HEINRICH SCHMITZ

Donnerstag, 3. Mai 2012

Memory 3.0 - Segen oder Plage ? von RA HEINRICH SCHMITZ

Und zu diesem Thema hier

http://wallasch.twoday.net/stories/enter-in-memoriam/

quasi als direkter Schlagabtausch
ein noch viel weiter geöffnetes, wunderbares Sichtfenster ins facebook, in unser aller Erinnerungen – ins pralle Leben!

von RA Heinrich Schmitz.


Facebooks Chronik speichert alles für immer und ewig, unbegrenzt und ungefiltert. Jedes like, jeder müde Witz, jeder geistreiche Kommentar, jedes Foto - ALLES.

Damit bietet facebook, aber auch andere speicherwütige soziale Netzwerke, einen stetig wachsenden Speicher an Erinnerungen, oder ?

Wie war das noch früher schön, die gute alte Zeit, wo mancher vielleicht Tagebuch führte, aber die breite Mehrheit sich ihre Vergangenheit
zusammenerinnern konnte wie sie wollte. Aus und vorbei.

Die Angler werden es bedauern, dass ihr Fang nicht mit jeder aus der Erinnerung geschöpften Erzählung immer länger wird, weil sie den Fang ja
stolz auf fb im Bild verewigt haben. Dabei haben sie keineswegs gelogen, ebensowenig wie die Jäger mit ihrem Jägerlatein.


http://www.hicker.de/data/media/29/angler-neufundland_5552.jpg

Erinnern ist kein Abrufen von Videoclips auf einer internen Hirnfestplatte, es ist ein aktiver Vorgang. Bei jedem Erinnern schafft unser Gehirn erst eine neue Erinnerung , aus einzelnen Schnipseln, die an unterschiedlichen Stellen des Gehirns abgelegt, mit positiven oder negativen Gefühlen verküpft und alles andere als Fakten sind.

Es fängt schon bei der Wahrnehmung an, die immer subjektiv und stets selektiv ist. Während der eine sich an die schöne Stimme einer Sängerin erinnert, hat der andere nur noch ihren Ausschnitt im Kopf, während der Fan der
siegreichen Mannschaft den Elfmeter für berechtigt hält, erinnert der Fan des Verlierers eine grobe Fehlentscheidung des Schiedsrichters.
Unser Hirn ist kein zuverlässiges Speichermedium.


Es ist immer wieder eine Freude, die Veränderung von Erinnerungen über einen gar nicht mal so langen Zeitraum beobachten zu dürfen. Im
Strafverfahren werden Zeugen meist kurz nach einem Geschehen, dass sie beobachtet haben von der Polizei befragt, etwas später vielleicht
nochmal, dann in der ersten Instanz und vielleicht ein halbes Jahr später in der Berufung.

Es ist absolut irre. Während ein Zeuge zum
Beispiel einen Verdächtigen bei seiner ersten Vernehmung nicht näher beschreiben konnte ( Mann, helle Jacke), meint er ein paar Tage später,
die Jacke habe rote Streifen gehabt und der Mann sehe genauso aus, wie einer, den er einen Tag vorher gesehen hat. Im ersten Termin "erinnert"
er sich dann daran, dass er doch schon bei seiner ersten Vernehmung von den roten Streifen erzählt hat - was natürlich nicht so war. Der lügt
nicht ! Der erinnert sich nur. Manche erinnern sogar Dinge die nie geschehen sind - false memory effect - bei jahrelang zurückliegenden
Sexualstraftaten gerne genommen.


http://www.ag-luedinghausen.nrw.de/service/zeugen/Zeugenvernehmung.jpg


Erzählen langjährige Ehepartner eine gemeinsam erlebte Geschichte, dauert es nur wenige Sätze bis der eine den anderen unterbricht und
vehement darauf hinweist, dass das doch alles ganz anders war.


Wird facebook die Erinnerung verändern ? Verschlechtern oder verbessern? Schwer zu sagen. Natürlich wird es einfacher werden, die Frage zu
beantworten, was haben sie am 3.5.2006 gemacht, wenn man an dem Tag bei facebook etwas hinterlassen hat, aber das könnte ich auch, wenn ich in meinen alten Terminkalender gucke. Bis auf ein paar fb-Junkies wird wohl niemand alles was er an einem Tag getan oder erlebt hat bei facebook verewigen.

Good times eher , bad times eher nicht.
Einzelheiten schon gar nicht. Auf facebook will doch, wie auch sonst in der Öffentlicheit,
keiner schlecht aussehen. Facebook speichert also gar keine Erinnerungen, sondern lediglich postings, also bereits vorsortierte Botschaften an die "Freunde". Klar kann man daran später noch erkennen, womit man sich zu einem Zeitpunkt mal gedanklich beschäftigt hat, viel mehr aber auch nicht.

Ein Tagebuch - sofern man darin ehrlich mit sich
selbst umgeht , und warum sollte man das nicht - hat ein wesentlich höheres Erinnerungspotential.


http://www.design-literatur.de/blog/wp-content/design_tagebuch_21.jpg

Dass die eigenen Erinnerungen sozusagen bei facebook abgeliefert werden, halte ich für unwahrscheinlich. Eventuell kann man sich aber
Erinnerungen besser zurück holen, wenn man in 20 oder 30 Jahren gefragt wird, "wie war das eigentlich damals mit den Piraten, Opa. Warst du
dafür oder dagegen ?" Wenn man sich dann seine eigenen Kommentare noch mal ansieht, kommt der Wahrheit vermutlich näher als der eigene Opa,
der auf die Frage , wie war das eigentlich mit den Nazis, auf Erinnerungslücken verweisen kann. Ob das gut ist, ist eine andere Frage.

Wenn einem die virtuell-reale facebook-Erinnerung nicht mehr gefällt, kann man ja auch problemlos wieder in den biologisch-gnädigen
Erinnerungsmodus umschalten, sich wie Alexander Wallasch bei facebook abmelden und damit alles, was man so von sich gegeben hat, dem Zugriff
der Öffentlichkeit und - noch viel wichtiger - dem eigenen Zugriff entziehen, nach dem adenauerschen Motto: "Was kümmert mich mein
Geschwätz von gestern."

Segen oder Plage ? Hat jeder selbst in der Hand.

von RA Heinrich Schmitz.

Freitag, 13. April 2012

RA HEINRICH SCHMITZ – PsychKG 2.0 - Der Wahnsinn sitzt

Und wieder eine interessante und ebenso brisante Überlegung unseres lieben RA Schmitz !!! – diesmal zu einem gutgemeinten, aber wohl doch nicht so gut gelungenen neuen Erlass (sagt man "Erlass"?) der "Freunde der deutschen Psychiatrie" in NRW.

Ich musste dabei übrigens sofort an einen wundervollen Film denken – nein, nicht "Einer flog übers ..." sondern "Ich habe Dir nie einen Rosengarten versprochen" der mich in den 1980ern? mal sehr berührt hatte.

Danke Heinrich!





PsychKG 2.0 - Der Wahnsinn sitzt
von RA HEINRICH SCHMITZ

"Wir sitzen fest ! Wir werden verrückt !" Nein, diesmal sind es nicht nur die Patienten geschützter psychiatrischer Abteilungen,die schreien. Es sind die Pflegekräfte, die schon im April 2012 mit ihren Nerven am Ende sind.

Grund für den Aufschrei und die Hilfsanfragen vieler Pflegekräfte in der Psychiatrie ist eine ganz tolle "Verbesserung" des PsychKG in NRW.

Im November beschloss der NRW-Landtag mit der Mehrheit von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei eine Änderung des PsychKG, die die böse,
menschenfeindliche BigBrother-Technologie der Videoüberwachung von fixierten Patienten gesetzlich verbot. Kamera aus, Feierabend, keine
Ausnahmen. Seitdem sitzt in einer geschlossenen Psychiatrie nicht nur der Patient fest, sondern auch das Pflegepersonal.

Die nach PsychKG in NRW untergebrachten Patienten sind nicht freiwillig und normalerweise nicht gerne dort. Das Gesetz dient dem Schutz des
Patienten oder anderer Menschen. Dazu ist es leider manchmal nicht zu vermeiden, einen Patienten zu fixieren, d.h. im Klartext ihm ans Bett zu fesseln. Fieses Gefühl, wie wohl jeder nachvollziehen kann. Das kann unter bestimmten Voraussetzungen vom Arzt angeordnet werden.

Bis zu dem grandiosen Kameraverbot konnten die Patienten in dieser für sie misslichen Situation mittels Videoüberwachung beobachtet werden.
Alle 15 Minuten musste jemand vom Personal im Raum nachsehen, ob der Patient o.k. war oder einen anderen Wunsch hatte, als den endlich
losgemacht zu werden.

Das fanden dann die Politiker, die in ihrer Mehrzahl vermutlich noch nie in einer Psychiatrie gearbeitet haben oder dort fixiert wurden, ganz
schlimm. Einer von ihnen, der FDP Mann Stefan Romberg, selbst Psychiater in Hamm, sah in den Patientenzimmern "Schutzräume , in denen
Videokameras nichts zu suchen hätten." Das klang ja alles so menschlich, so gut, so sozial, so freiheitlich, so links , so grün. Nur die CDU
wollte die Art der Überwachung den Ärzten überlassen, aber die hatten ja in NRW nix zu melden.

Also wurde reformiert, menschlich gemacht, verbessert was das Zeug hält. Der fixierte Patient wurde befreit ! Zwar nich von seinen Fesseln, aber immerhin von einer kleinen Cam an der Decke.


http://img.fotocommunity.com/images/Architektur/Marodes/ich-hab-dir-nie-einen-Rosengarten-versprochen-a27201687.jpg

Seit Dezember 2011 muss nun neben jedem fixierten Patienten eine sogenannte Sitzwache daneben sitzen. Das ist zwar oft vom Patienten absolut unerwünscht, weil er sich von diesem fremden Menschen belästigt und beobachtet fühlt, häufig sogar die Pflegeperson in sein akutes Wahnsystem integriert und durch den ständig neben ihm sitzenden Menschen große Angst entwickelt und daher nicht zur Ruhe kommt. Irgendwie blöd. Dumm gelaufen. Die alte Kameraüberwachung hatte er meistens schnell vergessen, der Sitzpfleger ist kaum zu übersehen.

Patienten, sie stark alkoholisiert sind, vielleicht noch zusätzlich ein paar Drogen konsumiert haben und fremdaggressiv sind, sehen das Pflegepersonal als Feind an, nicht als Hilfe. Sie brüllen, bedrohen, beschimpfen, bespucken und beleidigen die Sitzwache auf das Übelste.Sie
können ja sonst auch nicht viel machen mit ihren Gurten. Und es ist ja auch ihr gutes Recht sich auszutoben, sonst wären sie ja nicht in der
geschlossenen Abteilung. Es kommt schonmal zu Morddrohungen und nicht selten wird die Sitzwache noch mit der Urinflasche beworfen. Mit irgendwas muss der Patient sich ja abreagieren. Vorsicht bei der Berufswahl kann man da nur sagen. Das hatte der gute Herr Romberg und die menschenfreundlichen Landtagsabgeordneten wohl nicht einkalkuliert, bei ihrem Freiheitsbekenntnis.

Naja, Herr Romberg ist ja auch Arzt und
keine Pflegekraft. Dem kann's ja eigentlich egal sein. Der Arzt ordnet die Fixierung ja nur an, er musss sich ja nicht stundenlang neben den
Patienten setzen.

Aber die Pflegerin oder der Pfleger muss das alles heroisch über sich ergehen lassen und brav sitzen bleiben, man ist ja schliesslich
Profisitzer, hat Nerven aus Stahl, was soll's. Steht ja so - ohne Ausnahme - im Gesetz.

Bei suizidalen Patienten war es auch vorher schon sowieso durch permante Kontrollen gewährleistet, dass ihnen nichts Schlimmeres geschieht, da
war und ist das Personal ohnehin immer extrem wachsam.

Bei persönlichkeitsgestörten Patienten aber, die verstärkt Aufmerksamkeit wünschen und fordern, ist das menschliche Rumsitzen
leider ziemlich kontraproduktiv, da die Sitzwache zuverlässig verhindert, dass der Patient zur Ruhe kommen kann.



Die Gesetzesänderung wird nicht nur von gestressten Pflegekräften als absolutes Reformdesaster angesehen- sie tut den Patienten nicht gut und dem Personal auch nicht.

Und überhaupt: Wo soll man das für eine dauerhafte Sitzwache erforderliche professionelle Pflegepersonal denn so her nehmen? Es wird
gleichzeitig genau an diesem gespart, der Stellenschlüssel wurde nicht erhöht, ist zu teuer. Vor ein paar Tagen habe ich mit eigenen Augen eine kreative Lösung gesehen. Gleich 4 fixierte Patienten lagen in einem Raum
und brüllten auf einen Pfleger ein, der an diesem Tag das große Sitzwachenlos gezogen hatte. Für die Patienten und den Pfleger die reine
Freude. Ein vertrauliches Gespräch mit "meinem" fixierten Mandanten war kaum möglich. Ins Ohr wollte ich ihm nicht flüstern, er hätte mich
beißen können.

Und die anderen, nicht fixierten Patienten kommen zwangsläufig zu kurz. Für sie fehlt es folgerichtig an Ansprechpartnern. Vielleicht sollten sie einfach was randalieren, damit sich jemand zu ihnen setzt. Ein ganz tolle Verbesserung dieses schöne neue Gesetz.

Das eingesetzte Pflegepersonal ist schon nach zwei Stunden Sitzwache bei einem tobenden Patienten arg strapaziert, ist völlig groggy und
gestresst und will nur noch weg. Nachvollziehbar, oder ? Das hält kein Mensch lange aus. Und auch Pflegekräfte sind Menschen, keine Übermenschen.

Kein Wunder, dass immer weniger Leute diesen für die Gesellschaft wichtigen Beruf ergreifen wollen. Da wäre man ja völlig bekloppt, sich
so was freiwillig anzutun. Keiner setzt sich ins Kuckucksnest.

Super gemacht liebe Landesregierung, das nennt man einen Bärendienst. Da könnte man ja nach der Wahl im Mai mal drüber nachdenken.

Aber es war ja so gut gemeint und so schlecht gemacht.

Von RA HEINRICH SCHMITZ

Samstag, 7. April 2012

Emden-Mob - Der Volkszorn und die Unschuldsvermutung

Und hier mal wieder ein intelligenter Essay von RA HEINRICH SCHMITZ zum Emden-Mord, dem Pöbel und einem armen 17-Jährigen. Ein Essay, der zweifellos Abdruck in den großen Zeitungen verdient.


http://images.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-04/mordfall-lena-emden/mordfall-lena-emden-540x304.jpg


von RA HEINRICH SCHMITZ

Was haben sie getobt. Hängen sollte er. Endlich war mal wilder Westen in Emden. Und im Netz. Und überhaupt - unsere Justiz, unsere Polizei,
unsere Staatsanwaltschaften. Alles Weicheier. Überflüssige Verhinderer der wahren Gerechtigkeit aus den Tiefen des Volkes.

Nach einem Mord an einem 11-jährigen Mädchen am vergangenen Samstag hatte die Polizei am Mittwoch einen 17-jährigen Berufsschüler
festgenommen, das Amtsgericht Emden erließ Haftbefehl, die Presse wurde informiert und informierte das Volk.

Ein Haftbefehl kann nach der Strafprozessordnung erlassen werden, wenn der Beschuldigte einer Straftat dringend verdächtig ist und außerdem ein Haftgrund vorliegt. Haftgründe sind Flucht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder wenn keiner dieser Haftgründe vorliegt , bei
Wiederholungsgefahr. Man sollte daher annehmen, dass gegen jemanden gegen den ein Haftbefehl erlassen wird, schon erhebliche
Verdachtsmomente vorliegen müssen. Sollte man annehmen. Nun kenne ich zwar nicht die Ermittlungsakte, sondern wie der Rest der Bevölkerung nur die Berichterstattung, aber was da so mitgeteilt wurde, löste schon von
Anfang an ein mulmiges Gefühl aus.

Da wurde berichtet, der Verhaftete habe kein Alibi für die Tatzeit. Na sowas. Hatte ich auch nicht. Die Tatsache, dass jemand für eine Tatzeit kein Alibi hat, ist keineswegs ungewöhnlich und alles andere als ein
Tatnachweis. Selbst als Indiz taugt so eine Erkenntnis höchstens im Zusammenhang mit irgendwelchen anderen, besseren Indizien, die aber auch nicht übermittelt wurden. Kein Täter hat ein Alibi, aber nicht jeder der kein Alibi hat, ist damit auch ein Täter.

Da hieß es noch, der 17-jährige habe sich auffällig verhalten und in Widersprüche verwickelt. Auch nicht übel. Aber eben auch nichts greifbares. Auffälliges Verhalten ist weder verboten, noch ein Hinweis auf eine Schuld. Widersprüche in polizeilichen Vernehmungen sind auch keine Seltenheit. Oft sind es auch nur Missverständnisse. Lassen sie
sich mal vernehmen, macht richtig Spaß, sie sind völlig entspannt, wenn man ihnen vorwirft ein Kind vergewaltigt und danach ermordet zu haben,
nicht wahr ? Trotzdem ein Haftbefehl, da vermutete ich zunächst einmal, die hätten da noch was in der Hinterhand, was sie zunächst bewusst vor der Öffentlichkeit nicht nennen wollten, Täterwissen oder was anderes ,
was man aus vernehmungstaktischen Gründen zurückhält. Pustekuchen.

Und da hatte Emden seinen Mörder. Schwuppdiwupp. So lieben das die Ermittlungsbehörden, schneller Erfolg, gute Presse. Und das Volk erst. Fall erledigt.Gefahr gebannt.

Nur noch ein kleiner Lynchmordaufruf auf facebook und ab zum Polizeipräsidium. So einen muss man doch einfach totschlagen, das macht
gute Laune, da steht man auf der Seite der Guten, die eine Schlacht gegen das Böse schlägt.

So sehr ich den Ansatz der Piraten zu "liquid democracy" für die politische Entscheidungsbildung interessant finde, so sehr fürchte ich mich vor einer "liquid justice" , einer Volkswutgerechtigkeit, die blindwütig liquidiert.

Solche idiotischen Lynchmobs sind u.a. damit erklärbar, dass unser Strafrechtssystem noch immer unverstanden ist. Die Unschuldsvermutung
wird als kleinkariertes Tintenpissertum verachtet, wir sind der Mob, wir nehmen das Recht in die eigene Hand. Kreuziget ihn.Urteile ergehen doch im Namen des Volkes und wir sind das Volk.

Und dann - blöd aber auch. Ist dieses Dreckschwein doch tatsächlich nachweislich unschuldig. Ja, wie jetzt, so geht das aber nicht. Da war der Mob sich doch so sicher. Der ist es, der muss weg.

Der arme Kerl wird einen Schock für's Leben bekommen haben, dass man ihm eine solche Tat unterstellt hat, schrecklich. Richtig nett ist's auch in der U-Haft nicht, schon gar nicht wenn man mit 17 Jahren dort als kinderfickender Mörder einsitzt. Unschuldsvermutung ach was. Bei solchen Vorwürfe bringen sich Unschuldige auch schon mal um.

Erst gestern fragte ZDF heute bei facebook : "Bewährung für Berliner U-Bahn-Schläger - wirken solche Urteile abschreckend? " und löste damit
eine Lawine von abfälligen Kommentaren zur Qualität unserer Justiz aus. Eine Frau Fuehrer schrieb z.B. : " Unser Rechtsstaat ist nicht mehr zu begreifen. Was muß noch alles passieren bis ordl.Urteiile gefällt werden. " An diesem Kommentar ist was Wahres dran, viele Menschen begreifen "unseren Rechtsstaat" nicht und sie begreifen nicht, was für ein Glück
sie haben in einem solchen Rechtsstaat leben zu dürfen.

Das könnten wir ändern, wenn das Wissen über den Rechtsstaat und seine Grundregeln von klein auf vermittelt würden. Aber das geschieht nicht.
Rechtskundeunterricht ist nur eine freiwillige Mini-AG an manchen Schulen. Die Medien vermitteln den Rechtsstaat gar nicht, lieben aber die Berichterstattung über Mord, Totschlag , Vergewaltigung und Kindesmissbrauch. Das scheint das Volk zu lieben. Das bringt Quoten. Als reale Fälle und dann noch als prickelnde Kriminterhaltung. Je brutaler um so quotenträchtiger. Wenn es Videos aus Überwachungskameras gibt werden die gerne immer wieder gezeigt. Wenn sonst so über die Justiz
berichtet wird, dann meistens unqualifiziert und stets kritisch.Erinnern sie sich daran, dass ein Urteil mal positiv kommentiert wurde ?

Der nachweislich unschuldige 17-jährige Schüler ist zu bedauern, seine Verhaftung möglicherweise auch durch den Öffentlichkeitsdruck auf den
Haftrichter voreilig gewesen, und dennoch ist der Ausgang für ihn ein Triumph des Rechtsstaats , ein Beweis dafür, dass die Unschuldsvermutung
unverzichtbar ist und niemand als Täter feststeht, bevor er rechtskräftig verurteilt ist. Die Betonung liegt hier auf rechtskräftig,
denn es gehört auch zu einem Rechtsstaat, dass der Tatsache, dass auch Richter keine Götter sind und daher irren können, dadurch Rechnung
getragen wird, dass auch Urteile durch ein Rechtsmittel überprüft werden können. Vom Angeklagten, wie von der Staatsanwaltschaft. Das garantiert zwar nicht, dass jedes Urteil richtig ist, es minimiert aber das Risiko von krassen Fehlentscheidungen so gut es geht.

Dieses wunderbare System muss vor dem Mob geschützt werden.

Ich wünsche mir, dass derjenige, der per facebook zum Mob aufgerufen hat und alle seine Sympathisanten und Mobteilnehmer die Segnungen des Rechtsstaates zu spüren bekommen. Straftäter müssen verfolgt werden. Die Anstiftung zu einem Lynchmord kann ohne weiteres als Anstiftung zum Mord gewertet werden.
Aber das muss dann der gesetzliche Richter entscheiden, kein Mob-Mob.

Von RA HEINRICH SCHMITZ

Mittwoch, 22. Februar 2012

Lynchlust - Die tödlichen Ideen und die Menschenrechte

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Mein Freund Heinrich Schmitz hat eine wichtige Botschaft, die ich hier mal teile.


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Lynchlust
Die tödlichen Ideen und die Menschenrechte.

von RA Heinrich Schmitz



*- Über 26000 Menschen rufen aktuell über facebook dazu auf, den saudischen Journalisten und Blogger Hamza Kashgari zu töten, weil er
über twitter angeblich den Propheten Mohammed verletzt haben soll.

http://de.wikipedia.org/wiki/Hamsa_Kaschgari

**

*- Im November 2010 veröffentlichte ein Zeitung in Uganda einen Lynchaufruf gegen Homosexuelle, den ein wütender Mob dankbar aufnahm.

http://www.seiten.faz-archiv.de/fas/20101114/sd1201011142894388.html
**

*- Seit dem 13. Jahrhundert beteiligten sich zahlreiche Menschen begeistert an der Verfolgung und Verbrennung von "Hexen" genannten Frauen.*

**

*- Im Internet fordern Menschen die Todesstrafe für alle möglichen Straftäter.*

**

*- Nicolae Ceausecus, Saddam Husseins und *Muammar al-Gaddafis gewaltsame Tötungen fanden begeisterte Zustimmung und die Bilder ihrer
Leichen fanden weltweit reißenden Absatz.**

**

**- Amerikanische Soldaten bildeten in Afghanistan ein "Kill-Team" und frönten einer schauerlichen Lust am Morden.**

**

**- Während des Holocaust, der stalinistischen "Säuberungen", der chinesischen Revolution, usw. fanden millionenfache Morde statt. **

**

**Die Beispiele ****ließen sich beliebig fortsetzen und belegen nur eines: Der Mensch tötet nicht nur gerne andere Menschen, er ergötzt sich auch noch an der Entwürdigung der Getöteten. **

**

**Dabei fällt auf, dass die Lust am Lynchen nicht etwa nur von besonders "bösen" oder "abartigen" Mitgliedern der Gesellschaft ausgeht, sondern
von ganz "normalen", "guten" Mitbürgern. Es ist offenbar auch vollkommen gleichgültig, welchen Anlass es für diese Mordlust gibt, ausreichend
ist, dass es überhaupt irgendetwas etwas gibt, was die Menschen in ihrer Mordwut glauben lässt, sie könnten sich über andere erheben und diese
auslöschen.**


(Lynchjustiz in den USA)

**

**Das können religiöse Gründe sein - wobei auch über die Jahrhunderte gesehen die Religion beliebig ist - , es können ideologische Gründe
sein, Hauptsache, der lynchgeilen Masse wird irgendeine Begründung geliefert, es sei geboten und richtig gut, andere ihres Lebens zu
berauben - gerne auch schön grausam und am besten live und in Farbe, im TV oder als livestream.**

**

**Wenn man sich diese weltübergreifende allgemeine Gewaltbereitschaft ansieht, erscheint es schon als Wunder, dass es der Menschheit im Laufe ihrer Geschichte überhaupt gelungen ist, die Idee zu entwickeln, jedem Menschen sogenannte Menschenrechte zuzubilligen, die letztlich immerhin sogar in einer "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" der Vereinten Nationen deklariertt wurden. **

**

**Da stehen auch ganz bemerkenswerte Sachen drin, wie die Menschen sich mal vorgestellt haben, dass sie die Welt gerne hätten u.a. weil "die Nichtanerkennung und Verachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei geführt haben, die das Gewissen der Menschheit mit Empörung erfüllen, und da verkündet worden ist, dass einer Welt, in der die Menschen Rede- und Glaubensfreiheit und Freiheit von Furcht und Not
genießen, das höchste Streben des Menschen gilt "

http://www.ohchr.org/EN/UDHR/Pages/Language.aspx?LangID=ger


**Als Rheinländer möchte man ausrufen: " Nee wat is datt schön !" , um sofort festzustellen, dass diese tolle Erklärung bereits vom 10.Dezember
1948 stammt . **

**

**Dass die allgemeine Verachtung der Menschenrechte durch die Menschen seit diesem Zeitpunkt wesentlich zurückgegangen wäre, wird niemand ernsthaft behaupten. Dass die Menschen wirklich weltweit Rede- und Glaubensfreiheit und Freiheit von Furcht und Not genießen, behauptet nun wohl auch niemand ernsthaft. Da leben wir in Europa schon am angenehmsten.**

**

**Man fragt sich natürlich zwangsläufig, woran das wohl liegen könnte, denn der Traum von einer friedlichen Existenz in Freiheit und
Gleichberechtigung müsste doch eigentlich von allen Menschen geträumt werden und nicht nur von ein paar alten Hippies die zugekifft "give
peace a chance" und "imagine" lallen.**

**

**Das Kernproblem könnte darin liegen, dass im Prinzip alle Menschen dem merkwürdigen unwiderstehlichen Drang unterliegen, die Welt ständig in ihrem Sinne verbessern zu müssen, und zwar, indem sie das "Böse" aus dieser Welt eliminieren wollen. Eine genial einfache Idee. Dazu muss man nämlich nur all die Menschen vernichten, die in irgendeiner Weise an der
Schlechtigkeit der Welt schuld sind, weil sie böse sind. Wobei allerdings jeder irgendetwas anderes für das Böse hält, dass es zu bekämpfen gilt. Blöd aber auch.**

**

**Die Attentäter des 11.9.2001 waren in diesem Sinne genauso "Weltverbesserer", die einer höheren Idee folgend geradezu gezwungen
waren andere Menschen, nämlich "böse" Amerikaner, zu töten, wie die Kreuzfahrer, die Nationalsozialisten, die katholische Kirche, die
Kommunisten, die Maoisten und alle anderen Isten, die auszogen, die Welt mit Mord und Totschlag zu verbessern - die Liste ließe sich beliebig
fortsetzen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. **

**

**All diese Menschen waren davon überzeugt, ja geradezu beseelt, etwas Gutes für die Menschheit zu tun, indem sie diese von den anderen "bösen"
Menschen befreite. Die einzelnen Täter fühlten und fühlen sich als Vollstrecker einer guten Sache, eines Gottes, eines Propheten oder einer
anderen wahnsinnig tollen Idee - was ihnen die Rechtfertigung gab und gibt, mit brennenden Herzen und wachsender Freude die Vernichtung
anderer Menschen zu fordern, zu planen und durchzuführen. Keine Spur eines schlechten Gewissens. **


(Lynchjustiz in Lybien)

**

**Wer sich z.B. die Dokumentation der Nürnberger Prozesse angesehen hat, sah Massenmörder, die überhaupt nicht verstehen konnten, was ihnen
überhaupt vorgeworfen wurde. Ein echtes Unrechtsbewusstsein war bei den wenigsten zu erkennen. Aus ihrer Sicht hatten sie eine für die Welt notwendige Aufräumarbeit übernommen. **

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**Gläubige Christen stehen vor Abtreibungskliniken und rufen zum Mord an
den Ärzten auf, gläubige Muslime fordern den Tod von Schriftstellern, fanatische Tierschützer planen Attentate auf die belgische Königin,
fanatische Neonazis rufen zum Mord an Ausländern auf, und auch ganz lustig, fanatische Gegner der Todesstrafe fordern die Todesstrafe für jeden der die Todesstrafe fordert. So ist das.**

**

**Der weit verbreitet Glaube, dass nur ungebildete, grobschlächtige Dumpfköpfe ohne jede Kultur zu derartigen Taten neigen, ist
eindrucksvoll widerlegt. Jede religiös oder ideologisch geprägte Mörderbande hatte auch immer ein paar gut gebildete Köpfe und auch
begeistere Künstler, die der Idee den richtigen Kick gaben, um sie massentauglich zu machen. Die Massen folgen mit Freude, weil ihnen die
Rechtfertigung gegeben wird, ihre Lynch- und Mordlust auszuleben. Man tut ja nichts Böses, im Gegenteil, man bekämpft ja das Böse.**

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**Selbst die im Ansatz ja gute Idee der Verteidigung der Menschenrechte führt leider manchmal dazu, dass die Menschenrechte dabei in massiver Weise verletzt werden, wie z.B. das unsägliche Lager von Guantanamo ,die
grausamen Folterungen in Abu Ghraib oder die für viele zu schützenden tödlichen Bombardements in Libyen belegen. Jede Idee birgt die Gefahr
der Instrumentalisierung und des Missbrauchs, selbst die Idee der Menschenrechte. **


(Aufruf zur Lynchjustiz in Deutschland)

**

**Es ist zu befürchten, dass die Lust am Morden, die Freude am Lynchen, am Foltern , an der Unterdrückung anderer Menschen tief im Innern des
menschlichen Wesens verwurzelt ist und bisher lediglich durch äußeren Zwang und die damit verbundene staatliche Gewalt zeitweise unterdrückt wird. Dabei entsteht jedoch umgehend die Gefahr, dass die staatliche Kontrolle überhand nimmt und ihrerseits wieder zur Verletzung von Freiheits- und Menschenrechten führt. Die mörderischsten Regime gönnen
sich die umfassendsten "Sicherheits"-behörden. Die Überwachungstechniken werden immer besser, der freie Westen liefert feinste Technik auch gerne in zahlungskräftige Diktaturen.**

**

**Die Frage, ob es demzufolge völlig sinnlos ist, sich z.B. aktuell für Hamza Kashgari und dessen Recht auf Leben und die Meinungs- und
Religionsfreiheit einzusetzen oder gegen andere
Menschenrechtsverletzungen zu protestieren, muss jeder für sich selbst
entscheiden.**

**

**Dass die Menschen, die derzeit die Erde bevölkern, das hehre Ziel der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" noch erleben dürfen, erscheint eher unwahrscheinlich, dass dies aber in einer fernen Zukunft einmal möglich werden könnte, kann nur dadurch geschehen, dass wir heute diese wage Hoffnung gerade nicht aufgeben und versuchen die Idee der
allgemeinen Menschenrechte für wirklich alle Menschen immer weiter zu verbreiten. **

**

**Ich geb's jedenfalls nicht auf. Und Sie ?**

**

**

*http://www.change.org/petitions/king-abdullah-immediately-release-journalist-hamza-kashgari*

*http://www.change.org/petitions/saudi-government-interpol-and-malaysian-government-freedom-for-hamza-kashgari*

*http://www.thepetitionsite.com/1/death-calls-for-saudi-poet-and-blogger/*

*http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-048-2012/drohendes-todesurteil-wegen-twitter-nachrichten?destination=node%2F2800#empfohleneaktionen*

RA Heinrich Schmitz

Samstag, 4. Februar 2012

PROBLEME MIT DROGEN? NE, SOLANGE WELCHE DA SIND! von RA Heinrich Schmitz

Und wieder ein schöner und nachvollziehbarer Gedankengang vom unvergleichlichen RA HEINRICH SCHMITZ zum Thema Drogenfreigabe. Nach einer Bestandsaufnahme, eigenen interessanten Bezugspunkten und einer Nutzenabwägung plädiert unser guter Anwalt Schmitz letztlich für eine Freigabe.
Ich persönlich habe da meine Zweifel und mein Ergebnis geht dahin, das ich sogar Haschisch illegal halten würde – aber die Diskussion ist hiermit dank eines hochinteressanten Beitrags erneut eröffnet.
DANKE HEINRICH!



Heroin vom Staat - warum nicht ?
VON RA HEINRICH SCHMITZ

D. war 17 oder 18, also ein oder zwei Jahre älter als ich. Wir spielten in einer Rockband. Er war unser Drummer und seine Soli dauerten manchmal 20 Minuten und länger. Es dauerte einige Monate bis ich begriff, dass die richtig genialen Soli immer nach seinem kurzen Verschwinden kamen. Wir probten unregelmäßig und irgendwann war er weg. Er hatte eine Bank überfallen und die Scheine im Heroinrausch in die Luft geworfen, was die Passanten erfreute, ihn in die Psychiatrie brachte. Ich habe nie mehr was von ihm gehört.

C. lernte eine Frau kennen, die ihn zum Kokain brachte. Solange er Geld hatte, war das kein Problem für ihn. Er erbte, er nahm danach noch einen Kredit auf, er konsumierte, er funktionierte im Job, aber als das Geld weg war, verarschte er einen Dealer. Als der Druck machte, überfiel er alte Damen und raubte sie aus.

K. wurde nach langer Heroinsucht mit Polamidon substituiert, er fand langsam aus der Szene, es wäre fast gut gegangen. Irgendwann wurde er von einem Drogenabhängigen erstochen.

J. war eine liebe Kindergärtnerin. Sie fragte mich einmal, ob ich ihr mein Auto für ein Wochenende leihen könne, weil sie mit ihrem neuen Freund nach Paris fahren wollte. Später erfuhr ich, dass sie an einer drogeninduzierten Psychose erkrankt war. Sie lebte im Dämmerzustand jahrelang in einem Hospiz, erkannte niemanden mehr. Ob sie noch lebt, weiß ich nicht.



In den 80er Jahren arbeitet ich als freier Mitarbeiter im Gesundheitsministerium an einer Betäubungsmitteldatenbank, wo ich tausende Urteile in BtM-Sachen auswerten durfte. Tausende Zeugnisse des Versagens, tausende Verurteilungen kranker Menschen, tausende Schiksale vor Gericht . Als junger Strafverteidiger lag es daher nahe mich zunächst auf dieses Gebiet zu spezialisieren. Die Mandanten aus dieser Zeit, alle heroinabhängig, sind mittlerweile alle tot oder in Pflegeheimen. Einige wurden ermordet. Keiner hat den Absprung von der Droge endgültig geschafft.

Zunächst was ich ein überzeugter Anhänger der Methadonsubstitution, mittlerweile bin ich, was das angeht, reichlich desillusioniert. Die allermeisten meiner Mandanten, die im Methadonprogramm waren, kamen irgendwann nicht mehr ohne Beikonsum hin, flogen aus dem Programm und sahen sich wieder vor das Problem gestellt, sich ihre tägliche Dosis zu besorgen. Bei einem Tagesbedarf von 2oo-300 € auf dem Schwarzmarkt kann sich das aus legalen Geldquellen nur eine ganz kleine Gruppe von Reichen gönnen ( und die bekommen auch noch sauberen Stoff ).

Die Frauen versuchten's oft auf dem Strich, die Männer mit Diebstählen und Raubüberfällen.
So sah man sich immer mal wieder. Es ging rein in den Knast, wo der Stoff noch teurer war und die Demütigungen noch größer. Wieder raus und rein usw...

Beschaffungskriminalität nennt man das, die Angst vor dem turkey, also grausamen Entzugserscheinungen, führt zu einer totalen Verengung der Gedanken auf das eine Ziel, den nächsten Schuss. Den Opfern der daraus resultierenden Raubüberfälle, meistens wehrlose Rentner , nützt es nichts, dass die Täter selber Opfer einer Droge geworden sind und ihre Schuld , wenn überhaupt noch vorhanden , nur gering ist. Sie sind häufig traumatisiert, trauen sich nicht mehr aus dem Haus.

Alle Jahre wieder wird deshalb von einzelnen Politikern oder Parteien - aktuell von den Linken , früher mal von den Grünen - eine Drogenfreigabe vorgeschlagen - und reflexhaft wird dieser Vorschlag von der Mehrheit empört abgelehnt. Oft mit dem Argument, der Staat dürfe nicht zum Dealer werden. Es ist ja vielleicht auf den ersten Blick verständlich, dass dieses Argument bisher eine wesentliche Änderung des Betäubungsmittelgesetzes verhindert hat - vernünftig ist es nicht.

Ein Heroinsüchtiger, der seinen Stoff in standardisierter Qualität kostenlos aus der Apotheke oder einer staatlichen Abgabestelle bekäme, hätte keinen Suchtdruck mehr. Er könnte sich wieder an einen normalen Tagesablauf gewöhnen und im Idealfall sogar arbeiten. Er bekäme keine durch Verunreinigung von Straßendrogen verursachten Krankheiten und er käme gar nicht auf die Idee andere Menschen bestehlen oder berauben zum müssen.

Er könnte der Subkultur entkommen. Er hätte nicht mehr das Risiko einer Überdosis, weil die Qualität gleichbleibend wäre. Kranken Menschen würde geholfen, Opfer auf beiden Seiten vermieden, der organisierte Drogenhandel und damit ein wirklich großes Verbrechen an der Menschheit systematisch ausgetrocknet.Wenn die organisierten Drogenhändler keinen Gewinn mehr mit illegalen Drogen machen könnten, würde sie den Drogenhandel bleiben lassen.

Leidtragende wären zwar die Strafverteidiger, denen eine regelmäßige Einnahmequelle genommen würde, die Dealer und die Drogenkartelle. Die Strafverteidiger würden aber liebend gerne auf dies Einnahmequelle verzichten. Drogenabhängige, also Kranke, mit den Mitteln des Strafrechts zu bekämpfen erscheint ohnehin als reichlich perverse Veranstaltung.

Aber - das wäre ja ein unglaublicher Skandal, eine Aufgabe von hehren Werten, harte Drogen vom Staat, unmöglich, sie sind doch verrückt . Das sind die üblichen Reaktionen von Gesprächspartnern, oft auch von braven Stammtischbrüdern, die regelmäßig ihre legalen Drogen konsumieren - Alkohol und Nikotin. Sie schauen einen an, als wäre man mit dem Teufel im Bunde oder habe versehentlich etwas falsches geraucht.

So kategorisch ablehnend kann eigentlich nur reagieren, wer die Probleme von Süchtigen nie wirklich gesehen hat, wer nie das Leid eines Heroinabhängigen erlebt hat , wer glaubt, die Gesetze seien ein reiner Selbstzweck und nicht für die Menschen da oder wer glaubt, eine Freigabe von Drogen solle dazu führen, dass jederman demnächst Heroin am Kiosk kaufen können soll um sich zu berauschen.



Das ist natürlich absurd und - soweit ich das überschauen kann - auch von niemandem geplant.

Was aber keineswegs absurd wäre, wäre eine Erfassung aller Drogenabhängigen zu einem bestimmten Stichtag. Jeder Abhängige erhielte die Gelegenheit, sich z.B. beim Gesundheitsamt registrieren zu lassen und könnte von diesem Zeitpunkt an eine Erlaubnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte zum legalen Erwerb von bestimmten Drogen in Tagesdosen für seinen Eigenbedarf erhalten. Wer nach diesem Stichtag mit illegal erworbenen harten Drogen erwischt würde, könnte wesentlich härter bestraft werden, weil es für den illegalen Erwerb von Drogen ja überhaupt keine Rechtfertigung mehr gäbe.

Eine solche Erlaubnis für die Süchtigen ist nichts utopisches sondern - jedenfalls theoretisch - bereits im Betäubungsmittelgesetz vorgesehen , wo es in § 3 heißt:

"(1) Einer Erlaubnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte bedarf, wer
1.Betäubungsmittel anbauen, herstellen, mit ihnen Handel treiben, sie, ohne mit ihnen Handel zu treiben, einführen, ausführen, abgeben, veräußern, sonst in den Verkehr bringen, erwerben oder
2. ausgenommene Zubereitungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) herstellen will.

(2) Eine Erlaubnis für die in Anlage I bezeichneten Betäubungsmittel kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen."

Ein "im öffentlichen Interesse liegender Zweck" ließe sich mit der Bekämpfung der Beschaffungskriminalität und der Entkriminalisierung von Kranken zwanglos begründen. Der Gesetzgeber müsste nur die Worte "nur ausnahmsweise" streichen und schon könnte es losgehen..

Die Abgabe der Drogen könnte wie bei gewöhnlichen Medikamenten über die Krankenkassen finanziert werden, die ja auch sonst die Behandlung der erkrankten Abhängigen bezahlen müssen. Die Drogen selbst ließen sich relativ preiswert von den Pharmaunternehmen herstellen - Bayer hat das Rezept ja vor gut 100 Jahren bereits erfunden.

Gleichzeitig könnte man einen weiteren illegalen Handel mit Betäubungsmitteln wesentlich effektiver bekämpfen, da die Ermittlungsbehörden sich künftig auf die Jagd nach den großen Dealern konzentrieren könnten und nicht mehr unzähligen kranken Menschen nachjagen müssten. Auch viele Kleindealer dealen ja nur , um ihren eigenen Konsum zu finanzieren. Der Wegfall tausender Raubtaten mit traumatisierten oder schwer verletzten Opfern , würde für mehr Sicherheit auf den Straßen vor allem für alte und wehrlose Menschen sorgen.

Diese Chance für tausende Drogenopfer und deren Opfer aus ideologischen oder parteipolitischen Gründen zu verschenken ist eine durch nichts zu entschuldigende Schande.

D. könnte noch trommeln, C. seinem Beruf nachgehen, K. noch leben, J. im Kindergarten arbeiten und viele, viele Menschen wären nicht überfallen worden.

VON RA HEINRICH SCHMITZ

Samstag, 3. Dezember 2011

MENSCH MASSENMÖRDER

von RA HEINRICH SCHMITZ

(RA Heinrich Schmitz)


Als ich am 9. März 1994 mit meiner Frau und einem Referendar von einem Gerichtstermin in Siegburg zurück nach Euskirchen fuhr, waren wir nicht
besonders gut gelaunt. Der Prozessgegner hatte mir nach dem Termin vor dem Familiengericht in bedrohlichem Ton entgegen gemurmelt " sie haben
mir meinen Sohn genommen, ich werde ihnen ihre Kinder nehmen".

Normalerweise nehme ich solche Bedrohungen gerade unmittelbar nach Terminen nicht besonders ernst. Hier war es anders und wir beschlossen, auf dem Rückweg zur Kanzlei kurz bei der Polizei in Euskirchen vorbeizufahren und um Schutz für unsere Kinder zu bitten. Gerade als wir als Linksabbieger an der Einfahrt zur Polizei warteten, hörten wir einen gewaltigen Knall. Wir dachten an eine Gasexplosion. Tatsächlich hatte
ein Massenmörder ein paar hundert Meter weiter , 9 Häuser neben unserer Kanzlei, in einer Nebenstelle des Amtsgericht um sich geschossen,
mehrere Menschen getötet und dann eine Rucksackbombe gezündet, 6 Menschen ermordet.

Ein Massenmord in der Nachbarschaft. Unvorstellbar, aber wahr. Der Täter aus einem Nachbardorf. Ohne den Abstecher zur Polizei wären wir vermutlich zum Zeitpunkt der Detonation mitten drin gewesen. Die Morddrohung des einen Menschen hat uns davor bewahrt, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Schwein gehabt.

Nach den damaligen Ermittlungen war der Täter als psychisch auffällig bekannt.

Nachdem das Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens über Anders Behring Breivik bekannt wurde, kochen mal wieder die Wellen der kollektiven Empörung hoch, hier in Deutschland mehr, in Norwegen auch, aber weniger.

Der einschlägig bekannte "Denker" F.J.Wagner kommentierte am 30.11.2011 in der BILD:

"Für mich gehören diese Typen nicht in die Psychiatrie, für mich gehören Sie ins Gefängnis. Sie müssen büßen."

Warum eigentlich ?

Neben dem üblichen dumpfen Todesstrafengequatsche und dem blöden Kommentar von FJW, dass den aufgeklärten Bürger eher abstößt als
wirklich interessiert, werden erfreulicherweise auch viele ernsthafte Fragen erörtert.

Da wird die Frage nach der
"Unzurechnungsfähigkeit" gestellt, was das
ist, wer das feststellt und leider auch, was der ganze Quatsch eigentlich soll. Wie mit schuldunfähigen Tätern umgegangen wird bzw.
umgegangen werden sollte. Was Schuld ist und was nicht.

Und es wird überlegt, ob nicht alle Massenmörder zwingend an einer psychischen Erkrankung leiden, was zur Folge hätte, dass kein Massenmörder je verurteilt werden könnte - und den für die "Normalen" den netten Nebeneffekt, dass wir die Taten der Massenmörder nur als krankhafte Entgleisung und nicht als originären Bestandteil menschlichen Verhaltens betrachten müssten.

Versuchen wir also mal Schritt für Schritt ein bisschen Licht ins juristische Dunkel zu bringen und knöpfen uns erst mal die einzelnen Begriffe vor.



*Wer ist ein Massenmörder ?*

In der Kriminologie wird der Begriff
"Massenmörder" nur für solche Täter verwendet, die eine Vielzahl von Personen innerhalb kurzer Zeit an einem oder wenigen zusammenhängenden Orten töten. Mit einer Vielzahl sind
mindestens 3 oder 4 Menschen gemeint. Breivik (77 Opfer ) erfüllt diese Definition ebenso wie die Amokläufer von Winnenden (15 Opfer), Columbine
(13 Opfer) , Erfurt (17 Opfer), Euskirchen (6 Opfer ), die Täter von 9/11 (2970 Opfer), Bali (202 Opfer)....

Außerhalb der Kriminologie wird die Bezeichnung Massenmörder zwar auch für die Verursacher der Ermordung besonders vieler Opfer verwendet,
insbesondere in Zusammenhang mit dem Holocaust und anderen Fällen des Völkermordes. Insoweit werden auch Hitler, Stalin, Pol Pot , Idi Amin
Dada und ähnliche Gewaltherrscher als Massenmörder bezeichnet, stellen aber eine andere Kategorie dar.

Keine Massenmörder , sondern Serienmörder sind hingegen Täter wie die NSU-Mörder (bisher 9 Opfer bekannt ), der Jungenmörder Jürgen Bartsch (
4 Opfer ), Prostituiertenmörder Fritz Honka (3 Opfer ) und Auftragskiller Werner Pinzner (mindestens 5 Opfer), weil den einzelnen
Taten der zeitliche und örtliche Zusammenhang fehlt.

Betrachtet man nun die Reihe der hier beispielhaft genannten "echten" Massenmörder, so fällt zunächst auf, dass von diesen lediglich Breivik seine Tat überlebt hat - und wohl überleben wollte. Alle anderen Massenmörder konnten nicht auf ihre psychische Gesundheit hin untersucht werden, weil sie ihre Taten nicht lange überlebten .

Die Datenlage bezüglich der Psyche von Massenmördern aufgrund tatsächlicher Begutachtung ist also schon einmal ziemlich dünn. Es wäre
alleine deshalb schon sehr gewagt, zu behaupten, alle Massenmörder seien geisteskrank. Vielleicht spricht die Tatsache, dass der "normale"
Massenmörder sich nach getaner Arbeit üblicherweise selbst entleibt, sogar eher dafür, dass er sich seiner Tat und deren Folgen durchaus
bewusst ist - und sich einer Bestrafung durch einen wahlweisen Ausstieg Richtung Hölle oder Paradies ganz überlegt entzieht.



Das wiederum wäre ein starkes Argument dafür, dass Breivik ein ganz großes Rad ab hat. Er lebt und machte nach seiner Festnahme einen
zufriedenen Eindruck. Aber wer weiß es schon ?

Das führt direkt zu nächsten Frage: *wer entscheidet, ob ein Täter psychisch krank ist ?*

Der Richter weiß es nicht, er ist ja kein Psychiater. Folglich muss er einen oder mehrere Psychiater mit der Begutachtung beauftragen. Psychiater sind aber auch nur Menschen und ihre Gutachten sind keineswegs 100%ige Gewissheiten.Da steckt schon jede Menge persönliche Meinung drin, wie man daran erkennen kann, das einige Gutachter so gut wie nie die Voraussetzungen des § 20 StGB feststellen und andere dafür um so häufiger.

Immerhin lassen sich ja einige psychische Erkrankungen ganz gut
diagnostizieren.

Ein paar Beispiele aus der eigenen Praxis:

Einer meiner Mandanten, nennen wir ihn Mätti, leidet an einer paranoiden Psychose. Ein netter Kerl, der davon überzeugt ist, ein direkter
Abkömmling Gottes zu sein. Da sein Vater der Schöpfer aller Dinge ist, darf Mätti sich alle Dinge nehmen, was er auch immer wieder gemacht hat. Ladendiebstähle in großer Zahl waren zwangsläufig die harmlose Folge. Irgendein Unrechtsbewusstsein war von Mätti nicht zu erwarten, er guckt einen nur völlig verständnislos an, wenn man ihm versuchte zu erklären, dass er das nicht dürfe. Keine Frage, dass Mätti vom Gericht Schuldunfähigkeit bestätigt wurde.

Ein andere Mandant, der seine Mutter skalpiert hatte ohne sie dabei zu töten, weil er sie für einen Außerirdischen hielt, erzählte mir locker
zwei Stunden lang vollkommen nachvollziehbare Dinge, gab Anlagetipps, sagte vor Jahren die Unmöglichkeit der Gemeinschaftswährung Euro voraus und reit mir in Silber zu investieren, parlierte intelligent in vier Sprachen, hatte ein abgeschlossenes Studium und machte auf den ersten
Blick keinen auch nur irgendwie auffälligen Eindruck, bis er plötzlich aus heiterem Himmel im ernsten Ton erzählte, er sei auf einer
Urlaubsreise von Außerirdischen in einem Raumschiff entführt und dort medizinisch untersucht worden.

Eine Mandantin beschwerte sich vehement darüber, ihr früherer Vermieter habe ihr - sie wisse auch nicht wie der das gemacht habe, aber im
Internet habe sie andere Betroffene gefunden - eine Kamera und einen Sender in ihren Gehörgang geschmuggelt. Er beobachte sie aus ihrem Kopf
heraus und kommentiere ihre Handlungen. Sie hatte keinerlei Straftaten begangen und wollte mich lediglich mit einer Unterlassungsklage gegen
den Vermieter beauftragen.

Keiner von den dreien taugte zum Massenmörder, obwohl alle erkennbar und nachweislich psychisch erkrankt waren.

Eine psychische Erkrankung alleine bedeutet keineswegs, dass jemand auch kriminelle Taten begeht oder gar zum Massenmörder werden muss. Die
meisten psychisch Kranken stellen keinerlei Gefahr für sich oder andere Menschen dar. Im europäischen Schnitt gelten nur knapp 10% aller
Straftäter als psychisch krank. Die sogenannten Normalen, also Sie und ich, sind also um ein vielfaches gefährlicher.

*Was ist denn nun "Unzurechnungsfähigkeit" ?*

Selbst wenn eine psychische Erkrankung durch den psychiatrischen Sachverständigen diagnostiziert wird, bedeutet das noch lange nicht, dass auch eine strafrechtlich relevante Schuldunfähigkeit - im Volksmund "Unzurechnungsfähigkeit" oder auch "Jagdschein" genannt - vorliegt.

Das festzustellen, ist nämlich nicht Sache des Gutachters , sondern des Richters. Der Sachverständige kann nur bei der Vorfrage behilflich sein, was der Täter zur Tatzeit tun oder lassen konnte. Ob er überhaupt eine
Handlungsalternative hatte oder nicht.

Die Schuldunfähigkeit selbst ist kein psychiatrischer Begriff. Mediziner und Juristen sprechen hier wie so häufig unterschiedliche Sprachen. Der Richter trifft keine medizinische Entscheidung sondern ein rechtliche, die auch normative Erwägungen enthält. Der BGH hat das einmal so ausgedrückt:

/Die rechtliche Erheblichkeit der Verminderung des Hemmungsvermögens hängt auch von den Ansprüchen ab, die die Rechtsordnung an das Verhalten des Einzelnen zu stellen hat. Dies zu bewerten und zu entscheiden ist Sache des Richters. Allein zur Beurteilung der Vorfrage
nach den medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen bedarf er sachverständiger Hilfe, sofern er hierzu nicht aufgrund eigener
Sachkunde befinden kann." (Strafverteidiger 2004, S. 263.) /

Ob jemand schuldunfähig ist, ist also eine ausschließlich juristische und keine medizinische Entscheidung. Vielmehr hilft der Sachverständige
dem Gericht nur vorbereitend bei der Frage, ob die medizinischen Voraussetzungen des § 20 StGB vorliegen, in dem es heißt:

/"Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder
wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu
handeln."/

Nur derjenige, dessen psychische Krankheit ihn daran hindert Unrecht zu erkennen oder nach dieser Erkenntnis zu handeln, handelt ohne Schuld. Und wer ohne Schuld handelt kann und darf nicht bestraft werden - auch wenn Herr Wagner und die BILD gerne Kranke büßen lassen möchte.
Allerdings darf man ihn trotzdem einsperren, wenn das Gericht eine auf der Krankheit beruhende Gefährlichkeit feststellt.



Wer glaubt, die bösen Strafverteidiger seien diejenigen, die als Verteidigungsstrategie auf den § 20 StGB drängen würden, liegt komplett
daneben. Solange es sich nicht um eine offensichtliche Störung handelt, wird kein Verteidiger auf die idiotische Idee kommen, zu riskieren seinen Mandanten begutachten zu lassen. Die Gefahr, dass der Mandant danach bis zum Sanktnimmerleinstag in der forensischen Psychiatrie verschwindet und damit - obwohl es natürlich offiziell keine Strafe ist - unter Umständen ein Lebenslang "über Bande" bekommt, ist viel zu groß. Die wenigsten Mandanten betrachten die Unterbringung in einer
forensischen Psychiatrie als Wohltat. Ob Herr Wagner es wirklich toll fände, Tag für Tag mit gefährlichen Geisteskranken in einem Gebäude zu
leben ? Vielleicht. Die, die ich kennen jedenfalls nicht.

Die Zahl dieser Unterbringungen nach § 63 StGB steigt merkwürdigerweise seit Jahren kontinuierlich an, obwohl auch aus Sicht renommierter Gutachter bereits ein gehöriger Teil der Eingangsdiagnosen ( es kursieren Zahlen von 30 - 60% ) falsch ist. Offenbar verfolgen die
Gerichte zunehmend eine Maxime des "no risk - Prinzips" , während früher die Freiheitsrechte stärker im Vordergrund standen. Aber das scheint ja ein allgemeiner gesellschaftlicher Trend zu sein.

Wer einmal in der "Klappse" gelandet ist, hat sehr gute Aussichten dort eine lange Zeit zu verbringen, wenn er Pech hat bis zum Ende seines
Lebens. Und die Anstalten befürworten in den seltensten Fällen eine Entlassung.

Es mag sein, dass sich die Gutachter von Breivik auch bewusst oder unbewusst von dem erwünschten Ergebnis haben leiten lassen. Ein schuldunfähiger Breivik landet zwingend in der Forensik und wird wegen seiner Gefährlichkeit - ob krankheitsbedingt oder nicht ist eigentlich
wurscht - den Rest seines Lebens sicher verwahrt werden können. Ein schuldfähiger Breivik wäre vermutlich nach 18 Jahren aus der Haft zu
entlassen. Aber das sind natürlich nur völlig unzulässige Spekulationen, trotzdem - auch psychiatrische Gutachter sind nur Menschen und nicht unfehlbar.

Massenmörder machen Angst. Wenn der Täter geisteskrank ist, macht uns das auch Angst vor Geisteskranken, obwohl die psychisch Kranken
statistisch weniger Straftaten begehen als Gesunde.

Möglicherweise zeigen uns aber gerade die Massenmörder, wie wichtig es ist, jede Straftat vom Täter her aufzuklären, sich mit seiner
Entwicklung, seiner Persönlichkeit, seinen Erkrankungen und seinen Motiven zu beschäftigen. Hier spielen sich große Dramen ab, hier drängen
sich die großen Fragen nach Schuld, nach Sinn, nach Gerechtigkeit, nach Gott, nach Gut und Böse urplötzlich ins Bewusstsein.

Wir werden solche Taten nie verhindern können, sowenig wir Tsunamis, Erdbeben oder Seuchen verhindern können. Aber wir können uns bewusst
machen, dass auch Massenmörder Menschen sind und Menschen seit Kain morden, der Mord also offenbar zum menschlichen Wesen gehört.

Das hören wir alle nicht gerne, weshalb man Massenmörder gerne durch entsprechende Bezeichnungen wie Monster oder Ungeheuer entmenschlicht, um sie uns emotional vom Hals zu halten. Aber auch das wird nichts an der Tatsache ändern, dass es Menschen sind, ob gesund oder krank - Menschen.

VON RA HEINRICH SCHMITZ

Mittwoch, 16. November 2011

EIN EXPERTE SIEHT ROT

Und wieder beste Werbung für einen der besten Anwälte. Schmitz Thema diesmal: Schuld und Sühne. Opfer und Täter. Mich erinnerte der Text Anfangs etwas an Hubertus von Lobensteins social-media-experten-Text. Dort beklagt der, das es viel zu viele selbsternannte Experten gibt.

http://von-lobenstein.posterous.com/botschaft-an-den-unbekannten-social-media-exp

Für Hubertus gilt dann allerdings das Selbe, wie für Heinrich: Wenn Ihr die Experten seit, dann macht es besser. Wir schauen dann mal.





Ein Pädagogikexperte sieht rot

von RA HEINRICH SCHMITZ



Unter der Überschrift "Unsere Justiz denkt an den Täter, nicht ans Opfer" kann man bei welt-online einen bemerkenswerten Kommentar des Pädagogikexperten und früheren Gymnasiallehrers Rainer Werner lesen:

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article13713620/Unsere-Justiz-denkt-an-den-Taeter-nicht-ans-Opfer.html

Bemerkenswert nicht, weil er sich besonders kenntnisreich mit unserer Strafjustiz auseinandersetzt, sondern weil in bemerkenswerter Weise zeigt, dass es in Deutschland eine Meinungsfreiheit gibt, die es Menschen ermöglicht ohne jede Sachkenntnis über Sachverhalte zu schreiben, deren Grundlagen sie offenbar nicht erkannt haben und die sie auch gar nicht interessieren.

Es beginnt mit der einzig richtigen Feststellung in der Überschrift. "Unsere Justiz denkt an den Täter, nicht ans Opfer"
Ja, das stimmt, dass unsere Justiz im Strafverfahren an die Täter denkt. Dass das auch so sein muss, ergibt sich aus dem Sinn des Verfahrens - es dient nämlich dazu, zum einen die Schuld des Täters festzustellen und zum anderen für diesen eine angemessene Strafe zu finden. Wie sollte das gehen, wenn die Justiz nicht an den Täter denkt ?

Dann reiht Werner Fehler über Fehler aneinander.

"Strafe diente früher der Sühne einer begangenen Tat. Heute geht es einzig um die Resozialisierung des Täters. "
- Falsch. Resozialisierung ist ein Strafzweck, aber bei weitem nicht der einzige. Spätestens seit der präventiven Vereinigungstheorie ( Roxin, 1966) hat das Strafrecht verschiedene Zwecke. Durch die Strafdrohung des Gesetzes soll Abschreckung entstehen, durch die konkrete Strafverhängung positive und negative generalpräventive sowie positiv spezialpräventive Wirkung auf den Täter erzielt werden, d.h. dem Täter soll durch die Strafe klargemacht werden, dass er Unrecht begangen hat und er soll dazu gebracht werden künftig kein Unrecht mehr zu begehen. Dass dazu vor allem eine (Ren)Sozialisierung des Verurteilten dienen kann, ist unabweisbar.

"Heute fragt jedes Gericht nach der sozialen Indikation von Verbrechen. Gutachten beleuchten das soziale Umfeld und zeichnen das familiäre Schicksal des Täters nach."



- Ja was denn sonst möchte man rufen. Wenn das Gericht nicht die Ursachen für eine Straftat ermittelt, kann es auch nicht zu einer Schuld angemessenen Strafe gelangen. Es ist ein Unterschied, ob ein pensionierter Gymnasiallehrer mit einer lupenreinen Biographie aus plötzlicher Laune heraus eine Straftat begeht oder ob der Täter in seiner Kindheit vernachlässigt, misshandelt oder von seinem Lehrer missbraucht wurde. Wenn das Gericht sich mit diesen Umständen nicht mehr beschäftigen soll und sein Urteil nur noch aufgrund äußerer Umstände, wie z.B. Überwachungs-videos sprechen soll, ist es mit der Schuld angemessenen Strafe nicht mehr weit her.
"Im Jugendstrafrecht überwiegt der erzieherische Gedanke. Die Hürde für die Verhängung einer Haftstrafe für Jugendliche ist hoch. Straffällige Jugendliche werden eher zu Sozialarbeit beim Roten Kreuz verpflichtet, leisten gemeinnützige Arbeitsstunden bei den Arbeiter-Samaritern ab oder werden in Box-Camps untergebracht, wo sie lernen, ihre Aggressionen in sozial verträglicher Form abzureagieren. "
- Richtig ist, dass Jugendstrafrecht in erster Linie Erziehungsstrafrecht ist und auch sein muss. Jugendliche sind eben noch nicht fertig sondern in besonderem Maße erziehbar. Dass das von einem Ex-Lehrer offenbar bezweifelt wird , ist seltsam. Es ist aber nicht so, dass ein Jugendlicher, der eine schwere Straftat begangen hat lediglich mit Sozialstunden davon käme. Das ist ein beliebtes Märchen. In § 17 JGG, der die Voraussetzungen der Jugendstrafe benennt heißt es:

"Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist."
Wenn also eine schwere Schuld des Täters festgestellt wird, gibt es Jugendstrafe auch, wenn diese pädagogisch vielleicht gar nicht nötig wäre. Und - man glaube einem alten Strafverteidiger - diese Jugendstrafen werden tatsächlich verhängt und verbüßt.


"Gerne zitieren Kriminologen eine Statistik, der zufolge 70 Prozent aller jugendlichen Straftäter, die eine Haftstrafe verbüßt haben, rückfällig werden. Aus dieser Zahl leiten sie die Forderung ab, eine Inhaftierung möglichst zu vermeiden und stattdessen erzieherische Maßnahmen zu verordnen." -

Wenn Jugendstrafe zu einer höheren Rückfallquote führt als andere Maßnahmen, dann ist deren Vermeidung ein Gebot der Vernunft.

"Sieht man im Bösen hingegen eine Grundkonstante des menschlichen Seins, macht man den Menschen für seine Taten verantwortlich und nimmt ihn dafür in „Haftung“. "

Ganz ehrlich, ein Pädagoge der "im Bösen eine Grundkonstante des menschlichen Seins" sieht , ist mir nicht geheuer, aber o.k., jeder hat so seine Grundsätze. Dass man aber "das Böse" mit harten Strafen aus dem Täter vertreibt ist Wunschdenken und durch nichts belegt. LÄnder mit härteren Strafen bis hin zur Todesstrafe haben nicht weniger Kriminalität.



Ich habe in meiner ca. 25-jährigen Zeit als Strafverteidiger unzählige Jugendliche und auch Erwachsene verteidigt. Nur wenige von diesen Tätern hatten eine "normale" Sozialisation. Die meisten waren bereits in ihrer Kindheit auf unterschiedlich Weise Opfer von körperlicher oder gar sexueller Gewalt, Alkoholmissbrauch der Eltern, emotionaler Verarmung oder ähnlicher misslicher Umstände. Diese Menschen für eine Straftat mit der gewünschten "empfindlichen Haftstrafe" zu belegen wäre in den allermeisten Fällen kontraproduktiv gewesen. Es ist häufig nötig, diesen Menschen zuerst einmal das Gefühl zu geben, dass ihnen, auch in Ansehung ihres persönlichen Schicksals und trotz der von ihnen begangenen Straftat ein Wert als Mensch zukommt, dass sie zwar eine gerechte Strafe für ihr Fehlverhalten zu erwarten haben, dass das aber nicht bedeutet, sie würden verdammt. Über das von Herrn Werner erkannte überbordende Selbstbewusstsein verfügen die wenigstens, die zur Schau gestellte coolness vor Gericht, ist meistens nur eine Form von Selbstschutz eines Menschen ohne jedes Selbstwertgefühl.

Es ist so einfach, nach harten Strafen zu rufen, wer aber wirklich will, dass weniger Kriminalität entsteht, der kommt nicht umhin sich mit den gesellschaftlichen Ursachen und den individuellen Lebensschicksalen der Täter zu beschäftigen.
Alles andere ist dummes Geschwätz und billige Propaganda.

von RA HEINRICH SCHMITZ

Samstag, 5. November 2011

BILD - WUT IM NAMEN DES VOLKES!

Heinrich Schmitz hadert mit der BILD. Da befindet er sich zunächst einmal in guter Gesellschaft. Das hat Tradition. Von Baader bis Bohlen. Nur das sich letzterer arrangiert hat. So ein Arrangement ist dann auch lukrativ. Die von der BILD wollen ja auch nur gemocht werden: Dann geben sie ganz viel Liebe zurück. Und am Ende steht dann wieder die Frage: "War Volkes Meinung zuerst, die dann nur von Bild artikuliert wurde? Oder artikuliert BILD die eigene Meinung, die dann vom Volk adaptiert wird?
Aber lest selbst, was Deutschlands nachdenklichster Rechtsanwalt, der großartige RA und guter Freund Heinrich Schmitz dazu zu sagen hat:



BILD - WUT im Namen des Volkes

VON RA Heinrich Schmitz

Da geht man des Samstags morgens gut gelaunt zum Kiosk um sich Zigaretten zu kaufen und mit der netten Verkäuferin ein Schwätzchen zu halten und dann wird man von der Titelseite der BILD angebrüllt.

"Nach Freispruch für Polizisten-Killer - 10 Urteile die uns wütend machen ! "

Ich wütend ? Keine Ahnung was die da meinen. Und wen meinen die mit "uns" ?

Ein Blick auf die im Ständer stehende Zeitung sagt, es gehe um "unbegreifliche Entscheidungen über Mörder, Sexualverbrecher und Totraser".

Da ich keine Lust habe für die BILD-Rechtskunde Geld auszugeben ,bitte ich jemanden, von dem ich weiß, dass er die BILD regelmäßig erwirbt, sie mir nach der Lektüre zu borgen, nur um mal so zu lesen, was denn die BILD so fürchterlich erregt haben mag und wütend macht.

Seite 8 bringt mich weiter. Dicke Schlagzeile "Warum hat ein Gericht so viel Verständnis für einen Polizisten-Killer ? " daneben etwas kleiner "Justiz-Skandal / Richter lässte Polizisten-Killer laufen!".

Was war geschehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte ein Mitglied der Hells Angels freigesprochen, der durch die Haustüre geschossen hatte, als ein SEK versuchte diese aufzubrechen. Dabei war ein Polizist getötet worden.Das Gericht hatte festgestellt, dass der Angeklagte irrtümlich von einer Notwehrsituation ausgegangen war, weil er glaubte, es seien Mitglieder der Bandidos an seiner Tür, die ihn umbringen wollten. Deshalb hatte es den Mann vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen.

Was nun die BILD so wütend macht, dass sie ihre Wut gerne an ihre Leser weitergibt, ist für mich nicht verständlich.

Ein Gericht spricht einen Angeklagten frei, weil es einen Fall von sogenannter Putativnotwehr feststellt. Das kann nur für den empörend sein, der vom Strafrecht keine Ahnung hat oder jedenfalls so tut, um sich und andere in künstliche Erregung zu versetzen.

Die Putativnotwehr ( irtümliche Notwehr ) liegt dann vor, wenn ein Angeklagter sich irrtümlich in einer Notwehrsituation zu befinden glaubt. Also - es liegt tatsächlich natürlich keine Notwehrlage vor, wenn die Polizei vor der Tür steht und diese aufbrechen will, aber der Angeklagte konnte ja nicht wissen, dass es die Polizei ist und nicht diejenigen, die ihm mit Mord gedroht haben - und denen er einen solchen auch problemlos zutraut.

Wie man anderen Zeitungen - nicht in der BILD in diesem Artikel - entnehmen konnte, hatte der Angeklagte zunächst noch "verpisst euch" durch die Tür gerufen, was aber keine Reaktion brachte. Niemand rief "hier ist die Polizei" oder so was.

Jetzt stellen Sie sich einfach einmal vor, sie sind das Opfer von ernstzunehmenden Morddrohungen und in aller Herrgottsfrühe bemerken sie, dass jemand versucht ihre Türe aufzubrechen, den sie für ihren Mörder halten. Reagieren sie dann so wie der Angeklagte (vorausgesetzt sie haben eine Waffe ), oder bleiben sie ruhig sitzen und warten bis die Tür geöffnet wird ? Könnte es sein , dass sie in Panik geraten oder lesen sie ,während der unbekannte Eindringling noch am Schloss herumfuchtelt, erst ihre BILD und trinken noch einen Kaffee ? Wohl kaum.



Das Landgericht in Koblenz hatte in der ersten Instanz ebenfalls ( kann man auch in anderen Publikationen nachlesen aber nicht in dem BILD-Artikel ) eine irrtümliche Notwehrlage angenommen, vom Angeklagte aber erwartet, dass er zunächst einen Warnschuss abgegeben hätte.

Nur in diesem Punkt hat der BGH eine andere Rechtsauffassung geäußert und ist damit vollständig im Rahmen seiner bisherigen Rechtsprechung zur Notwehr geblieben. Das bedeutet, dass dieser Freispruch richtig und auch für die BILD zu erwarten war.

Es ist eine Tragödie, dass bei dieser Aktion ein Mensch ums Leben gekommen ist, da gibt es nichts zu diskutieren.
Aber beim Angeklagten konnte eben keine strafrechtliche Schuld festgestellt werden. Unser Strafrecht ist ein Schuldstrafrecht , kein Gefühlsstrafrecht. Bei jedem Strafprozess muss die Tatbestandsmäßigkeit, die Rechtswidrigkeit und die Schuld geprüft und festgestellt werden. In diesem Fall gab es keine Zweifel an der Tatbestandsmäßigkeit. Der Tatbestand des Totschlags "Wer einen anderen Menschen tötet" war erfüllt - ohne wenn und aber. Das reicht aber - wie natürlich auch die BILD weiß - nicht für eine Verurteilung, wenn die Tat gerechtfertigt war oder der Täter dies irrtümlich annahm. Ob man hier von einem Verbotsirrtum oder einem Tatbestandsirrtum ausgeht - hier streiten die Juristen seit Generationen - , ist eigentlich egal, weil in jedem Fall keine Verurteilung erfolgen kann.

Die eigentliche Frage ist also nicht, warum der BGH ein richtiges und erwartbares Urteil gefällt hat, sondern warum die BILD - ich glaube behaupten zu können wider besseres Wissen, den die haben verdammt fitte Juristen - so tut, als wäre das ein Skandal.

Sollen hier niedere Instinkte bedient werden oder will die BILD Wut auf die Justiz schüren und wenn ja zu welchem Zweck. Gerade solche Fälle , die ohne Frage nicht einfach zu verstehen sind , gäben doch Anlass ein bisschen BILDung weiterzugeben. Dass es bestimmt viele Menschen gibt, die ein solches Urteil nicht verstehen,bedeutet doch nicht, dass man deren auf der Unkenntnis des Strafrechts beruhendes Unbehagen in Wut verwandeln muss. Es sei denn, man verfolgt ein anderes Ziel.

Die Zeitung ist schon im Altpapier.
--
RA Heinrich Schmitz

Dienstag, 1. November 2011

Satisfaktion?

Und wieder eine TOP-Info von Rechtsanwalt Schmitz. Der gute Mann plaudert aus dem Nähkästchen über die Gefahren der Leichtfertigkeit, der Unachtsamkeit und der Bedenkenlosigkeit. Genial! Alllerdings wird man auch ein bisschen das Gefühl nicht los, er betreibt hier eine – zugegebenerweise – perfekte Akquise-Politik ;)


VON RA HEINRICH SCHMITZ
Ratte, Ficker, Nazischwein - zurückschlagen, aber richtig !



Es gibt spaßige Zeitgenossen die glauben im Internet könnten sie mal so richtig die Sau raus lassen. In Diskussionsforen, Gästebüchern und sozialen Netzwerken, wie Facebook oder w-k-w , hauen sie mal so richtig auf die Kacke.

Gerade bei politischen oder religiösen Themen geht es oft hoch her , was ja auch in gewisser Weise den Reiz von Onlinediskussionen ausmacht. Extreme Meinungsäußerungen von rechts bis links, von braun bis rot, kommen vor. Das soll auch so sein. Nichts ist langweiliger als Mainstreampalaver. Haben sich die "Richtigen" gefunden, wechselt die Diskussion aber recht schnell weg von Argumentation hin zu persönlichen Diffamierungen. Man wundert sich, auf oder eher unter welchem Niveau da teilweise getextet wird. Hohlköpfe aller Länder vereinigen sich. Wären die in einem Raum würden gleich die Fäuste fliegen, die Stühle zertrümmert und die Flaschen auf den Köpfen zersplittern. Glücklicherweise sind sie nicht in einem realen sondern nur in einem virtuellen Raum. Vermutlich ist das aber auch der Grund dafür, dass die Kombattanten meinen, sie würden mit ihren Attacken etwas Erlaubtes tun.

Und da liegt der große Irrtum. Das Internet ist zwar schön groß und international, aber es ist kein rechtsfreier Raum. Wer hier jemanden beleidigt , macht sich genauso strafbar , wie wenn er das inder Kneipe oder auf der Straße macht - oder im Bundestag. Wer meint, er könne z.B. bei Facebook ungestraft schreiben ,"ich kann deine Fresse nicht mehr sehen" könnte überrascht sein, wenn er demnächst von der Polizei vorgeladen wird. Hat nämlich derjenige, dessen "Fresse" nicht mehr gesehen werden soll, weniger Leidensfähigkeit oder Parteisolidarität als der Abgeordnete Bosbach und stellt einen Strafantrag und erstattet Strafanzeige wegen Beleidigung, dann leitet die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein. Und das kann kosten.

Eine Beleidigung (§ 185 StGB) im juristischen Sinne ist der Angriff auf die Ehre eines anderen durch die Kundgabe von Nicht-, Gering- oder Missachtung. Ja , ja , ganz richtig gelesen - es geht um Ehre. So was gibt es noch, obwohl der Begriff der Ehre sowohl von der SS als auch von sogenannten Ehrenmördern irgendwie missverstanden wurde.

Nicht jede kritische Äußerung ist dabei zwangsläufig eine Beleidigung, selbst wenn die Äußerung vom Betroffenen als kränkend empfunden wird.Wenn wenig schmeichelhafte Tatsachenbehauptungen der Wahrheit entsprechen, können sie nicht als Beleidigung bestraft werden. Auch negative Werturteile sind dann keine Beleidigung, wenn sich diese Werturteile auf ein "ehrminderndes Verhalten" des Betroffenen beziehen und in diesem Sinne richtig und auch angemessen sind.

Wer allerdings glaubt, er können andere als Ficker, Ratte, Nazischwein, Arschloch, Fotze, Nutte, Drecksau etc. bezeichnen, liegt voll daneben. Derartige Schimpfwörter sind weder Tatsachenbehauptungen noch zulässige Werturteile, sondern sogenannte Formalbeleidigungen, die immer strafbar sind. Die öffentlich Äußerung - und die ist im Internet zwangsläufig gegeben - führt natürlich zu einer höheren Strafe, da viel mehr Menschen von der Beleidigung Kenntnis erhalten. Und die Strafen sind nicht ohne - immerhin bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe- da ist schnell mal ein Monatsgehalt weg. Wer meint, er müsse sich gegenüber einer Person des politischen Lebens durch Verleumdung oder üble Nachrede hervortun - also über diese falsche Tatsachenbehauptungen aufstellen, die die Personen verächtlich machen - darf sich sogar auf Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren einstellen.

Leider denken die Opfer häufig, die Staatsanwaltschaft würde sich mit so was gar nicht beschäftigen. Stimmt nicht. Und eine Anzeige kostet auch nichts, außer 10 Minuten Zeit und ein Blatt Papier, Man macht einfach einen Screenshot der Beleidigung und schreibt selbst an die Staatsanwaltschaft. Da braucht man keinen Anwalt für, das kann jeder der halbwegs schreiben kann.

Ich habe leider die Erfahrung gemacht, dass die Polizei keine große Lust auf die Aufnahme solcher Anzeigen hat, obwohl sie es eigentlich muss. Ist aber wurscht, weil man ja direkt an die Staatsanwaltschaft schreiben kann, und die führt ja sowieso die Ermittlungsverfahren.

Ich glaube, dass es der allgemeinen Diskussionskultur gut tun würde, wenn man den beleidigenden Großmäulern auf diese rechtsstaatlich einwandfreie Art und Weise das Maul stopft.

Und übrigens, man kann auch noch ein Schmerzensgeld verlangen. Wer dann für einen Ficker, eine Ratte oder ein Nazischwein ein paar Mal ein paar hundert oder tausend Euro bezahlen durfte, wird sich künftig eher zurück halten. Im Wiederholungsfall wird's nämlich immer teurer.

Also nicht alles gefallen lassen, zurückschlagen, aber richtig !

VON RA HEINRICH SCHMITZ

Sonntag, 16. Oktober 2011

DEMOKRATIE DES TODES

Das Anti-Demokratie-Statement eines Radikaldemokraten. Eine lupenreine Befürwortung der parlamentarischen D.



Todesstrafenfans - vergesst es !
von RA HEINRICH SCHMITZ


Vor ein paar Tagen erhielt ich über facebook eine Umfrage zum strafrechtlichen Umgang mit sogenannten Kinderschändern, also Straftätern die sich des sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gemacht haben - nicht etwa Kindermördern. Als Antwortmöglichkeiten gab es: Todesstrafe, Arbeitslager mit Schwerstarbeit und Freiheitsstrafe. Wenig erstaunt konnte ich sehen, dass über 380000 die Todesstrafe, rund 30000 die Arbeitslager und nur etwas mehr als 3000 die zur Zeit geltende Freiheitsstrafe gewählt hatten.

Unter den Abstimmenden waren auch einige
meiner FB-Freunde. Wer im einzelnen für welche Strafe abgestimmt hatte, wollte ich lieber gar nicht wissen. Eine überwältigende Mehrheit für die Todesstrafe, sieh mal einer an. Gut, natürlich war das keine repräsentative Umfrage, aber es war auch keine Umfrage unter Leuten, die
ihren Kopf nur dazu haben sich eine Glatze zu rasieren oder einen lustigen Hut darauf zu setzen.

Deutschland, ein Land von Demokraten, eine Oase der Rechtsstaatlichkeit,ein Hort der Freiheit - und dann so eine unverhohlene Begeisterung für
die Todesstrafe ? Und diese Erkenntnis traf zusammen mit dem laut zu vernehmenden Ruf nach mehr Demokratie, nach mehr Volksabstimmungen, nach direkter Internetdemokratie und lauter werdender Kritik an der Tätigkeit oder auch Untätigkeit der Parlamentarier. Also, musste ich folgern, bestünde theoretisch die Gefahr, dass die Todesstrafe schon bald wieder einmal ihren Siegeszug durch deutsche Lande führen würde. Im an die Wand stellen und Aufhängen waren wir ja schon mal an der Weltspitze.

Aber dann setzte ich entspannt ein breites Grinsen auf und dankte den Eltern für ihre Weisheit. Nein, nicht meinen Eltern, sondern den Müttern und Vätern unseres Grundgesetzes. 61 Väter und 4 Mütter. Die kannten ihr
Volk und seine schwelenden Mordgelüste, seine archaischen Rachebedürfnisse und seine ständige Gefährdung, die Würde des Menschen gering zu schätzen. Und weil sie sie kannten,haben sie dem deutschen Volk eine demokratische Notbremse verpasst, einen unüberwindlichen Wall gegen die Unmenschlichkeit.

Ja liebe Todesstrafenfans, blutdürstige Racheengel, geifernde Stammtischgesellen. Ihr könnt so viele werden wie ihr wollt, die
Todesstrafe bekommt ihr trotzdem nicht ! Wegen der Verfassungsväter und -mütter. Wer seine Brut kennt, der setzt ihr früh genug Schranken und da
haben die ganze Arbeit geleistet. Die Verfassungsmütter und -väter machten sich auch keine Illusionen, was passieren würde, wenn sie selbst einmal nicht mehr da wären. Wenn die Eltern aus dem Haus sind, wird ja gerne mal eine wilde Fete gefeiert und das Sofa angezündet. Sie dachten auch nicht nur bis zur nächsten Wahl oder bis zur nächsten Woche. Sie dachten in Zeiträumen, die Politiker mittlerweile gar nicht mehr kennen.

Sie dachten für die Ewigkeit.

Nein, Sie haben sich nicht verlesen.

Das Grundgesetz hat eine Ewigkeitsgarantie. O.k. nicht das ganze Grundgesetz , aber die Art. 1 Abs. 1 bis 3 GG und Art. 20 Abs. 1 bis 3
GG gelten bis zum Ende aller Zeiten. Während grundsätzlich der Bundestag mit einer 2/3 Mehrheit das Grundgesetz ändern kann, haben die in die Zukunft schauenden Verfassungseltern das in Art. 79 Abs. 3 GG für bestimmte ihnen ganz wichtige elementare Regeln ein für allemal
verhindert. („Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20
niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“ ).

Der ein oder andere Oberschlaue wird jetzt anmerken, dass da aber nichts von Art. 102 GG drinsteht, der lapidar feststellt " Die Todesstrafe ist abgeschafft". Ja richtig, auf den ersten trüben Blick. Weil aber das Verbot der Todesstrafe sich aus dem Prinzip der Menschenwürde ergibt, ist es nichts mit ändern, denn die Menschenwürde wird durch Art. 1 GG
geschützt.

Also liebe Todesstrafenfans - vergesst es !

von RA HEINRICH SCHMITZ

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