sie wohl geben. Der Klassiker "Alle Türken lügen vor Gericht" wurde allerdings vom OLG Karlsruhe bereits 1979 als Erfahrungssatz ebenso kassiert, wie vom OLG Köln 1975 die allgemeine Lebenserfahrung, wonach Polizisten niemandem in Gegenwart von anderen an
den Haaren ziehen. Solche an den Haaren herbeigezogenen "allgemeinen Lebenserfahrungen" wollten Richter tatsächlich erkannt haben.

An die "freie" Beweiswürdigung eines Gerichtes kommt man in der Revision nur dann ran, wenn sie logische Fehler, also Verstöße gegen Denkgesetze
oder Zirkelschlüsse oder ähnliche Schnitzer - wie bei den "allgemeinen Lebenserfahrungen" - enthält. Das kommt dann doch seltener vor, aber es kommt vor.

Andere Beweismittel, die den Eindruck von naturwissenschaftlicher Präzision erwecken, sind leider auch nicht immer viel besser. Klar ist es ein Indiz, wenn an der Tatwaffe DNA-Spuren des Angeklagten gefunden wird, es ist aber kein Beweis für die Täterschaft. Eine Spur beweist
immer nur eine Spur, nicht mehr.

Wird am Tatort ein Haar des Angeklagten gefunden, dann bedeutet das nicht, dass der Angeklagte am Tatort war, sondern nur, dass ein Haar von ihm an den Tatort gelangt ist. Das kann auch schon wochenlang da rum liegen oder vom Opfer dorthin getragen worden sein, unter dem Schuh zum Beispiel oder der wirkliche Täter hat es bewusst dort platziert um eine falsche Spur zu legen. Dass keine Spur einer anderen Person am Tatort gefunden wurde, bedeutet eben nicht, dass
keine andere Person am Tatort war, sondern nur, dass keine andere Spur gefunden wurde, sei es weil keine Spur da war, sei es weil die
Spurensicherung sie nicht gefunden hat, sei es, dass gar nicht gründlich gesucht wurde.

Ein Fingerabdruck an einem Messer sagt nichts darüber aus, wann er auf das Messer gekommen ist oder wo. Vielleicht hat der Verdächtige sich damit auch nur ein Stück Salami abgeschnitten bevor der Täter das Messer dann mit Handschuhen zum Mord benutzt hat.

Spurenlesen konnte Winnetou, aber den gab es ja nicht wirklich. Manche Spur führt zur Verurteilung nur, weil dem Gericht die Phantasie für eine alternative Erklärung fehlt oder weil die alternative Erklärung der Verteidigung als "lebensfremd" - das ist der Bruder der "allgemeinen Lebenserfahrung" - verworfen wird.


Der Richter muss sich eine Überzeugung bilden, so oder so. Ich muss das nicht, ich muss nur zweifeln für den Angeklagten, nach Alternativen
suchen, kreativ, nicht unbedingt im Dienste der "Wahrheit", aber im Dienste der Gerechtigkeit.

von RA Heinrich Schmitz

Dienstag, 19. Februar 2013

Schöffen - Rechtsprechung im Namen des Volkes ? - von RA Heinrich Schmitz


http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2010/30349706_kw26_sp_gerichtsverfassung/Schoeffen_gross.jpg

von RA Heinrich Schmitz

Stellen Sie sich vor, Sie müssten zu einer Operation ins Krankenhaus. Zur Voruntersuchung erscheinen neben dem Anästhesisten und dem Operateur zwei weitere Menschen an Ihrem Bett, ein Rentner und eine Hausfrau. Sie schauen etwas verwundert. Aber diese beiden beraten ganz ernsthaft mit dem Chirurgen über die Notwendigkeit und die Durchführung der Operation.

Plötzlich kommt es zu einer
Meinungsverschiedenheit und einer Abstimmung. Die Hausfrau und der Rentner überstimmen den Facharzt, so dass dieser tun muss, was die Laien meinen.

Absurd ? Sollte man meinen.

Aber genau dasselbe kann passieren, wenn Sie wegen einer Straftat angeklagt werden. Außer beim Einzelrichter am Amtsgericht sitzen Ihnen
immer zwei Laien gegenüber, die über Ihre Schuld oder Unschuld, über Geld- oder Freiheitsstrafe , über Bewährung oder Knast mitentscheiden.
Laien, die weder Jura studiert, noch sonst irgendetwas gelernt haben müssen.

Ehrenamtliche Richter, Schöffen.

Beim Schöffengericht sitzen zwei von ihnen gemeinsam mit einem Berufsrichter über Sie zu Gericht, d.h. die können den Fachmann locker
überstimmen. Naja, werden Sie vielleicht sagen, ist ja nicht so schlimm - wenn das Urteil falsch sein sollte, kann ich doch in Berufung gehen.
Ist ja schließlich ein Rechtsstaat. Rechtsmittel und so.

Ja stimmt. Aber wundern Sie sich dann bitte nicht, wenn in der Berufungsinstanz plötzlich wieder - in einer sogenannten kleinen Strafkammer - ein Berufsrichter und zwei Schöffen vor Ihnen sitzen.

Klingt seltsam, ist aber so.

Nur bei der großen Strafkammer haben Sie immerhin mit 3 Berufsrichtern auf 2 Schöffen zu tun. Nur da sind die Fachleute in der Mehrheit.
Ansonsten Laienmehrheit.

Auf der Suche nach der Begründung für diesen auf den ersten Blick recht unheimlichen Umstand stößt man auf folgende Begründungen:

"Die Beteiligung ehrenamtlicher Richter hat in Deutschland eine lange Tradition und ist trotz mehrerer Änderungen von Strafprozessordnung und
Gerichtsverfassungsgesetz nie ernsthaft in Frage gestellt worden.

Für die Beteiligung von Schöffen in der Strafrechtspflege sprechen vor allem
folgende Punkte:

- Repräsentative Teilnahme des Volkes an der Rechtsprechung.

- Erhaltung und Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in die Rechtsprechung durch Teilnahme hieran.

- Besserung der Rechtskenntnisse des Volkes und seines Verständnisses der Rechtsprechung und der dabei auftretenden Probleme. Denn wenn man
einen Angeklagten unmittelbar vor sich hat und seine Tat unter Berücksichtigung der konkreten Situation und seiner gesamten Lebensgeschichte beurteilen muss, versteht man manchmal ein Urteil, dass in den Medien als Milde bewertet wird, viel besser.



http://www.ebendie.de/images/dsc0249.jpg


- Einbringen des "gesunden Menschenverstandes" in die Urteilsfindung.

- Notwendigkeit für die Berufsrichter, die eigenen - juristisch geprägten - Wertungen in eine allgemein verständliche Form zu bringen.

- Erweiterung des Informationsstandes der Berufsrichter durch Sachkunde und Lebenserfahrung der Schöffen."
(Quelle:
http://www.lg-aachen.nrw.de/service/informationen/schoeffen/index.php )


Aha, lange Tradition, das haben wir schon immer so gemacht. Kein wirkliches Argument. Was haben wir nicht alles schon an Traditionen abgeschafft. Nur weil man etwas schon immer gemacht hat, muss man das ja nicht immer weiter so machen. Das hat sogar Papst Benedikt erkannt und hat seinen Rücktritt angekündigt, obwohl die Tradition ja verlangt hätte, dass er sich gefälligst bis zum Tode mit der Bürde seines Amtes rumquält.

Wir haben auch traditionell in der Kneipe geraucht, jetzt stehen wir vor der Kneipe in Regen und Schnee, wir Raucher. Traditionen
bedeuten erst mal nur, dass man etwas lange macht, aber nicht dass er auch noch sinnvoll ist.

Und die anderen Argumente ?

Repräsentative Teilnahme des Volkes an der Rechtsprechung, Erhaltung und Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in die Rechtsprechung durch Teilnahme hieran. Da habe ich schon ganz große Zweifel. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Qualität der Strafjustiz scheint nicht das größte zu sein. Dafür dass das nicht so ist sorgt ja schon die BILD regelmäßig. Stichwort Kuscheljustiz.

Und dass die Schöffen das Volk repräsentieren, ist auch nicht gewährleistet.

Schon die Auswahl der Schöffen ist nicht gerade ein Musterbeispiel für eine demokratische Wahl.

Die Anzahl der Schöffen wird zunächst durch den Präsidenten des Landgerichts bestimmt. Aufgrund dieser Vorgabe werden von den Gemeinden
Vorschlagslisten erstellt, die doppelt so viele Vorschläge enthalten müssen, wie Schöffen gebraucht werden. Auf diese Vorschlagslisten kommen erst mal die Bürger, die sich ganz bewusst für das Schöffenamt bei der Gemeinde bewerben.

Warum sie das tun, bleibt dabei offen. Es gab zum
Beispiel einen Aufruf der NPD sich auf die Listen setzen zu lassen, um auf diese Weise die Rechtsprechung zu beeinflussen. Es gibt aber auch
Leute, die sonst keine richtige Beschäftigung (mehr) haben. Und natürlich gibt es auch engagierte Bürger, die etwas für ihr Land tun wollen.

Aus den Vorschlagslisten wählt ein Wahlausschuss die Schöffen. Dieser Ausschuss besteht aus einem Richter des Amtsgerichts, einem sogenannten
Verwaltungsbeamten sowie sieben Vertrauensleuten .

Diese Vertrauensleute werden von den Vertretungen der Kreise gewählt. Der Ausschuss wählt die
Schöffen für das Schöffengericht des Amtsgerichts und für die Strafkammern des Landgerichts.Bei der Wahl soll darauf geachtet werden, dass alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigt werden.

Ob das so richtig klappt darf ebenfalls bezweifelt werden. Während immerhin die Verteilung auf Männer und Frauen eingermaßen zu
funktionieren scheint, sind jedenfalls nach meiner persönlichen Beobachtung ziemlich wenige Selbständige, Arbeitnehmer, Menschen mit
Migrationshintergrund, Schwarze, Schwule, Lesben und Personen unter 40 Jahren unter den robenlosen Richtern zu finden.

Die Verteilung von Alter und Beruf kann seit einigen Jahren eh nicht mehr kontrolliert werden,
weil die Statistik im Jahre 1998 einfach eingestellt wurde.


http://www.pm-magazin.de/sites/www.pm-magazin.de/files/imagecache/lightbox/images/Seufzerbruecke.JPG


Die Besserung der Rechtskenntnisse des Volkes und seines Verständnisses der Rechtsprechung können keine wirkliche Begründung für das Schöffenwesen darstellen.Da wäre das von mir seit Jahren geforderte Schulfach "Rechtskunde" über die bisherigen popeligen Arbeitsgemeinschaften hinaus wesentlich effektiver.

Aber diese intensive Besserung der Rechtskenntnisse der Bevölkerung will der Staat offenbar gar nicht so richtig haben. Die rechtskundigen Bürger könnten ja auf die
Idee kommen, ihre Rechtskenntnisse dann auch in die Tat umzusetzen.

Aber Fortbildung als Rechtfertigung für die Beteiligung von Laien an der tatsächlichen Rechtsprechung - also sozusagen learning by doing - , dass würde auch als Argument für die Laienoperateure im Krankenhaus nicht greifen, auch wenn diese dann mehr Verständnis für ärztliche Kunstfehler entwickeln würden.

Das beliebte Argument "Einbringen des "gesunden Menschenverstandes" in die Urteilsfindung" ist mir aus zwei Gründen suspekt. Zum einen
unterstellt es den Volljuristen ohne nachvollziehbaren Grund eine "kranken" Menschenverstand, zum anderen bewegt sich der "gesunde Menschenverstand" manchmal verdammt nah am "gesunden Volksempfinden", das sich in der Vergangenheit häufig als ganz ungesund erwiesen hat.

Man erinnere sich zum Beispiel an den Emden-Mob und ähnliche Aufwallungen der Volksseele.

Auch das Argument der durch Schöffen erzeugten Notwendigkeit für die Berufsrichter, die eigenen - juristisch geprägten -- Wertungen in eine
allgemein verständliche Form zu bringen, hat offenbar in der Vergangenheit wenig Gewinn gebracht.

Dass Urteilsbegründungen von Schöffen- oder Berufungsgerichten allgemeinverständlicher wären als die des Einzelrichters, ist mir jedenfalls noch nie aufgefallen. Es gibt Richter, die sich verständlich und solche, die sich unverständlich
ausdrücken. Daran ändert auch ein Schöffe nichts.

Auch das letzte Argument für die Schöffen, dass sie einer Erweiterung des Informationsstandes der Berufsrichter durch Sachkunde und Lebenserfahrung dienen, ist nicht überzeugend. Benötigt der Richter mangels eigener Sachkunde jemanden, der ihn bezüglich eines Themas schlau macht, dann kann und sollte er einen Sachverständigen befragen.

Woher soll der Richter denn wissen, ob das Wissen, dass der Schöffe ihm vermitteln will, auf dem neuesten Stand ist ? Was soll das bringen, wenn der Schöffe seine "Lebenserfahrung" einbringt ?

Nicht, dass ich das teilweise bewundernswerte Engagement von manchen Schöffen nicht zu würdigen wüßte. Es gibt sogar Schöffen, die in der
Hauptverhandlung den Mut aufbringen, eigene Fragen zu stellen. Manchmal allerdings auch Fragen, mit denen sie sich wegen Befangenheit gleich aus dem Verfahren schießen, wie zum Beispiel,

"Warum gestehen Sie nicht endlich, wir wissen doch, dass sie schuldig sind ?". Die Schöffen können nichts dafür, sie sind ja Laien.

Aber nochmal, möchten Sie von einem Laien operiert werden ?

von RA Heinrich Schmitz

Mittwoch, 6. Februar 2013

Der Lohmann-Effekt ? - So talkt man gnadenlos die Kirche leer. von RA HEINRICH SCHMITZ


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von RA Heinrich Schmitz

Bis letzten Sonntag sagte mir der Name Martin Lohmann gar nichts. Er saß zwar schon mal in diversen Talkshows rum, hatte es aber nicht in mein Langzeitgedächtnis geschafft. Bei seinem K-TV hatte ich zwar schon mal reingeswitched, aber das Programm des Senders lud nicht unbedingt zum
längeren Anschauen ein. Es hatte für mich was von Sekten-TV.

Nach dem Tatort versuchte ich noch einmal mir die Jauchshow anzusehen, was ich nach einigen aus meiner Sicht missglückten Versuchen wochenlang
gemieden hatte. Und seit diesem Zeitpunkt kenne nicht nur ich ihn - Martin Lohmann, Chefredakteur von K(ephas)-TV, Bundesvorsitzender des Bundesverbands Lebensrecht, Mitglied des Ritterordens vom heiligen Grab zu Jerusalem, Examen in Geschichte und Theologie.

Nach eigenen Angaben war er in die Sendung mit dem Thema *"In Gottes Namen -- wie gnadenlos ist der Konzern Kirche?"*eingeladen worden, "um
die Position der katholischen Kirche" darzustellen. Als Mitglied dieser Kirche fand ich das durchaus interessant.

Erstes Diskussionsthema war der Umstand, dass zwei katholische Kölner Krankenhäuser einer Frau, die nach Verabreichung von K.O.-Tropfen
vermutlich vergewaltigt worden war, die Behandlung und anonyme Spurensicherung verweigert hatten. Die diensthabenden Ärzte sollten die
Behandlung abgelehnt haben, weil diese dann zwangsläufig auch die Beratung über einen Schwangerschaftsabbruch beinhaltet hätte, den die
katholische Kirche bekanntlich grundsätzlich ablehnt.


Da bereits die Notärztin der Patientin ein Rezept über die sogenannte Pille danach ausgestellt hatte, wären die Ärzte zwar gar nicht in die
Verlegenheit gekommen dies tun zu müssen. Es ging nur um die Behandlung der Frau und die Sicherung der Spuren, die später einmal den Täter hätten überführen können. Aber, sie lehnten nun mal ab.Shit happens.

Nachdem dieser Vorfall in der Öffentlichkeit einiges Interesse geweckt hatte - und dieses Verhalten nicht nur auf Seiten notorischer,
bösartiger Kirchenhasser, sondern auch unter gläubigen katholischen Christen auf reichliches Unverständnis gestoßen war - entschuldigte sich
der Kölner Kardinal Meisner am 22.1.2013 mit folgenden Worten:

"Was im Dezember des vergangenen Jahres einer jungen Frau in zwei katholischen Krankenhäusern widerfuhr, hätte nie geschehen dürfen: Sie
suchte Hilfe in großer Not und fand keine Aufnahme. Dieser Vorgang beschämt uns zutiefst, denn er widerspricht unserem christlichen Auftrag
und Selbstverständnis. Es gab und gibt auch keine kirchliche Anweisung, Vergewaltigungsopfer anders zu behandeln oder gar abzuweisen. Deshalb muss jetzt genau erforscht werden, was dazu führte, diese Frau nicht aufzunehmen. So etwas darf sich auf keinen Fall wiederholen. "

Wahnsinn. Der im Kölner Karneval auch gerne als "Kanalmeister" verspottete Erzbischof hatte sich entschuldigt. Das alleine war schon eine Sensation. Ich glaube, es war das erste Mal, wo ich von ganzem Herzen einen tief empfundenen Respekt für den ansonsten für seine eher
eherne Haltung bekannten Erzbischof von Köln empfand. Das war christlich.Das war cool. Das war richtig.

Dieser Respekt steigerte sich noch, als der Kardinal - immerhin ein enger Vertrauter des Papstes - am Donnerstag, dem 31.1.2013, folgende
Erklärung abgab:

"Aus gegebenem Anlass habe ich mich mit Fachleuten über die Frage der Verordnung der so genannten "Pille danach" beraten. Dabei wurde
deutlich, dass darunter unterschiedliche Präparate mit unterschiedli chen Wirkprinzipien zu verstehen sind, deren Wirkungen und
Nebenwirkungen sich in der wissenschaftlichen Diskussion immer weiter klären. Daraus ergeben sich ethische Konsequenzen.


http://images.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-01/pille-danach/pille-danach-540x304.jpg

Wenn nach einer Vergewaltigung ein Präparat, dessen Wirkprinzip die Verhinderung einer Zeugung ist, mit der Absicht eingesetzt wird, die
Befruchtung zu verhindern, dann ist dies aus meiner Sicht vertretbar.

Wenn ein Präparat, dessen Wirkprinzip die Nidationshemmung ist, mit der Absicht eingesetzt wird, die Einnistung der bereits befruchteten Eizelle zu verhindern, ist das nach wie vor nicht vertretbar, weil damit der befruchteten Eizelle, der der Schutz der Menschenwürde zukommt, die
Lebensgrundlage aktiv entzogen wird. Dass das Abgehen befruchteter Eizellen auch ganz natürlicherweise ohne menschliches Zutun geschieht, berechtigt einen Menschen nicht dazu, diesen natürlichen Vorgang aktiv zu imitieren. Denn die Beendigung eines Menschenlebens durch die Natur nennt man ein Naturereignis. Dessen absichtliche Imitation nennt man Tötung.

Die Ärzte in katholischen Einrichtungen sind aufgefordert, sich rückhaltlos der Not vergewaltigter Frauen anzunehmen und sich dabei
unter Berücksichtigung des neusten Stands der medizinischen Wissenschaft in ihrem ärztlichen Handeln an den oben genannten Prinzipien
auszurichten. Darüber hinaus ist nichts dagegen einzuwenden, dass sie in diesem Fall auch über Methoden, die nach katholischer Auffassung nicht
vertretbar sind, und über deren Zugänglichkeit aufklären, wenn sie dabei, ohne irgendwelchen Druck auszuüben, auf angemessene Weise auch
die katholische Position mit Argumenten erläutern. In jedem Fall muss in katholischen Einrichtungen die Hilfe für vergewaltigte Frauen aber natürlich weit über die Erörterung solcher Fragen hinaus gehen.

Köln, 31. Januar 2013

Joachim Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln" (Quelle:
http://www.erzbistum-koeln.de/modules/news/news_1318.html )"

Das war ein deutliches Signal der christlichen Nächstenliebe und eine klare Erklärung dazu, dass im Falle einer Vergewaltigung an erster
Stelle die rückhaltlose Hilfe für das Opfer steht und dieses auch über die Methoden aufzuklären ist, die nach katholischer Auffassung (
grundsätzlich ) nicht vertretbar sind. Das ist Seelsorge, das ist mehr, als man erwartet hatte. Das ist im besten Sinne rheinisch-katholisch in
der Tradition des immer noch verehrten Kardinal Frings, auf den der Begriff des fringsens zurück geht.

Diese Position, die auch die Verabreichung der Pille danach in erster Linie aufgrund der damit verbundenen Absicht, die Zeugung zu verhindern,
toleriert und eine unabsichtliche abtreibende (Neben-)wirkung hinnimmt, war im Bereich der katholischen Kirche einzigartig und auch geeignet, ihr verlorene Sympathien zurückzubringen. Alleine im Januar 2013 hatte
sich die Zahl der Kirchenaustritte in Köln gegenüber dem Vorjahr knapp verdoppelt.

Und dann kam Lohmann - und kritisierte erst einmal Kardinal Meisner:

Der habe von einem Präparat gesprochen, das es gar nicht gäbe. Er solle klarstellen, was er gemeint habe. Ach, ist ja spannend, dachte ich. Ein einfaches Mitglied der katholischen Kirche, zwar mit Theologiestudium aber weder als Priester geweiht noch mit irgendeiner mir bekannten
Lehrerlaubnis ausgestattet, erklärt dem Kardinal, dass der sich in der Auslegung des Wortes Gottes gefälligst an ihm bzw. dem was er für die
richtige katholische Lehre hält orientiert ? Super(Loh)mann ! Hammer, so, wie wenn ein lustiger Musikant Miles Davis erklären würde, dass er da ein paar falsche Töne gespielt hat.

Lohmanns Meinung ,""Die Lehre, dass man nicht töten darf, gilt immer." gilt in dieser gnadenlosen Form eben nicht immer. Natürlich kennt auch die Kirche das Notwehrrecht und natürlich hat sie auch das Töten innerhalb eines "gerechten" Krieges in ihrem Katechismus im "Rahmen einer sittlich erlaubten Verteidigung" akzeptiert.

Es gibt also durchaus Situationen, wo auch die Kirche das Töten von Menschen ( und zwar auch bereits geborenen ) zwar bedauert, es aber
realistischer Weise nicht als Unrecht oder Sünde darstellt.

Natürlich begründet die durch eine Vergewaltigung begründete Schwangerschaft keine Notwehrlage, schon weil die befruchtete Eizelle selbst nicht in der Lage ist, einen gegenwärtigen Angriff auf die Mutter zu starten. Auch wenn man, wie eine glühende Lohmann-Anhängerin meint,der Auffassung ist, bereits die befruchtete Eizelle unterscheide
sich von mir nur unwesentlich, wird niemand annehmen, eine Eizelle könne einen vorsätzlichen Angriff auf den Mutterleib starten. Das hatte ja
schon der Vergewaltiger erfolgreich erledigt und der ist ja jetzt weg. Aber auch ein unschuldiges und schuldunfähiges Wesen kann eine Situation
herbeiführen, die seine Tötung, wenn vielleicht nicht erforderlich, aber doch entschuldbar macht.

Im deutschen Strafgesetzbuch ist das in § 35 StGB als Notstand geregelt:

"Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von
sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld."

Man erkennt also an, dass ein Unrecht geschieht, aber man nimmt dem Täter die Schuld, weil man anerkennt, dass er in einer üblen Situation
ist. Eine gute Lösung für existenzielle Probleme.


http://freieliteratur.wordpress.com/2012/02/14/verbrechen-der-roten-armee-und-geschichtsfalschung-in-der-nachkriegszeit/

Dass eine Schwangerschaft auch eine Gefahr für den Leib, insbesondere aber für die Freiheit der Zwangsmutter darstellt, kann man nicht
bestreiten. Es hängt wesentlich von der Persönlichkeit der vergewaltigten Frau ab, ob sie diese Schwangerschaft körperlich und
psychisch ohne bleibende Schäden überlebt. Und ob sie sich dafür freiwillig entscheidet, was aller Ehren wert ist, oder ob sie dazu und sei es nur moralisch gezwungen wird. Von einem streng- oder irrgläubigen Vater zum Beispiel.

Auch wenn Herr Lohmann die Frage, wie er persönlich reagieren würde, wenn seine 14-jährige Tochter oder seine Frau vergewaltigt würden, als
übergriffig empfand, sie war durchaus berechtigt.

Welche Eltern würden z.B. von ihrer 12-jährigen Tochter, die von einem Vergewaltiger geschwängert wurde, ernsthaft verlangen, dieses Kind des
Hasses und der Gewalt und nicht der Liebe, austragen zu müssen ? Solche Leute sähe ich mal gerne, nebst ihren Kindern.

Welche medizinischen Komplikationen könnte so ein Kind aushalten? Welche psychischen ? Da können strenggläubig bewegte gerne davon reden,
jeder habe sein Päckchen zu tragen, mein Kind müsste dieses Päckchen nicht tragen. Da würde ich mich für das Wohl meines Kindes entscheiden, wie Eltern das ja müssen und in aller Regel auch wollen.

Das Lohmann-Argument, mit der Befruchtung gehe es eben nicht mehr nur um das Leben der Mutter, sondern auch um das eines ( ich vermute mal er
meint gottgewollten) weiteren Menschen, und deshalb sei die Entscheidungsfreiheit der Frau "vielschichtig", führt zu weiteren Fragen:

Wenn die Frau, oder in meinem Beispiel für das minderjährige Mädchen dessen Eltern, diese Frage nicht entscheiden können sollen, weil sie ja
selbst als Betroffene egoistisch entscheiden könnten, ja wer soll das den dann entscheiden ? Ein Krankenhausarzt, der das Opfer gar nicht
kennt, ein gerichtlich bestellter Vormund oder Betreuer, der das Opfer gar nicht kennt, oder ein Vertreter der katholischen Kirche, der das Opfer gar nicht kennt ? Oder soll diese Entscheidung gar nicht im Einzelfall getroffen werden, unter Berücksichtigung der Belange der Zwangsmutter , sondern rigoros nach der Lohmannschen Formel ?

Der Schutz des Lebens ist eine ganz wichtige Sache und es wäre schön, wenn es keine Vergewaltigungen, keine Kriege und keine Todesstrafe gäbe. Die gibt es aber. Die sind tagtägliche Realität, weil "der Friede des Herrn" eben nicht auf Erden herrscht. Idealvorstellungen helfen da keine Deut weiter.

Eine Kirche, deren größtes, alles andere überstrahlendes Gebot die Nächstenliebe, gar die Feindesliebe ist, steht auch in der Verantwortung
für die Opfer von Gewalttaten - wie der Kardinal sagt, rückhaltlos. Wenn sie Krankenhäuser betreibt auch medizinisch.

Wenn ich in einem, eine heftige Diskussion auslösenden facebook-Posting vor der Lanz-Sendung, wo Lohmann erneut eingeladen war , folgendes geschrieben habe:

" "Kathatollah" Lohmann geht mit seinem provokanten Einmannstück "Pillepalle danach " auf Talkshowtournee. Heute bei Lanz. Gut bei
niedrigem Blutdruck."

dann sollte das verschiedene Dinge zum Ausdruck bringen.


http://ais.badische-zeitung.de/piece/02/cb/a3/c5/46900165.jpg

Der von mir kreierte Begriff "Kathatollah", ist erkennbar angelehnt an den islamischen Ajatollah. Ein Ajatollah hat im Regelfall jahrzehntelange theologische Studien an einer Universität absolviert. Das hat Lohman auch, wenn auch nicht jahrzehntelang. Ein Ajatollah kann Rechtsgutachten, sogenannte Fatwas ausstellen und damit religiöse Rechtsfragen verbindlich klären. Das kann Lohmann nicht. Innerhalb der
katholischen Kirche gibt es - gottlob - eben keine Ajatollahs. Er tritt aber so auf als könne er das, als könne er über einen Kardinal urteilen
und dessen Äußerung theologisch "überstimmen". Als Ritter der reinen Lehre, auch gegen die Kirche. Echt ein demütiger Diener des Herrn.

"Pillepalle danach " , also völlig überflüssiges, überholtes Geschwafel, bezieht sich darauf, dass der Kölner Erzbischof zu dem die Diskussion
auslösenden Thema bereits alles gesagt hatte, was von Seiten der Kirche zu sagen war und es schon ein dreistes Stück von Lohmann ist, als
Quasikirchenvertreter durch die Talkshows zu ziehen und zu versuchen, diese Position zu torpedieren.

Dieser Mann darf seine Meinung äußern, wie jeder andere Christ oder Nichtchrist auch, aber er muss sich dann auch gefallen lassen, dass diese Meinung einfach als abweichende Meinung eines Privatmannes behandelt wird und nicht als etwas, dass der katholischen Kirche zuzurechnen wäre. Nichts wofür die Kirche sich rechtfertigen oder womit sie sich identifizieren müsste.

Das Erzbistum Köln hat durch seine Sprecherin Nele Harbeke zu Lohmanns Auftritt bei Jauch erklärt: "Er war weder vom Erzbistum beauftragt noch hat er in seinem Namen gesprochen." Das kann man gar nicht oft genug wiederholen, bevor noch mehr ungläubig staunende Gläubige meinen, sie
müssten die Kirche verlasse, weil diese Meister Gnadenlos die Position der Kirche vertrete. Tut er nicht.

Andere Bistümer haben sich der Kölner Erklärung angeschlossen. Innerkirchlich ist das Thema also geregelt. Es gibt deshalb keinen Grund, Herrn Lohmann eine weitere Bühne dafür zu geben, gläubige Katholiken aus der Kirche zu treiben.

Denn das ist das einzige, was er mit seiner , den Opfern von Vergewaltigungen gegenüber zynischen Art, erreicht.

Herr Lohmann sollte nicht als offizieller oder halboffizieller "Kirchensprecher" annonciert werden, sondern als das was er tatsächlich ist.

Als Pro-Leben-Aktivist, als Kephas-TV-Chefredakteur, als Vorsitzender des Bundesverbands Lebensrecht, als Erstunterzeichner des /Manifest gegen den Linkstrend/ der "Aktion Linkstrend stoppen", als Mitstreiter des Forums Deutscher Katholiken, die sich als Gegenpol zum von den Bischöfen unterstützten Zentralkomittee der deutschen Katholiken (ZdK) ins Leben gerufen wurden.

Oder einfach als selbstgerechter,selbstverliebter Selbstdarsteller ohne kirchliches Mandat - auf eigene Kasse.

von RA Heinrich Schmitz

Sonntag, 3. Februar 2013

Augstein und Brüderle - Zwillinge für die WELT


http://www.welt.de/img/kommentare/crop113220655/858872674-ci3x2l-w620/Kombo.jpg

Alan Posener in der WELT:
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article113220656/Bruederle-Augstein-und-der-eigentliche-Skandal.html?

Man, was für eine Schmiererei von einem frustrierten Alt-"Journalisten".

Warum solchen Typen wie dem Posener noch eine öffentliche Plattform gegeben wird: absolut schleierhaft.

Und wer sich nun an seine eigene Anti-Augstein-Pro-Broder-Schreibe erinnert, der sieht hier, wo es hinführt:

Knietief in die Kotze.

Diese Posener-Votzigkeit gepaart mit einem Trittin'schen Menschenbild - das will der Mensch von morgen sein.
Aber noch ist es gottseidank nicht so weit.

Posener findet, das

"wirklich Empörende und Beschämende in beiden Fällen ist, dass keine Entschuldigung und damit keine Einsicht erfolgte."

Wer diese beiden Fälle mischt, der schreckt vor nichts mehr zurück. Reinste DDR. Kniefall vor dem Schwachsinn. Kranke Denke. Geistige Bankrott-Erklärung.

Es ist eklig, aber man soll sich dennoch mal den Unsinn dieses einen - beinahe wahllos herausgefilterten Satzes diesen unredlichen Textes auf der Zunge zergehen lassen:

"Gerade die Tatsache, dass in weiten Teilen der Gesellschaft und der Medien der antisemitische Charakter der Äußerungen Augsteins nicht erkannt wurde, war Gradmesser des Problems. Umgekehrt zeigt das Ausmaß der "Aufschrei"-Bewegung, dass wir ein Problem mit dem Sexismus haben."

Oder hier,

"Was die Augstein- und die Brüderle-Debatte verbindet, ist die Tatsache, dass es bei manchen Debattenteilnehmern eine unwiderstehliche Lust am Tabubruch zu geben scheint. Dieser Tabubruch beginnt immer mit dem unschuldigen Augenaufschlag, der Versicherung, man sei gewiss kein Juden-, Israel-, Frauen-, Ausländer-, Muslimen- oder Schwulenfeind, im Gegenteil."

Hier wird also auf einmal wieder das "Tabu" als wichtigste Leitkultur hochgehalten, entgegen den schmierigen Ansagen der Anti-Augstein-Fraktion,die sich so larmoyant empörte:

Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!

What a fuck ...

Freitag, 4. Januar 2013

DIRTY OLD MEN


http://30years.com/wp-content/uploads/2012/05/Broder720.jpg

Broder vs. Augstein, der Fight ist also entschieden. Ringrichter aus allen Ecken der Republik haben zugunsten Frère Jacques die Glocken läuten lassen.

Was gibt es also noch zu sagen? Welche Fragen sind offen geblieben?

Vielleicht so viel: Was ist bloß los mit den alten Männern, mit diesen Schwergewichten, die im letzten Viertel ihres prominenten Daseins unbedingt „All-in“ spielen müssen?

Das Gegenteil gibt es ja auch: Die Gaucks und Schmidts der Republik genießen doch mit ihrer speziellen Art Gesellschaftspoker höchstes Ansehen.

Schauen wir also mal, was die alten Trapper reitet, wenn sie sich dermaßen vergaloppieren, wie aktuell Broder und andere vor ihm. Natürlich, da wirkt zunächst mal der Generationenkonflikt. Die Alten haben sich über Jahrzehnte eingerichtet und wollen nicht weichen. Und die Frischlinge pochen schon lautstark und ungelenk ans verrammelte Tor.

Klar, auf der politischen Bühne kennt man das spätestens seit Helmut Kohls unsäglicher letzter Kanzlerkandidatur oder Gerhard Schröders bierseligem Black Out angesichts der frischen Niederlage gegen Merkel vor laufenden Kameras.

Und an was erinnert das? Wohl am ehesten an Jungs im Sandkasten, die erst friedlich und gemeinsam die höchsten Burgen bauen, nur um sie dann nach Muttis Ruf zum Abendessen in einem Anfall von Zerstörungswut kurz und klein zu schlagen, damit bloß keiner, der am nächsten Morgen früher aufsteht, davon profitiert.

Verbrannte Erde also von Günter Grass bis Henryk M. Broder. Jahrzehntelang Ruhm und Ehren angehäuft – häufig sogar gerade weil man Wagnisse eingegangen, weil man sich glänzend positioniert hat. Aber eben auch kalkuliert, berechnend, mit maximaler Obacht.

Wogen Ruhm und Ehren am Ende so schwer, das man sie mit einer Rüstung verwechselt hat?


http://www.schwesternverband.de/fileadmin/user_upload/Bilder/Altenhilfe/St-Ambrosius_Bingo.jpg

Wie ernst zu nehmen, wie wahrhaftig ist, was – mit oder ohne weißem Bademantel – so irre poltert?

Joppie Heesters nennt Hitler noch im Rollstuhl „eine gute Kerl.“ Zweifelsfrei verzeihlich, stand er doch schon unter Beobachtung der viel jüngeren Frau, die ihm sofort das Lätzchen ums Hälschen drückte, um den Fauxpas zu verwischen.

Wenn nun aber dem Alter ein „Mea culpa“ innenwohnt, ist dann nicht alles entschuldigt, was zwischen den Dritten herausgepresst wird?

François VI. Duc de La Rochefoucauld meinte schon im 17. Jahrhundert zu erkennen: „Mit dem Alter nimmt man an Torheit und Weisheit zu.“ Dass auch hier keine gerechte Verteilung vorgenommen wird, beweist der aktuelle Fall.

Wenn man gegen all das nun aber nichts ausrichten kann, dann gilt es, die unappetitliche Angelegenheit „männliches Altern“ in die neutrale Ecke zu verbannen. Dort, wo sie toben, aber keinen Schaden anrichten kann.

Und Gottseidank! – solche Séparées gibt es ja schon für Männer, die nicht in Würde altern können: Pattaya, Mallorca und den Ost-Harz. Für jedes noch so fahle Bedürfnis ist etwas dabei.

See you!

Mittwoch, 5. Dezember 2012

You'll never walk alone

von RA Heinrich Schmitz


http://ueberwachungsbuerger.files.wordpress.com/2011/04/all-eyes-on-you-logo_gross.gif

Dauerobservation von entlassenen
Sicherungsverwahrten

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einer heute, am 4.12.2012 veröffentlichten Entscheidung

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom
08.11.2012 ,- 1 BvR 22/12

zur Dauerüberwachung von Menschen geäußert, die nach verbüßter Haft und anschließender
Sicherungsverwahrung aus dieser Sicherungsverwahrung entlassen werden mussten.

"Verdienen Schwerverbrecher ihre Privatsphäre?" titelt der FOCUS forsch

http://www.focus.de/politik/deutschland/gesetzesluecke-bei-sicherungsverwahrung-verdienen-schwerverbrecher-eine-privatsphaere_aid_874351.html

und damit voll am Thema vorbei. Na klar haben auch "Schwerverbrecher" ein Recht auf Privatsphäre, das ist doch gar nicht die entscheidende Frage. Und ein Recht auf
Privatsphäre muss man sich auch nicht "verdienen", die ist schon durch das Grundgesetz garantiert. Sie ist ein Menschenrecht und in Art. 2 Abs.1, Art. 1 Abs. 1 GG als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts garantiert.

Dieses besondere Persönlichkeitsrecht dient dem Schutz eines abgeschirmten Bereichs der persönlichen Entfaltung. Jedem Menschen soll dadurch ein spezifischer Bereich verbleiben, in dem er sich frei und ungezwungen verhalten kann, ohne permanent befürchten zu müssen, dass andere von seinem Verhalten Kenntnis erlangen oder ihn sogar beobachten können.

Big Brother gibt's eben nur bei RTL2 und nicht in einem Rechtsstaat. Freiheit bedeutet auch
unbeobachtet leben zu können.

Es ist eine grundlegende Verfassungsregel, dass in solche Grundrechte nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden darf. Und auch dann nur, wenn es wirklich nicht anders geht.

Die Frage, die das Verfassungsgericht damit beantworten musste war also nicht die , ob Schwerverbrecher eine Privatsphäre verdienen ,
sondern die, ob die polizeiliche Dauerüberwachung von Personen, die aus Sicht der Polizei eine Gefahr für andere darstellen, alleine durch die bestehenden Polizeigesetze der Länder gedeckt ist.


http://www.detektei-winkler.de/bilder/Image/firma/Observation%20011.jpg

In allen Polizeigesetzen des Bundesländer gibt es eine recht allgemein gehaltene "Generalklausel" die z.B. in NRW wie folgt lautet:

" Die Polizei kann die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende, konkrete Gefahr für die öffentliche
Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die §§ 9 bis 46 die Befugnisse der Polizei besonders regeln."

Das klingt wahnsinnig allumfassend, ist aber aufgrund der Grundrechte der Bürger nur ganz eng auszulegen. Auch wenn's so klingt bedeutet das
nicht, die Polizei kann alles machen was sie für nötig hält.

In Ermangelung spezieller Regeln für Menschen, die aus der SV entlassen werden mussten, wurden nun aufgrund dieser sehr allgemeinen Regelung
einige entlassene Straftäter rund um die Uhr einer polizeilichen Überwachung unterworfen.

Pro Tag werden so locker 20 Polizeibeamte beschäftigt. Pro Entlassenem. Personeller Overkill.

So kann das auf Dauer jedenfalls nicht weiter gehen. Dieser Grundrechtseingriff ist zu massiv als dass er nicht einer speziellen gesetzlichen Grundlage bedürfe.

Das, nicht mehr und nicht weniger hat das BVerfG heute gesagt.

Die Beschwerde eines Betroffenen war damit im Eilverfahren erfolgreich.

Er war nach insgesamt 25 Jahren Haft und Sicherungsverwahrung, die er aufgrund zweier Vergewaltigungen abgesessen hatte, im September 2010 "entlassen" worden.

Seitdem steht rund um die Uhr ein Polizeifahrzeug mit drei Beamten vor seiner Wohnung in Freiburg. Außerdem hocken stets zwei weitere Polizisten in der Küche der Wohnung herum, wenn der Mann in seinem Wohn/Schlafzimmer ist.

Sobald er seine Wohnung verlässt, wird er ständig
von Polizisten begleitet, die nur dann auf etwas Distanz gehen, wenn er mit seinen Rechtsanwälten oder Ärzten spricht. Sobald er sich aber z.B.
mit Frauen unterhalten möchte, werden diese von den Beamten über den Grund der Überwachung unterrichtet. Stellen Sie sich das mal vor. Das
turnt ab, das kann einen Menschen auf Dauer in den Wahnsinn treiben.


http://www.freiepresse.de/DYNIMG/00/59/3880059_W700.jpg

Jetzt kann man natürlich die Meinung vertreten, diese massive Einschränkung seiner Grundrechte habe der Entlassene sich völlig zu recht eingefangen. Der soll mal nicht so rumjammern.

Falls er tatsächlich noch eine Gefahr darstellen sollte, bleibt der Polizei kaum etwas anderes übrig, als ihn im Auge zu halten. Schließlich
haben die anderen Bürger Anspruch darauf vor bekannten Gefahren beschützt zu werden.

Aber es dürfte auch klar sein, dass eine derartig umfassende Überwachung nicht ohne eine ausreichende Rechtsgrundlage und auch nur dann erfolgen darf, wenn es gar nicht anders geht. Absolute Sicherheit kann es in einem freien Land nicht geben, sonst müsste man jedem einen Polizisten zuteilen und selbst in sogenannten Polizeistaaten gibt es Verbrechen. Und selbst innerhalb der Polizei kommen leider Straftaten vor.

Diese neue, nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts notwendige Rechtsgrundlage müssen jetzt möglichst schnell die Bundesländer
schaffen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, dass das Gericht diese Totalüberwachung irgendwann tatsächlich einmal einfach als
verfassungswidrig aufhebt. Polizei ist nun mal Ländersache.

Die heutige Entscheidung stellt also weder einen Grund zur Panik noch zu aufgeregten Schlagzeilen dar. Keine Angst, das BVerfG hat die Überwachung im konkreten Fall nicht umgehend aufgehoben, aber mal wieder ein paar wichtige Grundrechtspflöcke eingeschlagen. Dafür ist das Gericht da. Und dafür kann man es nicht genug loben.

So muss die Überwachung mit einem frischen Gutachten unterfüttert werden und darf nicht weiter mit einem Jahre alten Gutachten begründet werden, das bereits vor der Entlassung noch in der Anstalt erstellt wurde.

Die Begründung des Gerichts, dass dem Gutachter bei einem solchen Gutachten nur Vermutungen zum Verhalten des Betroffenen in Freiheit möglich waren, da dieser zuvor 25 Jahre in Unfreiheit verbracht habe, ist nicht von der Hand zu weisen. Die neuen Regelungen werden nach meiner Einschätzung wohl auch relativ kurze Fristen für eine regelmäßige Überprüfung der
Gefährlichkeitsprognose beinhalten müssen.


http://www.morgenpost.de/img/brandenburg/crop100735021/5290697257-ci3x2l-h307/mim-wernerk-BM-Berlin-Potsdam.jpg

Dass es überhaupt zu diesen für alle Betroffenen , also auch für die eingesetzten Beamten, belastenden Dauerüberwachungen gekommen ist , ist
das logische Ergebnis einer seit vielen Jahren bestehenden Unfähigkeit des Gesetzgebers eine verfassungsgemäße Regelung der
Sicherungsverwahrung zustande zu bringen.

Aber auch das ist leider nichts Neues.

von RA Heinrich Schmitz

Dienstag, 27. November 2012

CARLA BERLING "DIE RATTENFÄNGER"

Lesen entspannt. Mehr braucht es nicht. Manchmal kommt mit etwas Glück ein Erkenntnisgewinn hinzu. Noch schöner. Heinrich Schmitz hat so ein Buch entdeckt. Und kann es empfehlen. Ihnen, aber auch seinen Freunden und Verwandten. Warum das für alle noch einmal ein besonderer Gewinn ist, lesen Sie hier.
Alexander


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"Eine gute Geldanlage"
von RA HEINRICH SCHMITZ

Kurz nach unserer Hochzeit in den 80er Jahren erschienen nach telefonischer Anmeldung bei uns zu Hause zwei Herren in schicken Anzügen, angeblich auf Empfehlung eines Kommilitonen, unterhielten sich freundlich mit meiner Frau und mir - und zogen nach zweieinhalb Stunden
mit einem Antrag für eine Kapitallebensversicherung von dannen. Da war
ich noch Student. Unser Familieneinkommen reichte so gerade.

Hätte ich damals bereits Carla Berlings "Die Rattenfänger" gelesen, wäre mir das garantiert nicht passiert. Gab's aber leider noch nicht. In der ein oder anderen Form hat vermutlich nahezu jeder von uns einmal Kontakt mit einem oder mehreren Strukturvertrieben gehabt, mit mehr oder weniger großem finanziellen oder persönlichem Schaden, oft ohne es tatsächlich zu bemerken.

Wer meint, ein Roman über den Aufbau und die Methoden eines Strukturvertriebes, der zudem auch noch in den 80ern spielt, sei kalter
Kaffee, überholt, überflüssig und langweilig, der irrt gewaltig. Carla Berlings Roman ist auch heute brandaktuell, notwendig, lebensnah,
informativ. Trotz aller Not, die die beiden Protagonisten, Kellnerin Rena und DJ Mike, vor den Augen des Lesers erleiden, äußerst
vergnüglich. Filmreif.

Rena und Mike, gerade frisch verheiratet, chronisch klamm und voller Träume, geraten an die JUNO, einen Strukturvertrieb des Pegasus-Konzerns. Sie erliegen schnell dem Sog der wunderbaren Versprechungen von Reichtum, Reisen und Luxus und geraten innerhalb kurzer Zeit in ein Netzwerk, dass fortan ihr Leben bestimmt und beinahe auffrisst. Noble Hotels, Seminare, Alkohol, Sex und Eitelkeiten.

Dieser Roman enthält zweifellos Insiderkenntnisse über Methoden, Argumentationsstrategien, Orgien, Provisionen und kleine und große Betrügereien. Informationen ,die mehr leisten als jede Verbraucherberatung. Informationen, die einen den großen Beschiss durchschauen lassen. Hier schreibt eine Autorin, die drin war, die weiß wie es läuft und das auch verrät.

Wie persönliche Beziehungen zwischen Menschen eiskalt dem Profit eines Strukturvertriebes geopfert werden, wie die nächste Stufe innerhalb der Struktur zum wichtigsten Lebensziel wird, wichtiger als ein Baby, wie arglose Mitarbeiter zu gewissenlosen Arschlöchern werden, die auch
Freunden und Familienmitgliedern ohne mit der Wimper zu zucken unsinnige Finanzprodukte verkaufen, das erzählt Carla Berling unterhaltsam und trotz der ja eigentlich drögen Thematik spannend und folgerichtig. Kein Satz Langeweile.


http://www.carla-berling.de/wp-content/flagallery/lesungen/31004_1348645687564_1573996739_830642_2270991_n.jpg

Neben der verständlichen Darstellung der Geschäftspraktiken ist der Roman auch eine flotte Zeitreise in die 80er mit ihrer aus heutiger
Sicht merkwürdigen Mode, ihrer Musik und ihrer Discoszene. Bei der Lektüre bekam ich "Money for nothing and chicks for free" nicht aus dem
Kopf. Für diejenigen, die diese Zeit bewusst miterlebt haben, eine bildhafte Erinnerung, für die jüngeren ein kleiner Ausflug in die skurrile Vergangenheit ihrer Eltern.

Nach der Lektüre dieses Romans werden sie sich so schnell nichts mehr von freundlichen "Anlageberatern" aufschwatzen lassen. Sie werden bei entsprechenden Versuchen mit Freude feststellen, dass die im Buch beschriebenen rhetorischen Tricks immer noch angewendet werden und vielleicht werden sie manche davon selbst mit Vergnügen anwenden. Vielleicht legen Sie auch ab und zu einfach mal den Telefonhörer auf oder gar nicht erst ab.

Heute nennt man Strukturvertriebe vielleicht nicht mehr Strukturvertriebe ,sondern MLM (/Multi-Level-Marketing/ ), Netzwerk-Marketing oder auch weniger stylisch Mundpropaganda - am
zynischen Vertriebssystem hat sich aber nicht viel geändert. Der pyramidenartige Hierarchieaufbau hat genauso überlebt wie die
Kommerzialisierung persönlicher Beziehungen.

Die Feststellung, dass Carla Berling selbst das Prinzip des beschriebenen Mundpropaganda-Marketings äußerst geschickt für die Vermarktung ihrer Bücher z.B. bei facebook eingesetzt hat, sei gestattet. Aber, damit hat sie niemandem, der sich wegen der persönlichen Empfehlung von Freuden zum Kauf und zur Lektüre der "Rattenfänger" entschieden hat, geschadet. Das Gegenteil ist der Fall.

Ergo, die Anlage von 19,90 € für dieses Buch ist eine sehr gute Anlage, die Sie vor größerem Schaden bewahren wird und die Ihnen erheblichen
Profit bringt.

Ich beglückwünsche Sie zu dieser Entscheidung, die ihr Leben verändern wird. Die beiden letzten Sätze werden sie nach der Lektüre der "Rattenfänger" vielleicht nochmal lesen und kritisch überdenken. Ganz falsch sind sie jedenfalls nicht.

von RA HEINRICH SCHMITZ

Donnerstag, 22. November 2012

Jürgen Tritten – Der Unheilige


http://www.gruene.de/partei/bdk-in-hannover/die-bdk-2012-in-bildern.html

Eine Beschimpfung

Jürgen Trittin, diese optische Schnittmenge – schauen Sie mal genau hin – aus Willy Brandt und Heiner Geißler, steht breitbeinig hinterm Rednerpult auf dem Grünen-Parteitag in Hannover. Unübersehbar: auf diesen grünen Schultern lastet was. Und was die Schultern nicht mehr zu tragen vermögen, reiben die Hände zum Sieg: fünfundzwanzig Minuten lang ein großes Händereiben. Psychologen schreiben diese große Geste gerne Sündern als „Waschen in Unschuld“ ins Stammbuch. Mal sehen.

Die Revers seines Jacketts treffen exakt über dem Schriftzug am Rednerpult „Zusammen hält besser“ zusammen. Sonst geht wenig zusammen. Wie schon vor 32 Jahren – damals, als Trittin vom Dunkelroten ins Grüne konvertierte und sich dort zunächst einem heute entsorgten fundamentalistischen Flügel der Partei zuordnete – reaktiviert der Grüne auch in Hannover wieder dieses ungute Urgefühl: Falscher Hund. Jedes Wort, vorgetragen mit der Stimme von Biene Majas Freund Willi, jeder Satz im Sound schon ein Alarmsignal. Schüler kennen das Phänomen überall auf der Welt: So klingt der ungeliebte Oberlehrer. Antrainierte lakonische Hintergründigkeit ohne Tiefgang. Routine ohne dialektische Hygiene. Die personifizierte Blasiertheit.

Glasklare Gewissheit: Da quatscht einer wider besseren Wissens. Da dödelt sich einer durchs Parteitagsprogramm, dem nichts mehr heilig ist. Ein Unheiliger. Mein persönlicher Eindruck: So treten Prahlhänse auf, die sich ihrer Prahlerei unsagbar sicher sind. Die längst wissen, wie sie ihre Schäfchen ins Trockene bringen und die nur noch pro Forma jenen Millionen gut zureden, die sie in Zukunft in einem zweiten noch gründlicheren Durchgang eiskalt im Regen stehen lassen wollen. Parteikader-Verlogenheit und ex-bundesministeriale Vollzeitarroganz.

Sie finden das jetzt polemisch? Dann hören Sie mal auszugsweise, was der Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen – einer der beiden Spitzenkandidaten für seine Partei bei der Bundestagswahl 2013 – seinen Delegierten in einem platten Festzelt-Vortrag in Hannover so zu sagen hat:

„Wir wollen den grünen Wandel, weil der Klimawandel ungebremst voranschreitet.“ „Noch nie war so wenig Eis am Nordpol, wie in diesem Sommer. Das schreit nicht nach Zurücklehnen, das schreit doch nach Veränderung. Nach dem grünen Wandel! Wir wollen den grünen Wandel, weil aus der Finanzkrise von 2008 nichts gelernt wurde. Noch immer halten sich Banken Staaten als Geiseln.“

Ja Himmel noch eins, geht’s noch naiver, noch willkürlicher populistisch zusammengewürfelt? Kaum, denn Trittins Beliebigkeit ist der Sound der Populisten überall auf der Welt. Wer einmal den so gerne als Populisten gescholtenen Linken Oskar Lafontaine auf irgendeinem deutschen Marktplatz zugehört hat, der weiß zumindest, wie so etwas besser geht.

Und wer will sich eigentlich „zurücklehnen“? Wer hätte einen Grund dazu? Was hat die Wahl der Grünen mit dem Eis am Nordpol zu tun? Und was für eine öde Déjà-Vu-Willensbekundung ist das denn, wo die Grünen schon in ihrem Parteiprogramm 2009 an vorderster Stelle festschrieben: „Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens 2 Grad“ und davon heute kein Grad abrücken. Ungenießbarer Ausstellungs-Zuckerguss.

Oder glaubt man ernsthaft eine Außen- und Wirtschaftspolitik betreiben zu können, die den Chinesen, den Indern, den Russen uns sonst wem vorschreiben könnte, wie viel CO2 maximal verdampft werden darf, während die europäische Autoindustrie hinter der „Großen Mauer“ jene schwarzen Zahlen schreibt, die überhaupt erst garantieren, das wir hier in relativem Wohlstand politisch debattieren können?

Nein, da lassen die Grünen ihren Direktmandats-Altersrebellen Ströbele im Deutschlandfunk ein paar beschwichtigende Worte zu den Menschenrechten in China sagen, von denen man sowieso weiß, das sie Minuten später im Äther gnädig dem kollektiven Vergessen anheimfallen: „... man muss hin und wieder auch bereit sein, in einen Konflikt zu gehen, also zum Beispiel, wenn es darum geht, etwa Menschen aufzunehmen, die in China um ihr Leben fürchten müssen, die dort verfolgt werden.“ Ach herrje.

Aber zurück zu Trittin, der ja gerade seine 25 Minuten hat. Wir erleben die mediale Inszenierung einer grünen Aufbruchsstimmung:


http://www.gruene.de/partei/bdk-in-hannover/die-bdk-2012-in-bildern.html

„Wir wollen den grünen Wandel, weil Wohlstand in dieser Gesellschaft noch nie so ungerecht verteilt war.“ „Wir wollen den grünen Wandel, weil das historische Friedensprojekt Europa in ernster Gefahr ist.“

Ja Mensch Jürgen, das wolltet Ihr doch 1998 schon! „Wir wollen den Grünen Wandel“ ist zudem eine madige und unattraktive Coverversion von „I have a dream“ oder von „Yes we can“.

Mal polemisch und lautstark zurückgebrüllt: „Alter Junge! Bei 13 (plus-minus) Prozent für die Grünen, da wird’s wenn überhaupt, dann wohl eher ein ziemlich mickriger Wandel. Grüngestreifter Steinbrück. Wie soll das gehen? Denn so wenig rot wie rot heute bei der SPD ein Purpur ist (für den Menschen) ist grün heute noch grün (für die Umwelt). Das wissen Trittins Delegierte natürlich auch.

Aber das könnten auch die Bürger vor dem Fernseher wissen, wenn sie sich nur genau erinnern wollen. An die Regierungsarbeit der Grünen/SPD von 1998-2005. Diese sieben Jahre und 26 Tage endeten in einer großen Enttäuschung und einem unrühmlichen Abgang sogar ein Jahr vor der Verfallszeit. Daran sollten sich die ebenso erinnern, die in Lohn und Arbeit stehen, wie die Agenda-2010-Geschädigten, die Hartz4ler, die Selbstständigen, die Stromabgestellten, die Zwangsprivatisierten, usw.

Ja, Trittin baut 2012 aufs kollektive Vergessen. Aber das sollten wir ihm in diesem x-ten Durchgang nicht mehr durchgehen lassen. Klartext: Die Neuversion der Farce vom Neuanfang heißt dieses Mal „Grüner Wandel“.

Nordpol-eisiges Marketing ist das. Die Sarotti-Mohr-Taktik „Stückchen für Stückchen“ wird vorübergehend zum Füllhorn gemorpht. Zum Interims-Füllhorn des guten Willens: Ja, „Wir wollen ...“.

Aber weiter in Hannover: Übergangslos von den grotesk hohen Arbeitslosenzahlen der Jugendlichen in Europa wird von Trittin der nächste Themablog mit letzter Luft rausgehechelt:

„Und ich sage auch, ein gemeinsames Europa, das muss auf den arabischen Frühling eine andere Antwort haben, als Frontex („Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit“), Abschottung und Panzer nach Bahrain. (Jubel). Wir wollen den Grünen Wandel, weil wir 'ne offene Gesellschaft wollen.“

Also braucht der „arabischen Frühling“ den „Grünen Wandel“ aus Hannover? Da kann man den Arabern nur wünschen, Allah möge den arabischen Frühling vor diesem grünen Spätherbst beschützen.

Nach dem 178sten Händereiben:

„Dieser Grüne Wandel braucht ein Ziel. Wir können das benennen: Wir wollen eine Gesellschaft, die 100% Ihrer Energie aus erneuerbaren Energien dezentral und zentral gewinnt.“ „Wir treten dafür ein, dass die Klassenherkunft nicht länger das Klassenziel bestimmt, damit alle eine gute Bildung haben. Wir wollen, dass Familie da ist, wo Kinder sind, egal ob die Eltern hetero, schwul oder lesbisch sind. Wir wollen ein europäisches Deutschland. Und nicht ein Europa das Deutsch spricht, wie sich das der Herr Kauder vorstellt (jubel).“


http://www.gruene.de/partei/bdk-in-hannover/die-bdk-2012-in-bildern.html

Was hier wie ein heilloses Durcheinander klingt, ist eines. Reinste Mitnahmementalität. Und weil sich das selbst dechiffriert, muss eine Stringenz her:

„Das hat uns übrigens schon immer ausgemacht, dass wir wussten, wo wir in den nächsten Jahren hingehen wollen.“

Beamen wir uns kurz wider dem Vergessen zurück ins Jahr 1998 und stellen uns mal vor, die Grünen hätten damals tatsächlich gewollt, was sie bis 2005 angerichtet haben. Nein, der fleißige Händereiber hinterm Rednerpult muss 2012 auf eine kollektiven Amnesie hoffen.

Hofft er am Ende zu Recht? Ist unser Langzeitgedächtnis schon so irreparabel sediert? Trittin scheint davon auszugehen, denn er liefert das Erinnern gleich mit:

„Wir waren schon für Vollkornläden, als Supermärkte (…) noch nicht ganze Regale dafür freigeräumt haben. Und wir waren für die Homo-Ehe, als noch die ganze Gesellschaft gegen uns stand. Wir waren schon für eine Frauenquote, als bei der CDU Frauen nur zum Servieren an die Tische kamen. Ja, (händereib) wir haben dabei einen langen Atem bewiesen, aber am Ende lagen wir richtig. Mit unserer Beharrlichkeit haben wir die Mitte dieser Gesellschaft verändert.“

Das allerdings wage ich zu bezweifeln, denn viel offensichtlicher ist doch, wie elementar die Gesellschaft die Grünen verändert hat. „Gigni de nihilo nihil, in nihilum nil posse reverti“ (Nichts wird aus dem Nichts geboren, und nichts kann ins nichts zurückgeführt werden.)

Eine Erkenntnis bleibt allerdings doch am Ende dieses Ein-Mann-Händereibens für alle: Jürgen Trittin hat in Hannover eindrucksvoll Jutta Ditfurth wiederlegt, denn die sagte mal: "Die Wähler der Grünen sind schlimmer als die Grünen.“


Auch veröffentlicht hier: http://www.prager-fruehling-magazin.de/article/937.der-unheilige.html

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